Bundesanleihen:Aufruhr am Schuldenmarkt

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Die zehnjährige Bundesanleihe wirft erstmals seit langer Zeit wieder mehr als ein Prozent Rendite ab - die Verzinsung steigt, weil die Furcht vor einer Deflation schwindet. Für Häuslebauer wird es wohl teurer.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Die Zeiten, in denen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) neue Schulden fast umsonst aufnehmen konnte, also dafür fast keine Zinsen bezahlen musste, dürften erst einmal vorbei sein. Denn die Kreditzinsen an der Börse ziehen an, seit Ende April steigen sie Woche für Woche. Nun erreichten sie ein neues Zwischenhoch: Die deutsche Bundesanleihe mit einer Laufzeit von zehn Jahren rentierte am Mittwoch erstmals seit knapp neun Monaten wieder über ein Prozent. Mitte April lag der Wert noch bei 0,05 Prozent. Solche Preisveränderungen binnen kurzer Zeit sind ungewöhnlich. Für viele Sparer sind die steigenden Zinsen eine gute Nachricht, auch wenn man noch weit von früheren Zeiten entfernt ist, als Staatsanleihen vier und mehr Prozent abwarfen. Für Häuslebauer dürften die Finanzierungskosten höher ausfallen.

Die steigenden Zinsen wirken auf den ersten Blick besonders überraschend, weil die Europäische Zentralbank (EZB) jeden Monat mindestens 60 Milliarden Euro in den Kauf von Staatsanleihen der Euro-Zone steckt. Die Maßnahme soll dafür sorgen, dass die Zinsen niedrig bleiben und die Wirtschaft angekurbelt wird. Doch nun steigen die Zinsen. Warum? "Im Mai gab es in der Euro-Zone viele Neuemissionen", sagt Edgar Walk, Chefökonom der Metzler Bank. Viele Regierungen hätten die niedrigen Zinsen dazu genutzt, neue Staatsanleihen zu begehen und sich auf zehn Jahre günstig neu zu verschulden. Dieses zusätzliche Angebot habe die Renditen aller Staatsanleihen der Euro-Zone steigen lassen. Ein weiterer Grund für die Wende am Anleihemarkt: Die Furcht vor einer Deflation, die Anfang des Jahres unter Experten noch grassierte, schwindet. "Wir erwarten nachhaltiges Wachstum in der Euro-Zone, das ist jetzt schon ablesbar an den Indikatoren", sagt Walk. Dadurch werde auch die Inflation steigen. Entsprechend ziehen die Kreditzinsen an.

Der jüngste Zinsanstieg hat also verschiedene Ursachen. Doch womöglich geht es bald wieder in die andere Richtung. "In den Sommermonaten könnten die Renditen für Bundesanleihen wieder fallen, weil es dann kaum neue Emissionen seitens der Regierungen gibt", sagt Walk. Die Preise am Markt für Staatsschulden dürften also auch in nächster Zeit ziemlich stark schwanken. EZB-Präsident Mario Draghi hat die Anleger bereits gewarnt, sie müssten sich an die "Volatilität gewöhnen." Die Notenbank werde diese Entwicklung nur beobachten und nichts dagegen unternehmen. Es sei normal, dass die Vermögenspreise bei extrem niedrigen Zinsen stärker schwankten.

Starke Kursbewegungen erleben derzeit nicht nur die Anleihemärkte. Auch an den Aktien- und Devisenmärkten geht es turbulent zu. Der Dax, zuletzt noch bei knapp 12 000 Punkten, rutschte am Mittwoch zeitweise unter 11 000 Zähler. Die anziehenden Renditen im Euroraum haben in den vergangenen Wochen auch die Gemeinschaftswährung für Investoren attraktiver gemacht. Der Euro stieg am Mittwoch mit 1,13 Dollar auf den höchsten Stand seit mehr als drei Wochen.

Für Häuslebauer und für den Finanzminister könnte Geld schon bald wieder teurer werden

Die EZB ist mittlerweile optimistischer geworden. Die Notenbank erwartet, dass die Inflationsrate im Euroraum 2015 bei 0,3 Prozent liegen wird - zuvor war man von null Prozent ausgegangen. Mehr Inflation bedeutet häufig mehr Wachstum. Gleichzeitig senken Banken in Spanien und Italien endlich ihre Zinsen für Unternehmenskredite. Das haben sie lange Zeit nicht getan, obwohl der Leitzins der EZB bei 0,05 Prozent liegt. Die Geldpolitik der Notenbank hatte daher nicht die gewünschte Wirkung entfaltet. Nun scheint sich die Situation zu verbessern. Die Lage in Griechenland, wo die Aktienkurse schon länger fallen, gilt als Sonderfall. Die Rendite zehnjähriger griechischer Staatspapiere lag am Mittwoch bei 11,7 Prozent - aktuell fast das Zwölffache im Vergleich zu deutschen Staatsanleihen.

Doch die starken Preisunruhen an den internationalen Anleihemärkten haben noch einen anderen Grund, der auf die strengere Regulierung der globalen Banken zurückzuführen ist. Früher standen Kreditinstitute am Markt bereit, um Anleihen zu kaufen, die Papiere ein paar Stunden zu halten, um sie dann weiter zu veräußern. Die Banken hielten den Markt also liquide. Investoren konnten ihre Anleihepakete jederzeit verkaufen. Das ist heute nicht mehr so einfach möglich. Die Regulierer haben solche Geschäfte mit hohen Eigenkapitalanforderungen belegt. Daher lohnen sich diese "Market Maker-Geschäfte" für die meisten Banken nicht mehr. Im Ernstfall, wenn viele Anleger ihre Wertpapiere verkaufen wollen, fehlen also Abnehmer. Die jüngsten Erfahrungen haben gezeigt, dass die Preise dann viel schneller fallen (und auch wieder steigen), als in einem effektiven Markt eigentlich zu erwarten wäre.

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