Eigenbedarf:Arme Mieter

Der Bundesgerichtshofs könnte die Rechte von Wohnungseigentümern stärken; auch im Fall von GbRs.

Von Valentin Dornis und Harald Freiberger

Das Münchner Ehepaar lebt seit 30 Jahren in der Mietwohnung im Lehel, 166 Quadratmeter, beste Lage, direkt an der Isar, nahe an der Innenstadt. Vor Jahren starb der Eigentümer, vier Investoren kauften das Haus und gründeten eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR).

Was folgte: Die Investoren ließen eine Wohnung nach der anderen sanieren und verkauften sie. Nur die Wohnung des Ehepaars ist noch nicht renoviert. 2013 bekam es schließlich die Kündigung wegen Eigenbedarfs. Angeblich wollte die Tochter eines der vier Gesellschafter mit Mann und Kind einziehen. Die Mieter hielten das für vorgetäuscht und wehrten sich dagegen.

Am Mittwoch das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH): Die Kündigung ist rechtens. Die strittige Frage, ob auch das Mitglied einer GbR Eigenbedarf geltend machen darf, entschied das Gericht zugunsten des Vermieters (BGH VIII ZR 232/15). Es bestätigte damit seine bisherige Rechtsprechung. Zuvor hatte sich das Landgericht München für die Mieter entschieden.

Bisher war ein Vermieter außerdem verpflichtet, einen Ersatz im selben Haus anzubieten. Sonst wurde die Eigenbedarfskündigung unwirksam. Jetzt reicht die Kündigung, der Mieter hat höchstens Anspruch auf Schadenersatz, zum Beispiel für die Umzugskosten.

Eigenbedarf: Münchner Wohnhaus: Der Bundesgerichtshof könnte das Recht von Vermietern stärken, Eigenbedarf geltend zu machen, auch dann, wenn die Wohnung im Besitz einer GbR ist.

Münchner Wohnhaus: Der Bundesgerichtshof könnte das Recht von Vermietern stärken, Eigenbedarf geltend zu machen, auch dann, wenn die Wohnung im Besitz einer GbR ist.

(Foto: Stephan Rumpf)

Der Deutsche Mieterbund kritisierte das Urteil scharf. "Dem BGH scheint es egal zu sein, wenn eine GbR ausschließlich dazu gegründet wird, um Mietwohnungen in Eigentum umzuwandeln", sagte Geschäftsführer Ulrich Ropertz. Man müsse kein Hellseher sein, um vorherzusagen, was mit der Wohnung passiert: Sie werde saniert und anschließend verkauft. Nach Erfahrung des Mieterschützers werden GbR in erster Linie zu dem Zweck gegründet, Mietwohnungen zu sanieren und dann teuer zu verkaufen. "Der BGH bestätigt damit einen Weg, wie man Mieter ganz gut loswerden kann", sagte Ropertz. Der Mieterbund sieht durch die Rechtsprechung den "Kündigungsschutz aufgeweicht und Missbrauch Tür und Tor geöffnet". Eigenbedarf werde in vielen Fällen vorgeschützt. "Der Grund dafür muss nur zum Zeitpunkt der Kündigung bestehen", sagt Ropertz. Schon 2007 und 2011 hatte der BGH in zwei Fällen ähnlich entschieden: Die Gesellschafter einer GbR dürfen demnach genauso Eigenbedarf geltend machen wie jeder andere Eigentümer. Dass der jüngste Fall trotzdem wieder vor dem BGH landete, liegt an der Entscheidung des Landgerichts München (14 S 2969/15). Es hatte sich gegen die früheren BGH-Entscheidungen gestellt: Eine GbR solle keinen Eigenbedarf geltend machen können. Das wiesen die BGH-Richter nun erneut zurück

Endgültig entschieden ist der Fall aber noch nicht: Das Ehepaar kann weiter auf das Landgericht hoffen. Dieses muss den Fall neu verhandeln, weil nicht geprüft wurde, ob an dem angeblichen Eigenbedarf der Tochter wirklich etwas dran ist, und außerdem ob der Auszug für die Mieter eine unzumutbare Härte bedeuten würde.

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