Britische Immobilien:Der Markt ist kaputt

Aerial Views Of London

Reihenhäuser in London: Wohnungen sind knapp, die Preise hoch.

(Foto: Matthew Lloyd/Bloomberg)

Wohnungen in Großbritannien werden immer teurer, viele Menschen können sich keine eigene leisten. Neue Pläne der Regierung enttäuschen.

Von Björn Finke, London

Ein bemerkenswert offenes Eingeständnis für einen Minister: "Der Wohnungsmarkt in diesem Land ist kaputt", sagte Sajid Javid, britischer Minister für Kommunales, am Dienstag im Parlament. "Wir müssen es besser hinbekommen." Das ist herbe Selbstkritik, schließlich regiert seine Partei, die Tories, das Königreich schon seit sieben Jahren. Doch jetzt soll alles anders werden; Javid, der den Posten seit Sommer innehat, präsentierte sein lange erwartetes Strategiepapier.

Auf 104 Seiten macht der Politiker zahlreiche Vorschläge, wie mehr Häuser schneller gebaut werden könnten. Oppositionspolitiker und Kommentatoren äußerten sich allerdings enttäuscht und klagten, dass wirklich radikale Reformen fehlten, um das Leid der Wohnungssuchenden zu lindern. Da die Preise im Großraum London, dem wohlhabenden Südosten des Königreichs, seit Jahren rasant steigen, können sich immer weniger Briten den Kauf einer Wohnung leisten. Trotz des Brexit-Referendums im vorigen Sommer legten die Preise auch 2016 zu: in London um fast vier Prozent auf durchschnittlich 560 000 Euro, im gesamten Land sogar noch schneller. 2017 soll es weiter aufwärts gehen.

Der Durchschnittspreis in London ist nun 14-mal so hoch wie ein mittleres Jahresgehalt. Für Normalverdiener ist es da schwer, selbst ein schäbiges Ein-Zimmer-Apartment zu finanzieren. Sie müssen mieten. Um die ebenfalls happigen Mieten zu senken, schließen sich viele Berufseinsteiger zu Wohngemeinschaften zusammen.

Ein Leben ohne Perspektive auf Wohneigentum ist schmerzlich in einem Land, in dem das Motto gilt: My home is my castle. Wer etwas auf sich hält, kauft. Außerdem schützt der Gesetzgeber Mieter viel weniger als etwa in Deutschland. Ursache der Preissteigerungen ist, dass schon seit Jahren viel zu wenige Häuser gebaut werden. Zugleich wächst die Bevölkerung. London mit inzwischen 8,6 Millionen Einwohnern zieht Firmen und ihre Beschäftigten aus der ganzen Welt an, die Hochschulen locken Studenten, und Investoren stecken Millionen in luxuriöse Drittwohnungen an der Themse, in krisensicheres Betongold.

Die Tories, die regierenden Konservativen, versprachen vor der Wahl 2015, dass in den kommenden vier Jahren insgesamt eine Million Wohnungen gebaut würden. Das sind 250 000 pro Jahr. Doch 2016 wurden gerade mal 152 000 errichtet, zwei Prozent weniger als 2015.

Ein Hindernis sind die strengen Planungsvorschriften. So ist es schwierig, Grünflächen in ländlichen Gebieten rings um die Städte zu bebauen. Diese Flächen, der sogenannte green belt, sind als grüne Lunge für die Städte geschützt. Minister Javid wollte den Schutz aufweichen, musste diese Pläne aber begraben. Die wohlhabenden Pendlerdörfer sind Hochburgen der Tories, und die Stammwähler mögen keine Neubaugebiete in der Nachbarschaft.

Stattdessen will der Konservative nun Planungsverfahren beschleunigen. Außerdem sollen Immobilienfirmen die knappen Grundstücke in den Städten dichter bebauen, also mit mehr Wohnungen. Es sollen auch mehr kleine seniorengerechte Apartments entstehen. Das soll es für Rentner attraktiver machen, die großen Häuser zu verkaufen, die sie vielleicht besitzen, doch nicht voll ausnutzen.

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