Bürokratieabbau:Freiheit für Unternehmer

Gründen, Fusionieren, Umziehen: Die Europäische Union will grenzüberschreitendes Wirtschaften deutlich erleichtern. Kritiker sprechen indes von einem"Programm zur Förderung des Steuerdumpings".

Von Thomas Kirchner, Brüssel

Europas Unternehmen sollen mobiler werden. Die EU-Kommission schlug am Mittwoch in Brüssel rechtliche Änderungen vor, die es Unternehmen erlauben würden, ihren Sitz unbürokratischer, schneller und kostengünstiger von einem Land ins andere zu verlegen. Zudem soll es leichter werden, Unternehmen zu gründen und sie zu fusionieren oder aufzubrechen. "Unternehmen müssen ständig auf neue Gelegenheiten reagieren können, ohne ausufernde Bürokratie", sagte der erste Vizepräsident der Kommission Frans Timmermans. Nur so könne der europäische Binnenmarkt florieren. Auf diesem Markt müsse es aber auch fair und gerecht zugehen, für Steuerzahler und Arbeitnehmer, weshalb man einen starken Schutz gegen Missbrauch eingebaut habe.

Umzüge, Fusionen und Aufspaltungen seien ein normaler Teil des Wirtschaftslebens, sagte Timmermans, doch seien in einem Binnenmarkt einheitliche und klare Prozeduren vonnöten. Die Regeln zu Fusionen, Aufspaltung von Unternehmen auf mehrere Länder oder zur Verlagerung von Unternehmenssitzen unterschieden sich stark zwischen den EU-Staaten und seien oft nicht kompatibel, was zu Komplikationen führen und abschreckend wirken könne. In einigen Staaten werden Unternehmen gezwungen, vor einem Umzug zunächst ihr gesamtes Geschäft zu schließen und das Vermögen dann auf ein neu zu gründendes Unternehmen im anderen Land zu übertragen. Im vergangenen Oktober urteilte der Europäische Gerichtshof in einem polnischen Fall, dass eben dieser Zwang der im EU-Recht verankerten Niederlassungsfreiheit widerspreche. Eine Geschäftsaufgabe soll künftig nicht mehr nötig sein, so die Kommission. Die rechtliche Kontinuität werde gewährleistet.

Fusionen sollen in einfachen Fällen künftig im Schnellverfahren genehmigt werden können, wenn alle Aktionäre einverstanden sind. Gläubiger und Minderheitsaktionäre sollen geschützt, aber davon abgehalten werden, Fusionen zu torpedieren. Auch die Regeln für eine Aufteilung der Geschäfte auf mehrere Staaten würden vereinheitlicht.

Ein gewisser Teil der Unternehmen erwägt laut Kommission solche Operationen nur, um seine Steuerlast zu drücken oder den Beschäftigten weniger Rechte geben zu müssen. Das Ursprungsland soll nun prüfen, ob eine solche Absicht vorliegt, und den Plan notfalls stoppen. Bei mittleren und größeren Unternehmen sollen unabhängige Experten zu Rat gezogen werden. Unterscheiden sich die Rechte der Beschäftigten in den betroffenen Ländern, soll verhandelt werden und im Zweifel das jeweils höhere Schutzniveau gelten.

Unternehmen sollen überall online gegründet werden können, ohne physisch in dem Land anwesend sein zu müssen. Angaben müssten nur ein einziges Mal gemacht werden, um überall zu gelten. Nationale Identitätskontrollen bleiben bestehen, eine Vernetzung der nationalen Register soll Betrug vermeiden helfen.

Über den Vorschlag werden nun die Mitgliedstaaten und das EU-Parlament beraten. Die Grünen äußerten Kritik. Der Abgeordnete Sven Giegold sprach von einem "Programm zur Förderung des Steuer- und Sozialdumpings". Im Zweifel könnten Unternehmen nun noch leichter dorthin ziehen, wo sie weniger Steuern oder Auflagen zu befürchten hätten. Das stelle solange ein Problem dar, wie das Steuersystem in der EU noch nicht vereinheitlicht sei. "Die Reihenfolge ist fragwürdig." Schließlich könnten sich die EU-Staaten nicht einmal auf eine einheitliche Bemessungsgrundlage bei der Körperschaftsteuer einigen.

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