Brexit:Umzug aufs Festland

Banks Face 6 Billion Of Libor Litigation

"Gherkin", also Gewürzgurke, wird dieses Hochhaus im Bankenviertel genannt. Die Branche ist beunruhigt.

(Foto: Jason Alden/Bloomberg)

Es geht los: Die russische VTB-Bank will als erstes Geldhaus nach dem Brexit wichtige Abteilungen aus London verlagern.

Von Björn Finke, London

Frankfurt, Paris oder Wien könnten von der Entscheidung der Russen profitieren: VTB, die zweitgrößte russische Bank, will wichtige Abteilungen aus London in die Euro-Zone verlagern. Und Herbert Moos, Finanzchef des Moskauer Geldhauses, nannte in einem Interview diese drei Städte als mögliche Ziele. Der Deutsche kündigte an, dass die Europa-Zentrale des Investmentbankings nicht in London bleiben könne - wegen des Brexit. Das Staatsunternehmen ist damit die erste internationale Bank, die nach dem EU-Referendum Stellen von London aufs Festland verschiebt.

Vor der Abstimmung hatten viele Finanzkonzerne gedroht, bei einem Sieg des Brexit-Lagers Jobs von London in die Euro-Zone zu verlagern. Doch konkrete Ankündigungen folgten bislang nicht. Schließlich wissen die Manager noch gar nicht, welche Konsequenzen der EU-Austritt für ihre Geschäfte haben wird. Nun preschen die Russen vor. VTB hat in London mehrere Hundert Angestellte. Der Standort soll bleiben, allerdings werden wichtige Funktionen demnächst in die Euro-Zone abwandern.

London ist Europas unbestrittenes Finanzzentrum. Die Branche beschäftigt in der Metropole 360 000 Menschen. Viele internationale Banken und Versicherer unterhalten an der Themse große Niederlassungen, die sich um Kunden in ganz Europa kümmern. Insgesamt sitzen in London 250 ausländische Banken. Die Finanzkonzerne profitieren davon, dass Firmen und Banken mit einer Zulassung in einem EU-Land auch in allen anderen Mitgliedsstaaten problemlos Geschäfte tätigen und Filialen eröffnen können. Die Genehmigung aus dem einen Land reicht und wird überall anerkannt. Nach dem Brexit könnten Londons Geldhäuser diese Vorteile verlieren. Sie müssten ihre Europa-Zentralen oder zumindest wichtige Abteilungen in die Euro-Zone verlagern. Da geht es um Zehntausende Jobs.

Das weckt Begehrlichkeiten in Städten wie Frankfurt, Paris, Amsterdam oder Dublin. Sie werben bereits um die Gunst britischer Banker. VTB-Finanzvorstand Moos sagt, das Staatsinstitut werde die neue Heimat der Londoner Investmentbanker unter anderem mit Blick auf die Regulierung und den Talentpool auswählen. Den Manager wird der Trubel um seine Ankündigung freuen, denn zuletzt machte der Konzern eher negative Schlagzeilen: VTB soll Präsident Wladimir Putin und seinen Getreuen geholfen haben, Geld in Briefkastenfirmen zu verstecken. Das zeigen die Panama Papers, die Unterlagen der Anwaltskanzlei Mossack Fonseca, welche die SZ und andere Medien auswerteten.

Die Wirtschaftsverbände im Königreich hoffen weiterhin darauf, dass britische Firmen und Banken auch nach dem Brexit ohne Hürden Geschäften im EU-Binnenmarkt nachgehen können. Dann bräuchten die Geldhäuser keine Abteilungen aufs Festland verlagern. Als Vorbild für so eine Regelung dient das Nichtmitglied Norwegen. Doch Premierministerin Theresa May verspricht, dass das Land nach dem Austritt nicht mehr der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs unterliegt und die Zahl der Einwanderer kontrollieren kann. Das ist unvereinbar mit der Teilnahme am Binnenmarkt. Die Entscheidung der VTB könnte sich als sehr vorausschauend erweisen.

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