Brexit:Das sind die wirtschaftlichen Folgen des Brexit

Lesezeit: 5 min

Der Brexit wird gravierende Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft haben. (Foto: AFP)

Wird der Urlaub in London nun billiger? Was bedeutet der Brexit für den Export? Und was passiert mit dem Sky-Abo? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Von SZ-Autoren

London-Touristen freuen sich über den neuen Pfundkurs, die Immobilienmakler der Stadt sind dagegen in Panik: Der Brexit betrifft große Teile der Wirtschaft. Die Unsicherheit ist groß. Drängende Fragen - und erste Antworten.

Was müssen Sparer jetzt wissen?

Wer sein Geld in Aktien investiert hat, ärgert sich immer über Kursstürze. Anleger sollten aber langfristig denken. Auch nach der Finanzkrise 2008 haben sich die Werte weltweit wieder erholt. Die Frage ist, ob der Brexit eine große Wirtschaftskrise auslöst. Dafür spricht, dass gerade völlig unklar ist, wie es weitergeht. Das verunsichert Firmen und Verbraucher, ist also Gift für die Konjunktur. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung senkte seine Konjunkturprognose für Deutschland für das kommende Jahr deutlich um 0,5 Prozentpunkte. Wenn der Brexit halbwegs geplant vollzogen wird, könnte die Planungssicherheit zurückkommen.

Wie reagieren deutsche Exporteure?

Für deutsche Unternehmen wird es mittelfristig schwieriger, mit Großbritannien Geschäfte zu machen. Handelserleichterungen fallen möglicherweise weg, es könnte neue Zölle geben. Wird der Euro stärker, werden deutsche Waren teurer und unattraktiver. Deutschland exportierte 2015 Waren im Wert von 90 Milliarden Euro ins Königreich. Großbritannien ist nach den USA, China, Frankreich und den Niederlanden wichtigster Handelspartner Deutschlands. 2500 deutsche Unternehmen haben Niederlassungen in Großbritannien und beschäftigen 370 000 Mitarbeiter.

Wie reagieren die Notenbanken?

Die britische Zentralbank hat zugesichert, alles zu tun, um das Finanzsystem zu stabilisieren. Auch die Europäische Zentralbank werde "falls nötig zusätzliche Liquidität in Euro oder ausländischen Währungen zur Verfügung stellen". Die Schweizer Nationalbank intervenierte am Morgen am Devisenmarkt, um den starken Anstieg des Franken zu bremsen. Investoren flüchteten in die Schweizer Währung.

Wird Urlaub in London jetzt billiger?

Weil das britische Pfund stark an Wert verloren hat, wird der Aufenthalt in Großbritannien zunächst billiger. Allerdings verändern sich Preise über die Zeit. Ein Beispiel: Französische Weine in Euro werden nun teurer in Pfund. Das heißt, dass Londoner Restaurants mittelfristig ihre Weinpreise erhöhen werden.

Kommt man noch mit dem Billigflieger auf die Insel?

Für Easyjet ist die Lage riskant. Die Airline betreibt viele Strecken zwischen Großbritannien und der EU sowie innerhalb der künftigen kleineren Union. Noch ist aber völlig unklar, wie die Verkehrsrechte zwischen England und Europa künftig geregelt werden. Für Ryanair als irisches Unternehmen ist die Lage besser. Nur die Streckenrechte von und nach Großbritannien müssten neu verhandelt werden, in Europa kann Ryanair weiter expandieren.

Tourismus
:Was der Brexit für Reisende bedeutet

Mit dem Abschied der Briten von der EU ändert sich einiges für Touristen. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Was bedeutet der Brexit für Deutsche, die in London arbeiten ?

Mehr als zwei Millionen Menschen aus EU-Staaten verdienen ihr Geld in Großbritannien. Falls bei den Austrittsverhandlungen die Freizügigkeit erhalten bleibt, dürfte sich für Arbeitnehmer wenig ändern. Falls nicht, drohen strenge Regeln: Menschen aus Nicht-EU-Ländern haben in Großbritannien nur dann Chancen auf ein Arbeitsvisum, wenn sie hoch qualifiziert sind und vergleichsweise viel verdienen - umgerechnet mindestens 44 000 Euro im Jahr. Gilt diese Regel künftig auch für EU-Bürger, sind besonders Beschäftigte in der Gastronomie und Hotellerie betroffen. Sie könnten keine Aufenthaltserlaubnis mehr erhalten.

Und was sind die Folgen für Briten in Deutschland?

Auch für die mehr als 100 000 Briten hierzulande sind die Folgen des EU-Austritts noch nicht absehbar. Ein mögliches Szenario, vor dem die britische Regierung bereits im Februar gewarnt hatte: britische Berufsabschlüsse könnten in der EU künftig nicht mehr anerkannt und Pensionsansprüche sowie der Zugang zum Gesundheitssystem eingeschränkt werden.

Was müssen Kunden britischer Banken nun beachten?

Sie sollten schauen, wie ihre Einlagen abgesichert sind. Bei der Bank of Scotland zum Beispiel, die in den vergangenen Jahren Einlagen von deutschen Sparern eingesammelt hat, würde im Pleitefall die britische Einlagensicherung für den Schaden aufkommen - bis 75 000 Pfund. Ob eine Einlagensicherung ihr Versprechen hält, steht und fällt aber mit dem politischen Willen. Ob die Politik zur Not heimisches Steuergeld nutzt, um ausländische Sparer zu entschädigen, ist aber ungewiss, sagen Verbraucherschützer.

Wird Frankfurt das neue London?

Die britische Hauptstadt wird auch nach dem Brexit noch lange die wichtigste Finanzmetropole des Kontinents sein. Im Großraum Frankfurt arbeiten ungefähr 62 000 Menschen für Banken, in und um London sind es 144 000. Mittelfristig aber könnte Frankfurt profitieren. Das liegt vor allem daran, dass alle Banken in London einen EU-Pass haben, der ihnen das Recht gibt, in jedem anderen EU-Land ihr Geschäft zu betreiben. Auch US-Banken haben diesen Vorteil in London genutzt. Mit der britischen Banklizenz können sie ohne weitere aufsichtsrechtliche Prüfung beispielsweise auch in Deutschland eine Bank eröffnen.

Wenn Großbritannien aus der EU austritt, könnte dieser EU-Pass mittelfristig nicht mehr gelten. Dann müssten sie ihren Sitz verlagern - nach Frankfurt, Dublin oder Paris. In Frankfurt rechnet man mit 10 000 bis 20 000 neuen Arbeitsplätzen. Die Finanzplatzinitiative Frankfurt Main Finance hat bereits eine Hotline für Banker aus London eingerichtet und plant eine Werbetour.

Brexit-Entscheidung
:Warum der Brexit weltweit den Wohlstand gefährdet

Das Votum beruht auf der Haltung: "Wir gegen die." Dabei hat die Staatengemeinschaft gerade erkannt, dass sie mit wirtschaftlicher Kooperation besser fährt.

Kommentar von Bastian Brinkmann

Welche Folgen hat der Brexit für die Deutsche Bank?

Keine guten - das gilt für Deutsche Bank genauso wie für alle anderen Institute. Banken hängen besonders stark von der wirtschaftlichen Lage ab. Außerdem dauert die für die Geldinstitute quälend lange Niedrigzinsphase nun wohl noch länger an. Die Deutsche Bank beschäftigt in London mehr als 8000 Mitarbeiter, vor allem im Investmentbanking. Chef John Cryan hatte vor dem Votum angekündigt, im Brexit-Fall den Handel mit Euro-Staatsanleihen aus London abzuziehen.

Platzt in London eine Immobilienblase?

Die Preise für Wohnungen und Büros in der britischen Hauptstadt gelten als verrückt. Gerade Käufer aus China und den Golfstaaten haben seit der Finanzkrise viele Milliarden in Londoner Immobilien angelegt. Auch die zurzeit so gefragten Immobilienfonds aus Deutschland haben dort viel investiert. Der Brexit könnte den Boom nun stoppen.

Immobilien- und Bauunternehmen haben an der Londoner Börse nach der Abstimmung enorm an Wert verloren. Firmen wie Redrow oder Bovis Homes büßten bis zu 75 Prozent ihres Werts ein. Die Händler befürchten, dass nun viele Banker London verlassen könnten. Dann droht neuen Bürotürmen Leerstand, und die Nachfrage nach Luxus-Wohnungen könnte weiter zurückgehen. Bereits im Frühjahr hatte sich angedeutet, dass die Preise für Neubau-Wohnungen in London in diesem Jahr sinken dürften - zum ersten Mal seit vielen Jahren.

Englische Lebensversicherungen galten manchen mal als Hit. Was ist mit ihnen?

In Deutschland sind rund eine Million Lebensversicherungsverträge betroffen, schätzt Oliver Pradetto, Geschäftsführer des Maklerpools Blau-Direkt. Ihre Besitzer sollten jetzt nicht aus Angst die Verträge vorschnell kündigen, rät er. Große Anbieter britischer Policen in Deutschland sind Standard Life, Clerical Medical, Legal & General und Friends Provident. Einige Gesellschaften haben angekündigt, eine Tochtergesellschaft in der EU zu gründen, dann würde sich für Kunden wenig ändern. Die Alternative könnte sein, dass Verträge rückabgewickelt werden müssen und Kunden dann für ihre Verträge Rückkaufswerte erhalten, sagt Pradetto.

Die Brexit-Befürworter wetterten gegen Arbeitsmigranten aus Osteuropa . Was wird aus ihnen?

Das ist die größte Sorge der jüngeren EU-Mitglieder nach dem Brexit: Dass London die mehr als 1,5 Millionen Polen, Balten, Tschechen, Slowaken und Slowenen, Rumänen und Bulgaren vor die Tür setzen könnte. Viele schicken jeden Monat Geld in ihre Heimat und auch den dortigen Arbeitsmarkt. Polnische Medien spekulieren bereits, dass Polen in Großbritannien nun in Massen die britische Staatsbürgerschaft beantragen.

Wird Sky jetzt abgedreht?

Sky-Kunden können auch in Zukunft Bundesliga und Spielfilme bei dem Pay-TV-Sender sehen. Sky Deutschland gehört zwar zu britischen Sky-Gruppe, ist aber rechtlich eigenständig und agiert auch so. Der Sky-Großaktionär, Medienunternehmer Rupert Murdoch, war ein Befürworter des Brexit. Sein Boulevardblatt Sun machte mächtig Stimmung dafür.

London Calling: Wird Anrufen teurer?

Schon im nächsten Jahr sollen die Roaming-Gebühren wegfallen, wenn es nach Brüssel geht. Zu telefonieren und das mobile Internet zu nutzen, soll dann nicht mehr kosten als im Heimatland. Wie sich der EU-Austritt Großbritanniens darauf auswirkt, müssen voraussichtlich bilaterale Verträgen klären. In vielen Nicht-EU-Ländern werden noch horrende Roaming-Preise verlangt.

Wird Studieren in Oxford unbezahlbar?

Bislang zahlen Studenten aus dem EU-Ausland vergünstigte Studiengebühren, die genauso hoch sind wie für Briten. Künftig könnten die sowieso schon stolzen Gebühren von umgerechnet gut 11 000 Euro pro Jahr auf das Doppelte ansteigen. Auch das beliebte Austauschprogramm Erasmus steht jetzt infrage.

© SZ vom 25.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Brexit
:Alt überstimmt Jung

Drei von vier Briten zwischen 18 und 24 Jahren sahen ihre Zukunft in der EU. Daraus wird nun nichts - die Älteren haben die Wahl entschieden.

Von Paul Munzinger und Katharina Brunner

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: