Bundesrechnungshof beziffert Euro-Rettung:Deutschlands Risiko in Zahlen

Das Papier blieb länger als nötig unter Verschluss, weil das Finanzministerium die Ergebnisse der Bonner Rechnungsprüfer nicht teilt: Erstmals hat der Bundesrechnungshof alle Verpflichtungen der Bundesrepublik zusammengezählt - und ist auf eine gigantische Zahl gekommen.

Guido Bohsem

Der Bericht kam deutlich zu spät und doch gerade noch rechtzeitig. Fein säuberlich hatte der Bundesrechnungshof auf vier Seiten aufgeführt, wie hoch das deutsche Risiko bei der Euro-Rettung ist und wie weit es noch ansteigen könnte.

Rechtzeitig kam der Bericht, weil er den Haushaltsausschuss vor der Abstimmung über den Fiskalpakt und den neuen Schutzschirm ESM erreichte. Zu spät kam er, weil er erst nach den Sitzungen der Fraktionen eingereicht wurde und damit die Meinungsbildung der Abgeordneten nicht mehr entscheidend beeinflussen konnte.

Das Papier blieb länger als nötig unter Verschluss, weil das Finanzministerium die Ergebnisse der Bonner Rechnungsprüfer nicht teilt. Das jedenfalls behauptet die Opposition und wirft Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) Trickserei vor.

Der aufschlussreiche Bericht der Bonner Prüfer ist deshalb so interessant, weil dort erstmals alle Verpflichtungen der Bundesrepublik zusammengezählt wurden. Der Rechnungshof ist dabei auf die gigantische Zahl von 310,3 Milliarden Euro gekommen. Es könnte aber auch mehr werden, so der Rechnungshof, nämlich bis zu 426 Milliarden Euro. Das wiederum bestreitet das Finanzministerium.

Nur der kleinste Teil der Summe, wie hoch sie auch immer sein wird, ist bislang tatsächlich gezahlt geworden. Das sind die direkten Hilfen aus dem sogenannten ersten Griechenland-Paket. Die Euro-Länder hatten 2010 beschlossen, das notleidende Land mit 77,3 Milliarden Euro zu unterstützen. Diese sollten in mehreren Schritten und unter strengen Auflagen ausgezahlt werden. Bislang hat das Land davon 52,9 Milliarden Euro erhalten. Deutschland finanziert davon über die staatliche KfW-Bankengruppe 15,2 Milliarden Euro.

Großteil besteht aus Bürgschaften und Garantien

Der Rest der Summe besteht aus Bürgschaften und Garantien und nicht aus direkten Krediten. Der kleinere Teil entfällt auf Bürgschaften für die Finanzhilfen, die an die Krisenstaaten Portugal und Irland gezahlt worden sind - und zwar aus dem Europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM). Insgesamt erhielten die Länder aus diesem Topf 49 Milliarden Euro.

Abgesichert werden die Mittel über den Haushalt der Europäischen Union. Der deutsche Anteil an dieser Absicherung liegt bei 20 Prozent. Das entspricht dem deutschen Anteil am EU-Budget. Es handelt sich also um 9,8 Milliarden Euro.

ESM soll weitere Kredite vergeben

Griechenland, Irland und Portugal haben aber darüber hinaus noch Hilfen aus der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) erhalten. Die EFSF ist der sogenannte erste Rettungsschirm der Euro-Staaten. Jeder in Not geratene Euro-Staat kann hier Geld beantragen, das unter Sparauflagen gewährt wird. Bis März des laufenden Jahres sind den drei Ländern aus diesem Topf Finanzhilfen in Höhe von 203,3 Milliarden Euro gewährt worden.

Um diese Summe zu Top-Konditionen finanzieren zu können, müssen die Staaten Garantien in Höhe von 330,6 Milliarden Euro aussprechen. Der deutsche Anteil daran entspricht dem Anteil der Bundesrepublik am EZB-Kapital, das sind knapp 29 Prozent. Das heißt, die deutschen Garantien betragen 95,3 Milliarden Euro.

An diesem Freitag soll nun der Bundestag dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) zustimmen, über den weitere Hilfskredite möglich sind. Insgesamt kann der ESM Kredite in Höhe von 500 Milliarden Euro vergeben. Damit dies möglichst günstig geschieht, müssen die Garantien - wie auch bei der EFSF - über der Kreditsumme liegen. Das heißt, die Kreditsumme von 500 Milliarden Euro wird abgesichert durch eine Garantiesumme von 700 Milliarden Euro.

Der deutsche Anteil zur Absicherung des ESM liegt bei maximal 190 Milliarden Euro. Diese setzen sich aus einer Bareinzahlung von knapp 22 Milliarden Euro und Bürgschaften in Höhe von 168 Milliarden Euro zusammen. Die erste Zahlung in Höhe von 8,7 Milliarden Euro will die Bundesrepublik bereits im laufenden Jahr überweisen. Nach dem Entwurf des Haushalts für das kommende Jahr sollen 2013 weitere 8,7 Milliarden Euro folgen. Im Jahr 2014 wird dann die letzte Tranche fällig.

Zusammen ergibt sich also eine Summe von 310,3 Milliarden Euro: 15,2 Milliarden direkte Hilfe an Griechenland plus 9,8 Milliarden aus dem EFSM plus 95,3 Milliarden aus der EFSF plus 190 Milliarden Euro aus dem ESM.

Rechnungshof befürchtet noch höhere Summe

Der Rechnungshof befürchtet nun, dass die Summe noch deutlich höher sein könnte. Nämlich dann, wenn für weitere Hilfskredite nicht nur der ESM, sondern auch die EFSF in Anspruch genommen wird. Hier gebe es noch Reserven von 240 Milliarden Euro, so die Bonner Prüfer. Sollten diese in Anspruch genommen werden, steige die Summe der deutschen Garantien. Statt 95,3 Milliarden Euro könnten somit bis zu 211 Milliarden Euro fällig werden. Die Summe der maximal möglichen Belastung stiege dann von 310,3 Milliarden Euro um 115,7 Milliarden Euro auf 426 Milliarden Euro.

Dieser Fall könne eintreten, wenn nicht der ESM, sondern die EFSF bei neuen Hilfszusagen vorrangig angezapft werde, so der Rechnungshof. Um das zu vermeiden, fehle bislang aber eine eindeutige Regelung. Eine Rangfolge der Inanspruchnahme der beiden Rettungsschirme gebe es bislang nicht.

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