Bremer Landesbank:In Seenot

Loyd-Werft

Während der Bankenkrise kippte die EU-Kommission die Regel, nach der Kommunen und Bundesländer als Garantiegeber für Anleihen ihrer Landesbanken auftreten konnten. Die norddeutschen Landesbanken verwendeten das bis dahin staatlich garantierte Kapital dazu, immer höhere Schiffskredite zu vergeben. Die weltweite Schiffskrise hält nun schon zehn Jahre an.

(Foto: Ingo Wagner/dpa)

Der überraschend hohe Milliardenverlust des Instituts zeigt: Die Schiffskrise setzt der Finanzbranche fast so stark zu wie 2008 das Platzen der Immobilienblase. Nur kommt die Katastrophe diesmal schleichend.

Von Heinz-Roger Dohms

Das kleinste deutsche Bundesland ist auch das mit der höchsten Pro-Kopf-Verschuldung. Insofern dürften sie am Freitag in Bremen kräftig durchgeatmet haben. Denn einerseits war es natürlich eine niederschmetternde Nachricht, dass die ortsansässige Bremer Landesbank im vergangenen Jahr einen Verlust von 1,4 Milliarden Euro erlitten und damit drei Viertel ihres Eigenkapitals vernichtet hat. Andererseits: Wenigstens sind das jetzt nicht mehr die Verluste des Bremer Steuerzahlers - sondern die des niedersächsischen. Denn im vergangenen Sommer, als zwar schon das Desaster als solches, nicht aber das komplette Ausmaß absehbar war, hatte der Stadtstaat seinen 41-Prozent-Anteil an die Nord-LB aus Hannover verscherbelt. Glück gehabt.

Die Steuerzahler müssen für bis zu 20 Milliarden Euro aufkommen, schätzen Experten

Jenseits der bremischen Perspektive ist das freilich ein geringer Trost. Denn auch wenn Paul Achleitner, der Aufsichtsratschef der Deutschen Bank, erst vor wenigen Wochen erklärt hatte, dass sich "in Deutschland niemand darüber Gedanken machen muss, Banken zu retten" - das glatte Gegenteil scheint richtig. Zwar ist die Lage nicht so dramatisch wie 2007/2008, als neben diversen Landesbanken auch die Commerzbank, die Hypo Real Estate und die IKB aufgefangen wurden. Und doch: Spätestens seit der Meldung aus Bremen lässt sich die neue Bankenkrise kaum mehr negieren. Der Unterschied besteht nur darin, dass sie anders als vor zehn Jahren nicht überfallartig, sondern schleichend kam. Und dass es diesmal nicht um "Subprime", sondern um Schiffe geht.

Es ist ja nicht nur die Bremer Landesbank. Unabhängig von der Komplettübernahme der BLB hat die Nord-LB auch in ihrem eigenen Schiffsportfolio mit hohen Verlusten zu kämpfen. Darum darf man gespannt sein, wie die Nord-LB nun die notwendige Rekapitalisierung der BLB stemmen will. Ein weiterer Problemfall ist die genossenschaftliche DVB-Bank, der drittgrößte Schiffsfinanzierer hierzulande. Vor Jahresfrist wurde das relativ unbekannte Institut de facto von der DZ-Bank - dem Dachinstitut aller Volks- und Raiffeisenbanken - gerettet; das eigene Kapital der DVB reichte nicht aus, um die Schiffsverluste zu absorbieren. Bei der Commerzbank wiederum ist das maritime Portfolio zwar zu klein, um das ganze Institut zu gefährden. Allerdings trugen die Verluste aus dem Schiffssegment entscheidend dazu bei, dass der Gewinn im vergangenen Jahr von 1,1 Milliarden Euro auf 279 Millionen Euro einbrach.

Über noch ganz andere Summen wird derweil bei der im Besitz Hamburgs und Schleswig-Holsteins befindlichen HSH- Nordbank diskutiert. Auf bis zu 16 Milliarden Euro bezifferte der Kieler Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) jüngst die möglichen Gesamtverluste für die Steuerzahler - unabhängige Experten wie der renommierte Bankenprofessor Martin Hellwig kommen sogar auf 20 Milliarden Euro. Nur mal zum Vergleich: Die europaweit debattierte Rekapitalisierung der Monte die Paschi kostet den italienischen Staat nach jetzigem Stand 6,6 Milliarden Euro.

Im Hamburger Abendblatt sprach Albig sogar davon, dass das HSH-Debakel womöglich "nicht nur den Landeshaushalt, sondern auch den Bund und die EU" betreffe. Was genau er damit meinte, blieb unklar.

Wer verstehen will, wie es soweit kommen konnte, muss zurückblicken in die frühen Nullerjahre. Die EU-Kommission kippte damals die sogenannte Gewährträgerhaftung - das war jene Regel, die es Bundesländern und Kommunen erlaubte, als Garantiegeber für die Anleihen ihrer Landesbanken und Sparkassen aufzutreten. Doch statt die Entscheidung einfach hinzunehmen, saugten sich viele Landesbank bevor das EU-Verbot 2005 in Kraft trat, noch schnell mit Unmengen von staatlich garantiertem Kapital voll. Große Teile dieses Geldes flossen ins "Kreditersatzgeschäft", wie man das damals nannte. Gemeint waren die Zockerpapiere vom US-Immobilienmarkt. Doch gerade die norddeutschen Landesbanken nutzten das Last-Minute-Kapital auch, um immer neue, immer höhere Schiffskredite zu vergeben.

In Hamburg und Kiel hofft man, möglichst rasch einen Käufer für die HSH Nordbank zu finden

Was zum Beispiel in Hamburg als "Förderung des maritimen Clusters" bezeichnet wurde, waren in Wahrheit Jahre des Exzesses. Die HSH-Nordbank ließ sich als "weltgrößter Schifffinanzierer" feiern; seltsame Konstrukte namens "Einschiffsgesellschaft" entstanden; Reeder setzten als Steuersparmodelle vermarktete Schiffsfonds auf, deren Anteile besonders von begüterten Anlegern gezeichnet wurden; und weil die Bankkredite so locker saßen, konnte man nicht nur das große, sondern das ganz große Rad drehen. Was indes kaum jemand kommen sah: Durch den zeitgleichen Aufstieg asiatischer Großreedereien bildeten sich im globalen Containerschiffmarkt bald gigantische Überkapazitäten. Die Charterraten verfielen, und mit ihren im internationalen Vergleich eher kleinen Schiffen waren viele deutsche Reeder plötzlich nicht mehr konkurrenzfähig.

Die weltweite Schiffskrise geht inzwischen ins zehnte Jahr. Hiesige Reeder beschwören zwar regelmäßig ihr Ende - bisher sieht es jedoch eher so aus, als würde alles immer nur noch schlimmer. Bezeichnend: Mitte 2016 übernahmen Hamburg und Schleswig-Holstein von der HSH-Nordbank ein Paket mit besonders ausfallgefährdeten Schiffskrediten. Auf dem Papier waren die Darlehen fünf Milliarden Euro wert. Gezahlt wurden 2,4 Milliarden Euro. Sechs Monate später sollen sie nicht mal mehr zwei Milliarden Euro wert sein. In Hamburg und Kiel hofft man unterdessen, möglichst rasch einen Käufer für die HSH-Nordbank zu finden. Als stark interessiert galt bisher ausgerechnet die Nord-LB aus Hannover - also jenes Institut, das sich auch schon mit der Bremer Landesbank herumschlagen muss.

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