Bundeshaushalt:Genügend Stoff

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Finanzminister im Glück: Wolfgang Schäuble in seinem Ministerium in Berlin.  (Foto: dpa)

Auf Kante genäht? Im Gegenteil, um den Bundeshaushalt ist es bestens bestellt. Von 2015 an könnte es erstmals seit 1969 zu Überschüssen kommen. Dennoch hat Finanzminister Schäuble gute Gründe, die Zahlen schlecht zu rechnen.

Von Guido Bohsem, Berlin

"Der Staatshaushalt muss ausgeglichen sein", donnerte der Redner. "Die öffentlichen Schulden müssen verringert werden. Die Arroganz der Behörden muss gemäßigt und kontrolliert werden." Und: Ausländische Regierungen sollten bei Weitem nicht mehr so viel Geld bekommen wie zuletzt. Andernfalls riskiere man den eigenen Bankrott. Abgang. Bravo! Das musste mal gesagt werden.

Könnte aus der CSU stammen, das Zitat, oder auch aus der CDU. Vielleicht auch vom Anti-Euro-Wahlverein AfD oder von der FDP. Ist aber nicht so. Tatsächlich sind die Sätze über 2000 Jahre alt. Sie werden dem römischen Konsul Marcus Tullius Cicero zugeschrieben.

Man kann also mit einigem Grund davon ausgehen, dass die maroden Kassen der jeweiligen Regierung schon ein bisschen länger beklagt werden, als Wolfgang Schäuble (CDU) Chef des Finanzministeriums ist. Und man muss auch kein Prophet sein, um sagen zu können, das wird auch noch einige Zeit so weitergehen. Obwohl es derzeit eigentlich ganz gut um die Situation des Bundeshaushalts bestellt ist.

So wenig neue Kredite wie seit 40 Jahren nicht

Nach Schäubles Plänen sollen im kommenden Jahr nur noch 6,2 Milliarden Euro neue Kredite aufgenommen werden - so wenig wie seit 40 Jahren nicht. Die Ausgaben liegen mit 295,4 Milliarden Euro deutlich unter den zunächst geplanten 302,9 Milliarden Euro, und das ist auch der europäischen Finanzkrise zu verdanken. Weil die Anleger die deutsche Sicherheit schätzten, ist es derzeit für die Bundesrepublik recht billig, Schulden zu haben. Die Zinsausgaben werden mit 29 Milliarden Euro fünf Milliarden unter den ursprünglichen Planungen liegen. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren zahlte der Bund noch mehr als 40 Milliarden Euro Zinsen im Jahr - und das, obwohl die Verschuldung heute deutlich höher ist.

Von 2015 an soll es sogar noch besser kommen. Dann nämlich sollen erstmals seit 1969 wieder Überschüsse erzielt werden. 2017 will der Bund knapp zehn Milliarden Euro mehr einnehmen, als er ausgeben muss. Nach Angaben aus Regierungskreisen soll das Geld eingesetzt werden, um zum Beispiel den Fonds abzuzahlen, über den das Konjunkturprogramm gegen die Finanzkrise finanziert wurde. Auch der Acht-Milliarden-Euro-Fonds für den Wiederaufbau nach der Flut könnte abgestottert werden. So jedenfalls stellt man sich das im Finanzministerium vor.

Inzwischen erhalten sogar Standard-Redewendungen der Finanzadministration eine völlig neue Bedeutung. "Der Haushalt ist auf Kante genäht", das ist so ein Satz. Schäubles Vorvorgänger Hans Eichel (SPD) wollte damit milliardenschwere Haushaltslöcher vertuschen. Derzeit dient der Spruch als Scherz, denn die Beamten der Haushaltsabteilung bemühen sich derzeit eher, die Situation schlechter darzustellen, als sie eigentlich ist.

Genügend Stoff für ein ganzes Jackett

Wenn man so will, hat die zur Rede stehende Kante derzeit genügend Stoff, um daraus ein ganzes Jackett zu schneidern. Manch einer unkt sogar, dass es schon im kommenden Jahr möglich wäre, ohne neue Schulden auszukommen.

Wer sich fragt, warum der Haushaltsverantwortliche Wolfgang Schäuble ausgerechnet im Wahljahr als derjenige Minister dastehen will, der keine neuen Schulden mehr macht, findet die Antwort bei Carsten Schneider (SPD). Der Chefhaushälter der Sozialdemokraten hält Schäuble nicht nur vor, die Konsolidierung des Etats vor allem durch die günstige Konjunktur geschafft zu haben. Er sagt auch: "Die Wahlkampfpläne der CDU zeigen, dass die Union jede haushaltspolitische Ernsthaftigkeit abgelegt hat." Tatsächlich liest sich der Wahlprogramm-Entwurf in weiten Teilen wie eine Antwort auf die Frage, was man denn nun mit dem ganzen überschüssigen Geld so alles machen könnte.

Es würde Schäuble ähnlich sehen, seine Zahlen zu verschleiern, um genau diesen Effekt nicht weiter zu verstärken. So ist es trotz der nun von der US-amerikanischen Notenbank Fed eingeleiteten Abkehr von der Phase der Geldschwemme unwahrscheinlich, dass der Bund in den nächsten Jahren deutlich mehr Zinsen zahlen muss. Auch sind die Erwartungen an die künftigen Steuereinnahmen "konservativ geschätzt", wie man im Ministerium sagt. Was nichts anderes heißt als: Das wird sicher deutlich mehr werden.

Das alles sind jedoch Luxusprobleme. Das sieht man an Hans Eichel, dem letzten Finanzminister, der wirklich gespart hat. Eichel musste im Wahlkampf des Jahres 2002 haarscharf an der Wahrheit vorbei argumentieren, damit nicht rauskam, dass die EU-Kommission drauf und dran war, Deutschland ein Defizitverfahren aufzubürden. Da lief es nicht gut mit der Wirtschaft. Und genau das wird auch die Nagelprobe sein - wird der Haushalt auch bei schlechter Konjunktur ausgeglichen sein.

© SZ vom 22.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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