Apotheken:Bundesgerichtshof erlaubt Medikamenten-Reimport

Eine bayerische Apothekerin hat ihren Kunden billige Medikamente aus dem Ausland vermittelt - und wurde von einer Konkurrentin verklagt. Der Bundesgerichtshof entschied nun, dass das Rabattmodell wenigstens teilweise zulässig ist. Aber der Streit um Arzneimittelpreise ist noch nicht beendet.

Marlene Weiss

"Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker" - das ist wohl einer der meistverballhornten Sätze der deutschen Sprache. Aber noch immer sorgen Apothekengesetz und Apothekenbetriebsordnung dafür, dass Patienten und Kunden eben ihren Apotheker bedenkenlos fragen können, welches Mittel sie da nehmen und was es für Konsequenzen haben kann. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun eine Berufung zurückgewiesen, die einer bayerischen Apothekerin einen schwungvollen Reimporthandel verbieten wollte. Das Rabattmodell der Apothekerin sei zumindest teilweise unbedenklich.

Geklagt hatten die Betreiber einer Apotheke in Freilassing in Oberbayern an der Grenze zu Österreich. Sie sahen sich durch das Geschäftsmodell einer Konkurrentin im gleichen Ort benachteiligt: Über die Apothekerin konnten Kunden Medikamente bei der "Europa-Apotheke" bestellen, einer Partnerapotheke in Budapest. Die Apothekerin ließ die bestellten Medikamente dann von einem deutschen Großhändler nach Ungarn liefern und bei der Partnerapotheke per Transportunternehmen abholen. In ihrer Apotheke in Freilassing konnten die Kunden es abholen, bezahlen und sich beraten lassen, die Rechnung kam jedoch von der ungarischen Apotheke und wies statt der deutschen Mehrwertsteuer von 19 Prozent die ungarische von fünf Prozent aus. So konnte die Apotheke Rabatte von bis zu 22 Prozent gewähren und verschaffte sich nach Ansicht der Kläger einen unfairen Wettbewerbsvorteil. Sie forderten Unterlassung und Schadenersatz. Auch das ähnliche Modell "Vorteil 24", mit dem der Apothekenverbund Linda niederländische Medikamente in Deutschland vertreibt, ist umstritten.

Kritik von der Apothekerkammer

In erster Instanz bekamen die Freilassinger Kläger recht, in zweiter Instanz wurde das Urteil teilweise revidiert. Das Oberlandesgericht München war zwar auch der Ansicht, dass die Apothekerin sich an die Preisbindung zu halten hat, die in Deutschland für rezeptpflichtige Medikamente gilt. Damit fiel der Anreiz für den Reimport bei diesen Medikamenten weg. Bei den Medikamenten jedoch, die rezeptfrei in Apotheken verkauft werden dürfen, wies das Oberlandesgericht die Klage ab: Das Importgeschäft der deutschen Apothekerin widerspreche weder dem Arzneimittelgesetz noch der Apothekenbetriebsordnung. Der erste Zivilsenat des BGH hat dieses Urteil jetzt bestätigt. Ob die Apothekerin den Fiskus umgangen hat, haben die Gerichte nicht geprüft - nach Angaben der Apothekerin hat das Finanzamt bei einer Umsatzsteuersonderprüfung nichts beanstandet.

Der Streit ist Teil einer Debatte, die zur Zeit diverse deutsche Gerichtshöfe und auch das Gesundheitsministerium beschäftigt: Welche Regeln gelten für ausländische Apotheken auf dem deutschen Markt? Umstritten ist, ob etwa die Preisbindung auch für ausländische Apotheken wie die niederländische Versandapotheke DocMorris gilt. Der Bundesgerichtshof sagte ja, sie tut es; das Bundessozialgericht war anderer Ansicht. Seit September 2010 befasst sich der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes mit der Frage, eine Entscheidung noch aus. Und egal, wie der Gemeinsame Senat entscheidet, will Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) durchsetzen, dass den ausländischen Versandapotheken Rabatte auf rezeptpflichtige Medikamente verboten werden. Im Dezember wurde ein entsprechender Gesetzentwurf seines Ministeriums bekannt.

Die Bayerische Landesapothekerkammer (BLAK) sieht das BGH-Urteil kritisch. "Wir können das nicht nachvollziehen", sagt BLAK-Justitiar Klaus Laskowski. Er sieht den Verbraucherschutz gefährdet: Das Gesetz sehe vor, dass der Apotheker möglichst unabhängig von wirtschaftlichen Überlegungen bleibe, wenn er seine Kunden berät - auch wenn er auf eigene Rechnung arbeitet. "Das war schon immer ein Spagat, aber er sollte nicht in die falsche Richtung erweitert werden", sagt Laskowski. Wenn der Apotheker also ein wirtschaftliches Interesse habe, den Kunden einige Tage auf sein Medikament warten zu lassen, laufe das dem eigentlichen Auftrag der Apotheker zuwider.

Der Apothekerin in Freilassing bringt das Urteil ohnehin vorerst wenig: Die Apothekenaufsicht hat unabhängig von der Klage eine Unterlassungsverfügung verhängt, über die derzeit der Bayerische Verwaltungsgerichtshof berät.

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