Bundestag:Klassenkampf

Im Parlament wird über die Schließungspläne von Siemens diskutiert. Manche SPD-Politiker klingen so, als steckten sie schon wieder im Wahlkampf.

Von Michael Bauchmüller

Ihre roten IG-Metall-Westen haben die 14 Siemensianer abgelegt. Jetzt sitzen sie auf der Besuchertribüne des Deutschen Bundestages und schauen zu, wie ihr Schicksal zum Politikum wird. Die SPD hat eine aktuelle Stunde beantragt, die Empörung ist groß - vor allem mit Blick auf strukturschwache Gegenden wie die Lausitz. "Ein Konzern hat nicht nur die Verantwortung, Gewinne zu machen", sagt der Linken-Abgeordnete Klaus Ernst, "sondern auch eine regionale Verantwortung für die Menschen, die er beschäftigt." Der Grüne Stephan Kühn, selbst Sachse, nennt die Entscheidung von Siemens "schlicht verantwortungslos". Auch zwei sächsische AfD-Abgeordnete kommen zu Wort, der eine sieht in der Siemens-Entscheidung eine Spätfolge "der Klimaschutz-Ideologie", der andere sieht eine Mitschuld bei den Russland-Sanktionen, durch die wichtige Märkte wegbrächen.

Der einzige, der gegen den Strich bürstet, ist der Unions-Politiker Joachim Pfeiffer. "Das ist eine ureigene unternehmerische Entscheidung", sie folge der Lage an den Weltmärkten. "Dazu gehört leider auch der Arbeitsplatzabbau in diesen Sektoren", so Pfeiffer. Dafür entstünden in anderen Bereichen Jobs. Da würden die Siemensianer auf der Tribüne sicher gern lautstark protestieren. Aber das gehört sich nicht im Bundestag.

Dafür hatten sie kurz vor der Sitzung vor dem Reichstags-Gebäude demonstriert. Vor allem Beschäftigte aus dem Spandauer Dynamowerk waren gekommen, hier sind zwei von drei Arbeitsplätzen bedroht. Und wo Arbeiter sich erheben, will die SPD nicht mehr fern sein. Parteichef Martin Schulz besucht die kurze Demo ("Wir sind an eurer Seite, Leute") und hinterlässt Sprüche aus dem Vokabular des Klassenkampfes. "Einfach das Personal rausschmeißen ist keine soziale Verantwortung", ruft er. "Das ist das Verhalten von Manchester-Kapitalisten." Auch Fraktionschefin Andrea Nahles lässt sich blicken, bis vor Kurzem noch Arbeitsministerin. "Symptomatisch" sei der Vorgang, sagt sie: "Die schielen auf Börsenkurse, haben aber nur ein Ziel: Bisschen mehr Boni für wenige." Das klingt fast schon wie Wahlkampf.

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