Buchungsflaute:TUI startet mit Billigmarke

Europas größter Touristikkonzern steigt ins Geschäft mit Billigreisen ein. Discount Travel verkauft Restposten unter anderem von TUI - teilweise zum halben Preis.

Sibylle Haas

(SZ vom 06.05.2003) — Mit der neuen Marke Discount Travel hat die TUI ihren Strategiewechsel endgültig vollzogen. Nachdem der Konzern im vorigen Jahr mit dem Billiganbieter Hapag-Lloyd-Express im Markt für günstige Flugreisen gestartet ist, bringt er nun auch einen Billigveranstalter auf den Markt.

Beide Konzepte sind für den Konzern neu, weil er sich bislang vor allem als Anbieter hochwertiger Reisen definiert hat. Discount Travel schließe die Lücke im Angebot der TUI, sagte Volker Böttcher, Vorsitzender der Geschäftsführung der TUI Deutschland, bei der Präsentation des Veranstalters in Hannover.

Die Marke soll in Deutschland die Restkapazitäten der Stammmarke des Konzerns, TUI Deutschland, und der Preiswert-Marke 1-2-Fly, zu besonders günstigen Preisen verkaufen, ohne die ursprünglichen Markennamen zu nennen, sagte Böttcher. Andernfalls würde das Image der TUI auf Dauer beschädigt.

Der Konzern reagiere mit Discount Travel darauf, dass immer mehr Urlauber ihre Reise kurzfristig buchen und dies mit günstigen Preisen verbinden. "Waren es vor zwei oder drei Jahren noch 60 Prozent unserer Kunden, die ihre Urlaubsreise drei Monate vor Abflug buchten, so sind es heute etwa 60 Prozent, die erst acht Wochen vor Reiseantritt ihre Pauschalreise ordern", so Böttcher.

Sozialplan in Arbeit

Der Konzern reagiert mit dem Billiganbieter aber vor allem auf die anhaltend schwache Nachfrage nach Urlaubsreisen seit dem Terror vom 11. September 2001 und durch die äußerst schwache Konjunktur. Die Buchungsflaute wurde in den vergangenen Wochen durch den Irak-Krieg und die Lungenkrankheit SARS zusätzlich deutlich verstärkt.

Den jüngsten Zahlen von Anfang März zufolge betrug der konzernweite Umsatzrückgang für die Sommersaison neun Prozent. In Deutschland war der Umsatz sogar um zwölf Prozent eingebrochen. Der Konzern hat deshalb seinen Sparkurs deutlich verschärft und will in diesem Jahr die Kosten um rund 260 Millionen Euro senken.

Bei TUI Deutschland - am Standort Hannover arbeiten 2000 Menschen - seien betriebsbedingte Kündigungen zu erwarten, sagte ein TUI-Sprecher auf Anfrage. Der Sozialplan werde verhandelt und solle Ende Juni abgeschlossen sein. Die Zahl der Kündigungen bezifferte der Sprecher nicht.

Durch die Marktschwäche sei es zu einer deutlichen Zunahme an Restkapazitäten gekommen, die eine eigene Marke erforderten, so Böttcher. Bisher wurden Restposten und Überkapazitäten über die Last-Minute Marke L'Tur (TUI-Beteiligung 46 Prozent) und den Direktvermarkter Berge&Meer (TUI-Anteil 75 Prozent) abgebaut.

"Am besten gar keine" Gäste

Dies reiche derzeit nicht mehr aus, um Restposten zu verkaufen, erklärte Böttcher. Er rechnet mit 100.000 bis 300.000 Urlaubern im Jahr. "Überaus zufrieden wären wir, wenn Discount Travel möglichst wenig Gäste und Umsätze generiert. Am besten gar keine", so Böttcher.

Es sei betriebswirtschaftlich reizvoller, die Angebote unter dem eigentlichen Markennamen und zum normalen Katalogpreis zu verkaufen, begründete er. Vom 9. Mai an startet die "Abverkaufs und Ausputzermarke" in den Reisebüros, auf Online-Reiseportalen und unter der Adresse www.discount-travel.com.

"Es geht um den Einkauf wie im Discounter", sagte Ralf Horter, Geschäftsführer der neuen Discount Travel GmbH. Die Reisen sollen zehn bis maximal 50 Prozent billiger sein als die klassischen Produkte und abgespeckt, etwa mit geringerem Service (kein Zug zum Flug), angeboten werden.

Der erste Prospekt bietet 23 Badeziele mit Hotels im zwei- bis fünf-Sterne-Bereich an. Die Reisen seien drei Monate bis einen Tag vor Abflug buchbar. Die TUI-Aktie gehörte am Montag zu den Gewinnern im Aktienindex Dax. Offenbar knüpften einige Investoren Hoffnungen an die neue Discount-Marke, meinten Händler. Am Mittwoch präsentiert der Konzern überdies seine Bilanz.

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