Geldanlage:Der Deutschen liebe Geldanlage ist nicht mehr sicher

  • Die Phase der Nullzinsen scheint langsam vorüber, die Zinsen steigen wieder.
  • Was Anleger auf den ersten Blick freut, hat einen entscheidenden Nachteil: Die Kurse für Anleihen fallen.
  • Die meisten Deutschen haben ihr Geld allerdings entweder auf dem Konto - oder in Staatsanleihen investiert.
  • Die Verluste können massiv sein.

Analyse von Markus Zydra, Frankfurt

Die Zinsen in Deutschland steigen wieder. Sogar die zehnjährige Bundesanleihe wirft mittlerweile wieder fast ein Prozent Rendite ab, nachdem Experten vor ein paar Wochen noch fest damit gerechnet hatten, die Papiere würden in den Negativzinsbereich abrutschen. Auch wenn knapp ein Prozent im historischen Vergleich wenig ist, dürften manche deutsche Sparer aufatmen. Die Nullzinsphase scheint sehr langsam auszuklingen.

Dieser Umstand bereitet den hiesigen Geldverwaltern allerdings einige Kopfschmerzen, denn sie wissen, dass viele deutsche Anleger mit den Tücken der Finanzanlage immer noch wenig vertraut sind. Die steigenden Zinsen haben nämlich eine Kehrseite. Sie sind Ausdruck der fallenden Kurse für Anleihen. Wenn der Preis der Bundesanleihe fällt, dann steigt parallel die Rendite für das Wertpapier. So einfach klingt das, wenn die komplizierte Börsenwelt in ein paar Worte komprimiert wird.

Aufmerksame Anleger dürften schon jetzt etwas bemerkt haben

Die meisten Deutschen haben den Großteil ihres Ersparten entweder auf dem Konto oder in Staatsanleihen investiert. Aufmerksame Anleger, die ihr Geld in einfache Renten- oder Mischfonds gesteckt haben, dürften da in den vergangenen Wochen schon etwas bemerkt haben. Die Anleihen im Depot verbuchten Kursverluste. Dabei galten Schuldscheine in der Vergangenheit immer als Stabilisator der Geldanlage. "Wie wir den Kunden erklären sollen, dass die steigenden Zinsen zu Kursverlusten führen, das wird eine kommunikative Herausforderung", erzählt ein Vertreter der Fondsbranche.

Die Experten vom Bankhaus Metzler haben diese "kommunikative Herausforderung" beispielhaft durchgerechnet. Zugrunde liegt ein Mischfonds, der sich zu 30 Prozent aus Aktien und zu 70 Prozent aus Anleihen zusammensetzt. Ergebnis: Schon bei einem Zinsanstieg von einem Prozent würde der Wertverlust im Fonds sechs Prozent betragen. Dabei wurde unterstellt, dass die Aktienpreise im Fonds unverändert bleiben.

Bei einem Zinsanstieg von zwei Prozent beträgt der Verlust zwölf Prozent. Bei vier Prozent Zinsplus müssten Anleger mit diesem Fonds ein Minus von 24 Prozent hinnehmen. Solche Risiken kennt man eigentlich nur von Aktien. Doch die Situation hat sich durch die Niedrigzinsphase verändert. "Allein der Verlust durch einen Zinsanstieg kann massiv sein und überschreitet mit hoher Wahrscheinlichkeit die Risikotragfähigkeit vieler Anleger", so die Experten des Bankhauses Metzler, die deshalb Anlagefonds empfehlen, die mit Derivaten eine Wertsicherung einbauen.

Wenn die Zinsen steigen, bleiben nur Verluste übrig

Ein Blick auf die Preisentwicklung der zehnjährigen Bundesanleihe verdeutlicht das Problem. Das Wertpapier brachte Mitte April eine Mini-Rendite von 0,05 Prozent. Am Mittwoch lag der Satz bei 0,8 Prozent. Umgerechnet auf die Kursentwicklung der Staatsanleihe entspricht das einem Kursverlust von zehn Prozent in acht Wochen. "Das Problem für Privatanleger ist, dass sie in den letzten Jahrzehnten eigentlich immer rückläufige Zinsen hatten. Dann steigen alle klassischen Anleihen im Kurs. Auch die Rentenfonds, Unternehmensfonds oder konservative Mischfonds haben massiv von den rückläufigen Zinsen profitiert", sagt der Kölner Fondsmanager Eckhard Sauren. Er meint, dass viele Anleger nicht in der Lage seien, analytisch einzuschätzen, was es bedeute, wenn die Zinsen nun steigen. "Dann bleiben unter dem Strich Verluste übrig", sagt Sauren. Aber auch wenn die Zinsen weiter nahe null bleiben würden, kämen Anleger nicht mehr auf ihre Kosten. Die Anleihekurse können nicht viel weiter steigen, weil man sonst als Kreditgeber drauflegt. Schon jetzt müssen Investoren bei vielen Staatsanleihen aus der Schweiz und Deutschland einen Strafzins entrichten.

Das Risiko bei Mischfonds hat sich erhöht

Der Blick zurück belegt, wie tief greifend die Veränderungen sind. In den 1960er-Jahren brachte die zehnjährige Bundesanleihe noch mehr als acht Prozent Rendite. In den 1980er-Jahren waren es sogar mehr als zehn Prozent. Damals waren jedoch auch die Inflationsraten höher, was die Realrendite für Anleger drückte. Seit den 1990er-Jahren fielen die Renditen kontinuierlich bis auf fast null Prozent. Das bedeutet: Die Kurse sind entsprechend gestiegen.

Viele Anleger haben in den vergangenen Jahren in Mischfonds investiert. Klassischerweise setzen sich die Produkte zu 30 Prozent aus Aktien und zu 70 Prozent aus Anleihen zusammen. Letztere, so die Überlegung, liefern ordentliche und vor allem sichere Renditen. Mit Anleihen, so der Plan, sollen die stärkeren Kursschwankungen am Aktienmarkt aufgefangen werden.

Mischfonds galten in den vergangenen Jahren als sichere Geldanlage: Sowohl Aktienkurse als auch Anleihepreise sind gestiegen. Die Geldverwalter konnten da nicht viel falsch machen. Jetzt ist die Situation sehr viel komplizierter: Anleihen sind unsicherer geworden. "Das Risiko bei Mischfonds hat sich im Vergleich zu Herbst 2014 weiter erhöht", sagt Barbara Claus, Analystin der Fondsratingagentur Morningstar.

Die Privatanleger müssen umdenken. Sichere Staatsanleihen, die im Volksmund bis heute als mündelsicheres Witwen- und Waisenpapier bezeichnet werden, bergen enorme Verlustrisiken. Alternativ könnten Sparer ihr Kapital stärker in Aktien investieren. Doch diesen Nervenkitzel muss man mögen. Der Dax schwankte in den vergangenen zwei Monaten zwischen 11 000 und 12 300 Punkten. Ein Grund für diese Börsenunruhe waren die Kursverluste an den Anleihemärkten. Die Angst der Investoren ist ansteckend.

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