Bundesbank-Chef Weidmann in der Euro-Krise:Der Präsident muss bleiben

Die Europäische Zentralbank wird wieder Staatsanleihen kaufen - ein Tabubruch für den Bundesbank-Chef. Soll Jens Weidmann jetzt hinschmeißen? Das wäre falsch. Der Präsident der Bundesbank muss seinen Überzeugungen treu bleiben und dafür sorgen, dass die Europäische Zentralbank kontrolliert und risikobewusst handelt. Er ist derjenige, der warnen, mahnen und notfalls verlangsamen muss.

Kurt Kister

Es gibt in Politik und Wirtschaft viele Menschen, denen Macht im Zweifelsfall wichtiger ist als ihre eigene Überzeugung. Nein, das ist nicht so böse gemeint, wie es vielleicht klingt. "Macht haben" heißt ja auch, Dinge zum Besseren verändern können. Dabei muss man fast immer Kompromisse machen. Und das wiederum setzt oft die Abkehr von manchen eigenen Überzeugungen voraus. Man kann dies so lange tragen, bis man fürchten muss, dass sich mit der Hintanstellung eigener Prinzipien die Persönlichkeit verändert, dass man sich verbiegt, gar zurechtbiegen lässt.

Zeitung: Bundesbank-Chef erwog mehrfach Ruecktritt

Bundesbank-Präsident Jens Weidmann kämpft für die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank und gegen Ankäufe von Staatsanleihen veschuldeter Euro-Länder. Seine Rolle als Kontrolleur innerhalb der EZB ist wichtig - deshalb darf er nicht zurücktreten.

(Foto: dapd)

Jens Weidmann, Präsident der Bundesbank, befindet sich in ungefähr dieser Drangsal. Wie viele andere sieht Weidmann die Unabhängigkeit der Zentralbank in einem demokratischen Staat als konstitutiv für dieses Staatswesen an. Die Geschichte der Bundesbank ist die Geschichte ihrer Unabhängigkeit von den Regierungen. Unter vielen deutschen Ökonomen und Staatswirtschaftlern gilt die Bundesbank als so herausragend und als nahezu sakrosankt wie das Verfassungsgericht unter Staatsrechtlern und Verfassungspatrioten. Die Bundesbank hat, anders als Notenbanken in anderen europäischen Ländern, nie Inflation durch politisch gewünschte Ankäufe von Staatsanleihen befördert.

Die Europäische Zentralbank EZB ist nach deutschem Verständnis so etwas wie die Bundesbank für Europa. Nach dem Verständnis vieler anderer Euro-Staaten ist sie das nicht. Die EZB soll, das will auch ihr Präsident Draghi, in der nächsten Zeit vor allem als Instrument zur Bekämpfung der Euro-Krise fungieren. Sie soll, simpel gesagt, als eine Über-Notenbank so lange Anleihen kaufen und damit Geld herstellen, bis auch die garstigen Finanzmärkte an die Sicherheit des Euro glauben.

Weidmann hält dies für falsch. Die Zentralbank unterwirft sich so dem politischen Kalkül der verschuldeten Länder, sie fungiert als eine Art Exekutivorgan der Schuldenstaaten. Es wächst dadurch auch die Inflationsgefahr. Das will Weidmann, der durch all dies Deutschland und die Bundesbank gefährdet sieht, nicht mittragen. So viel zu den Überzeugungen.

Legte er nun getreu diesen Überzeugungen sein Amt nieder, wäre das allerdings kontraproduktiv. Es entstünde gerade mal eine Debatte, wie es sie auch in den ähnlich gelagerten Fällen der Banker Axel Weber und Jürgen Stark gab. Bald aber würde nur noch über den Nachfolger debattiert, über Merkel und natürlich darüber, wie der Euro zu retten ist. Ja, die EZB wird mehr Staatsanleihen aufkaufen, auch weil die Gefahr besteht, dass dies bald niemand mehr außer der EZB in größerem Ausmaß tut. Täte dies die EZB nicht, würde auch Italien, Spanien und möglicherweise sogar Frankreich das Geld ausgehen.

Gerade der Präsident der Bundesbank muss dazu beitragen, dass die EZB dabei kontrolliert und risikobewusst handelt. Er ist derjenige im EZB-Rat, der warnen, mahnen und notfalls verlangsamen muss. Dazu braucht es einen Menschen mit Überzeugungen. Die hat Jens Weidmann.

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