Britische Banken:Fernweh an der Themse

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HSBC-Zentrale in London. Gegen die Bank läuft ein Bußgeldverfahren. (Foto: Simon Dawson/Bloomberg)

HSBC und Standard Chartered prüfen, ihre Zentralen aus London abzuziehen. Sie klagen über hohe Steuern und harte Regulierung.

Von Björn Finke, London

Zurück zu den Wurzeln: The Hongkong and Shanghai Banking Corporation wurde 1865 in Hongkong gegründet, hatte dort lange ihren Sitz. Erst 1993 zog die Bank - besser bekannt als HSBC - nach London. Heute ist das Institut die größte Bank Europas, aber die Führung erwägt, den Konzernsitz wieder zu verlegen. Als wahrscheinlichster Kandidat für die neue Heimat gilt die alte Heimat Hongkong. Auch der Rivale Standard Chartered, dessen Zentrale sich ebenfalls an der Themse befindet, denkt über einen Wegzug nach.

London ist der wichtigste Finanzplatz des Kontinents, und die Banken sind wiederum für das Vereinigte Königreich eine der wichtigsten Branchen. Doch die Stimmung ist schlecht in den Glastürmen in der City und in Canary Wharf: Härtere Regulierung, höhere Steuern und die politischen Unwägbarkeiten durch die Parlamentswahl kommende Woche bereiten Sorgen. Viele Manager klagen - und HSBC und Standard Chartered könnten es nicht beim Klagen belassen. Würden sie wirklich ihren Sitz aus London wegverlegen, wäre das ein herber Schlag für das stolze Finanzzentrum. Und für die britische Regierung.

Die Debatte um HSBCs Zukunft stieß Douglas Flint an, der Aufsichtsratschef des Instituts. Das Gremium habe das Management beauftragt, "damit anzufangen zu untersuchen, wo in diesem neuen regulatorischen Umfeld der beste Ort für die Zentrale" der Bank sei, sagte er jetzt auf der Hauptversammlung des Geldhauses, das zuletzt vor allem mit dem Schwarzgeld-Skandal bei seiner Schweizer Tochter Schlagzeilen gemacht hatte. Die Finanzaufsicht in Hongkong versicherte schon einmal vorsorglich, einem Umzug des Konzerns in die frühere Kolonie "positiv" gegenüberzustehen. Britische Politiker nutzten Flints Aussage prompt, um jeweils der gegnerischen Partei vorzuwerfen, mit ihren Ideen die wichtigsten Banken aus dem Land zu ekeln.

Tatsächlich tragen sowohl die regierenden Konservativen, die Tories, als auch die Opposition von der Labour-Partei ihr Scherflein zum Frust der Banker bei. Schatzkanzler George Osborne erhöhte im März die Bankenabgabe um ein Drittel, eine 2011 eingeführte Sondersteuer, die ein Ausgleich dafür sein soll, dass die Bürger die Branche in der Finanzkrise mit Abermilliarden retteten. Jede Bank muss nun 0,21 Prozent ihrer Bilanzsumme an den Fiskus überweisen - vor Osbornes Entscheidung waren es 0,156 Prozent gewesen. Es war schon die achte Erhöhung.

Diese Abgabe trifft HSBC als größte Bank Europas besonders stark. Dabei verdient der Konzern sein Geld vor allem in Asien und nicht im britischen Königreich. Vier Fünftel der Gewinne stammen aus Asien, und dort wiederum ist Hongkong mit Abstand der bedeutendste Markt. Würde der Firmensitz nach Asien verlegt, müsste HSBC die Abgabe nur für sein Geschäft in Großbritannien zahlen und würde so geschätzt eine Milliarde Dollar im Jahr sparen. Beim kleineren Rivalen Standard Chartered ist das Problem ähnlich gelagert: Der Londoner Konzern ist in erster Linie in Schwellenländern aktiv, zahlt jedoch auf seine komplette Bilanz die britische Sonderabgabe. Bei dieser Bank gilt Singapur als wahrscheinlichste Ausweichadresse.

Auf einen Regierungswechsel zu hoffen, bringt nichts, denn Labour verspricht, die Abgabe noch einmal hochzusetzen. Die Partei will außerdem den Spitzensteuersatz erhöhen, eine Sondersteuer auf Bankerboni einführen sowie eine für Besitzer teurer Häuser. Nichts davon kann Bankern gefallen. Meinungsforscher prophezeien ein ganz enges Rennen zwischen Labour und Tories. Das Wahlprogramm der Konservativen bereitet ebenfalls Kummer: Die Tories wollen das Volk spätestens in zwei Jahren über einen Austritt aus der Europäischen Union abstimmen lassen. In Umfragen haben Befürworter einer Mitgliedschaft nur einen knappen Vorsprung.

Ein sogenannter Brexit wäre für die Herren des Geldes eine Horrorvorstellung, denn viele Konzerne bedienen von London aus Kunden auf dem Festland. Das könnte nach einer Scheidung schwieriger werden. HSBC-Aufseher Flint sagte auf der Hauptversammlung, ein möglicher Austritt gehöre zu den größten wirtschaftlichen Risiken. US-Banken wie Goldman Sachs kündigten bereits an, in dem Fall Abteilungen von London in die Euro-Zone verlagern zu wollen, etwa nach Dublin oder Frankfurt.

Ein solcher Wegzug würde die Banker zugleich von der harten Regulierung an der Themse befreien. Die britischen Aufseher haben viele Vorschriften deutlich verschärft. So müssen Manager ihre Boni noch nach sieben Jahren zurückzahlen, wenn ihnen später Fehlverhalten nachgewiesen wird. Wer sein Institut mit waghalsigen Entscheidungen in den Ruin treibt, dem droht Gefängnis. Außerdem müssen britische Geldhäuser bis 2019 ihre riskanten Investmentbanking-Sparten strikt vom Verbrauchergeschäft trennen, damit Probleme in einem Bereich nicht den anderen in Mitleidenschaft ziehen. Das ist aufwendig und kostet. HSBC erwägt daher Medienberichten zufolge sogar einen Verkauf des Geschäfts mit Privatkunden in Großbritannien - der Bereich muss ja wegen der neuen Regeln ohnehin in eine separate Firma ausgegliedert werden.

Dass sich HSBC am Ende auch für einen Umzug der Zentrale von London nach Hongkong entscheiden wird, halten Beobachter allerdings für zweifelhaft. Schließlich hätte der Konzern dann seinen Sitz im Herrschaftsgebiet einer offiziell immer noch kommunistischen Diktatur - das brächte Unsicherheit, die Investoren und Kunden nicht gerade schätzen. Außerdem ist fraglich, ob Hongkong einen Koloss wie HSBC bei einer Schieflage stützen könnte.

Vielleicht ist London doch kein so schlechter Standort.

© SZ vom 28.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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