Bundesbank-Bericht:Gefährliches Tempo

Eine Untersuchung der Bundesbank zeigt: Hochfrequenzhändler sind selten da, wenn man sie braucht. Außerdem können sie mit dem computergesteuerten Handel im Millisekundentakt Preisturbulenzen verstärken.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Die Bundesbank hält den ultraschnellen computergesteuerten Handel an den Börsen in bestimmten Situationen für gefährlich. In turbulenten Marktphasen würden die sogenannten Hochfrequenzhändler ihre Bereitschaft, Wertpapiere zu handeln, "temporär reduzieren". Zudem könnten die Turbo-Händler in einer Börsenpanik zu "trendverstärkenden Kursentwicklungen" beitragen, so die Bundesbank in ihrem Monatsbericht, der am Montag veröffentlicht wurde.

Hochfrequenzhändler kaufen und verkaufen Aktien und andere Wertpapieren im Millisekundentakt. Die Branche rechtfertigt ihre Arbeit auch damit, dass sie es sei, die bei plötzlich stark fallenden Börsenpreisen den anderen Marktakteuren weiterhin Wertpapiere abkaufen würde. Dadurch bliebe der Markt auch in Crash-Situation intakt. Die Bundesbank kam nun zu einem anderen Ergebnis.

Die Experten haben den Handel mit dem Dax-Future und dem Bund-Future über zwei Wochen analysiert. Die Daten stammen aus dem Jahr 2014. Sie wurden von der Börse Eurex geliefert. Die Analyse dauerte fast zwei Jahre, was unterstreicht, wie undurchschaubar diese Geschäfte im Sekundenbruchteil-Takt sind. Die Datenmenge für nur einen einzigen Tag im Dax-Future-Handel, so die Schätzung, beläuft sich in der Excel-Tabelle auf zwei bis drei Millionen Zeilen mit je 27 Spalten.

Futures sind Derivate. Mit ihnen kann man darauf wetten, wo der Aktienindex Dax oder der Kurs der Bundesanleihe zu einem späteren Zeitpunkt stehen könnte. Auf dem deutschen Markt seien zwischen 30 und 40 Hochfrequenzhändler aktiv, so die Bundesbank. Sie machen mittlerweile gut die Hälfte des Börsenhandels aus.

An den Börsen ging es schon immer ums Tempo. Wer neue Informationen als Erster erhält und verarbeitet, der ist im Wertpapiergeschäft im Vorteil. Früher schickte man Brieftauben und Kutschen durch die Lande. Später, auf dem Parkett, konnten Sprinterqualitäten des Händlers von Vorteil sein. Jetzt zählen flinke und leistungsstarke Computer.

Der amerikanische Autor Michael Lewis konnte 2014 mit seinem Buch "Flash Boys" einer breiten Öffentlichkeit zeigen, wie Hochfrequenzhändler andere Börsianer mit "Tempo" über den Tisch ziehen. Er skizzierte den Fall eines Börsenhändlers, der merkte, dass sich der Preis für eine Aktie genau in dem Moment erhöht hatte, als er den Kauf per Mausklick ausführte. Intelligent programmierte Handelscomputer hatten sich dazwischengemogelt und ihm die Aktien vor der Nase weggeschnappt, um sie ihm dann etwas teurer zu verkaufen. Lewis behauptete schon damals, dass Hochfrequenzhändler im Ernstfall die Panik an den Börsen verstärken würden. Auch die Bundesbank kommt nun zu dem Ergebnis, dass die Turbo-Händler "tendenziell trendverstärkend" seien, kurzfristig stärkere Kursschwankungen auslösen und zu "Flash Events" beitragen könnten. Darunter versteht man starke Kursschwankungen in Sekundenbruchteilen. Besonders besorgniserregend wird es, wenn die Börsenkurse rapide fallen.

In diesem Zusammenhang hat der Begriff "Flash Crash" Einzug in die Geschichtsbücher gefunden. Am 6. Mai 2010 lösten automatisierte Handelsprogramme an der New Yorker Börse einen rapiden Kursverfall aus. Der Aktienindex Dow Jones verlor urplötzlich 1000 Punkte. Das entsprach einem Verlust von neun Prozent. Doch schon wenige Minuten später war der Spuk vorbei.

Dieser Flash Crash, so das Ergebnis einer späteren Untersuchung, kam auch dadurch zustande, dass Computerprogramme eines Händlers enorm viele Verkaufsaufträge ins System gespeist hatten. Das löste Verkäufe anderer Systeme aus. Es gab eine Kettenreaktion. Seit damals behaupten Kritiker, Hochfrequenzhändler würden durch ihr Herdenverhalten die Krisen verschärfen - dahinter steht der Vorwurf, viele Algorithmen seien ähnlich programmiert und würden in einer bestimmten Marktlage sehr ähnlich reagieren.

Der US-Autor Lewis hatte behauptet, dass Hochfrequenzhändler durch ständiges Eingeben und nahezu gleichzeitiges Löschen von Aktien-Orders die Preise manipulieren würden. Auch die Bundesbank entdeckte auffallend viele Orderlöschungen bei den Hochfrequenzhändlern. Ob der Grund dafür Programmfehler oder gar Manipulationsversuche seitens der Händler waren, ließen die Bundesbank-Experten offen.

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