Bundestag entscheidet über Reform:Der Hartz-IV-Nachschlag

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Ein Hartz-IV-Empfänger kann nicht nur mit dem Regelsatz von 364 Euro rechnen - sondern je nach privater Situation mit zusätzlichen Vergünstigungen im Wert von mehreren Hundert Euro. Manche angebliche Leistung ist aber Legende.

Thomas Öchsner

Was hat der Staat seinen mittellosen Bürgern eigentlich zu geben? Das Grundgesetz beantwortet die Frage ganz einfach: Wer Hilfe benötigt, muss in Würde leben können. Was das praktisch heißt, ist seit Einführung der Sozialhilfe 1962 umstritten. Damals wurden den Hilfsbedürftigen unter anderem zwei Rosshaarbesen und eine Glühbirne im Jahr und pro Monat jeweils ein achtel Liter Sahne, 70 Gramm Kalbfleisch und drei Flaschen Bier zugestanden.

Der Hartz-IV-Regelsatz soll auf 364 Euro steigen. (Foto: dpa)

Heute orientiert sich die staatliche Hilfe nicht mehr an einem fiktiven Warenkorb, der den täglichen Bedarf abbilden sollte. Die Regelsätze für die 6,5 Millionen Hartz-IV-Empfänger hängen davon ab, was einkommensschwache Haushalte als Vergleichsgruppe im Monat ausgeben.

Nach der alten Berechnung sind dies derzeit 359 Euro pro Monat plus 215 Euro bis 287 Euro pro Kind. Außerdem werden die Kosten für die Unterkunft ersetzt und der Beitrag für die Krankenkasse gezahlt. Wer auf die staatliche Grundsicherung angewiesen ist, hat aber auch Anspruch auf einige Extra-Leistungen - und kann diverse Hilfsangebote nutzen.

Das beginnt bei den "unabweisbaren einmaligen Bedarfen", wie es im Bürokraten-Jargon heißt. Darunter fällt nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) die Erstausstattung für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten. Diese gibt es auch für Bekleidung sowie bei Schwangerschaft und Geburt eines Kindes. Hinzu kommt das Schulstarterpaket in Höhe von 100 Euro jährlich für Stifte, Hefte und anderes Schulmaterial.

Alleinerziehende mit einem Kind unter sieben Jahren erhalten einen "Mehrbedarf" von 129 Euro zum Hartz-IV- Satz von 359 Euro. Wer aus medizinischen Gründen eine besondere, teuere Ernährung benötigt oder mehr essen muss, wird ebenfalls unterstützt - in begrenztem Umfang. 36 Euro pro Monat zusätzlich gibt es zum Beispiel bei Nierenversagen, Krebs oder Aids. Auch für Pflege- und Hygiene-Artikel, die chronisch Kranke aus gesundheitlichen Gründen laufend benötigen, zahlt der Staat Geld.

Ermäßigter Jahresbeitrag bei Sportvereinen

Hartz-IV-Empfänger dürfen ebenfalls "geldwerte Vorteile" nutzen. Sie können sich von den Rundfunk- und Fernsehgebühren befreien lassen, das macht 17,98 Euro im Monat, die sie sparen können. In vielen Kommunen werden ihnen die Beiträge für den Kindergarten oder die Krippe erlassen, was je nach Zahl der Kinder eine Ersparnis von mehreren hundert Euro im Monat bringen kann. Zahlreiche Städte versuchen außerdem, durch niedrigere Gebühren oder kostenlosen Eintritt in Theater, Museen, öffentlichen Bibliotheken oder Schwimm- und Hallenbäder zu helfen.

Bei Sportvereinen zahlen die Hilfsbedürftigen oft einen ermäßigten Jahresbeitrag. Nach einer Umfrage des Deutschen Städtetags gab es 2008 in 76 Städten "Sozialkarten" mit verschiedenen Vergünstigungen. Möglich ist auch ein Einkauf in Sozialkaufhäusern oder der Besuch von Kleiderkammern. Den finanziellen Vorteil beziffert die BA mit etwa 400 Euro im Jahr. Immer beliebter werden die fast 900 Tafeln in Deutschland, die kostenloses oder günstiges Mittagessen anbieten und Lebensmittel verteilen. Fast eine Million Hilfsbedürftige nutzen dieses Angebot.

Dass sich Hartz-IV-Empfänger auf Kosten der Krankenkasse das Gebiss sanieren könnten, ohne - wie normale Beitragszahler - etwa für Zahnersatz selbst Geld dazulegen zu müssen, ist jedoch eine Legende. "Das", sagt eine BA-Sprecherin, "stimmt einfach nicht."

© SZ vom 03.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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