Bremen:Gericht vereitelt Gaspreiserhöhung

Viermal hatte der Bremer Energieversorger swb die Preise erhöht. Das wollten etliche Kunden nicht hinnehmen - und bekamen nun vor Gericht Recht. Der Präzedenzfall könnte bundesweite Auswirkungen haben.

Das Landgericht Bremen erklärte vier Preiserhöhungen seit Oktober 2004 für unwirksam. Die Preisänderungsklauseln in den Verträgen von 58 Klägern seien für die Kunden nicht durchschaubar und nicht präzise genug, hieß es zur Begründung in dem Zivilverfahren. (Aktenzeichen: 8-O-1065/05).

Bremen: Gasherd in der Küche: Gasimporte wurden zuletzt immer teurer.

Gasherd in der Küche: Gasimporte wurden zuletzt immer teurer.

(Foto: Foto: dpa)

Swb kündigte die Ausschöpfung aller Rechtsmittel gegen das Urteil an. Zunächst werde man Berufung beim Oberlandesgericht in Bremen einlegen. Bei Rechtskraft hätte die Entscheidung nicht nur Auswirkungen auf die 58 erfolgreichen Kläger, sondern auch auf andere Kunden, hieß es zur Begründung.

Die Bremer Verbraucherzentrale misst dem Urteil bundesweite Bedeutung zu, weil die Mehrzahl der Energieversorger vergleichbare Klauseln benutze, sagte Sprecherin Irmgard Czarnecki.

"Verbraucherpolitischer Erfolg"

"Das Urteil ist ein verbraucherpolitischer Erfolg. Es macht deutlich, dass Monopolunternehmen nicht einfach Preise diktieren können", sagte Czarnecki. Als "starkes Signal für den Verbraucherschutz" wertete auch die stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Grünen, Bärbel Höhn, das Urteil.

Die Verbraucherschutzbeauftragte der Unionsfraktion, Julia Klöckner, begrüßte es als "Meilenstein für die Verbraucher".

Der Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft (BGW) wies in Berlin darauf hin, dass die gesetzlich geregelten Allgemeinen Versorgungsbedingungen für Gas Preisanpassungen ausdrücklich vorsehen.

Gestiegene Bezugskosten

Ohne die Möglichkeit, Verträge mit Haushaltskunden zu kündigen, müssten die Versorger gestiegene Bezugskosten an die Kunden weitergeben können. Anders sei eine sichere Versorgung mit Erdgas in Deutschland nicht möglich. Erdgasimporte hätten sich von Januar 2004 bis Februar 2006 um durchschnittlich 83,2 Prozent verteuert.

Nach Angaben der Verbraucherschützer geht es bei den Preiserhöhungen der swb bei gut 100.000 Kunden um ein Volumen von 50 Millionen Euro. Swb-Sprecherin Marlene Odenbach wollte diese Summe weder bestätigen noch dementieren.

Vertragsklauseln

Swb hatte den Gaspreis in vier Stufen um 1,54 Cent je Kilowattstunde auf 5,55 Cent angehoben. Dabei stützte sich das Unternehmen auf Vertragsklauseln, die bei einer Steigerung von Lohnkosten oder Heizölpreisen Preisanhebungen zulassen.

Gericht vereitelt Gaspreiserhöhung

Gegen die Erhöhungen hatten nach Schätzungen einer Bürgerinitiative bis Mai rund 15.000 Kunden Widerspruch eingelegt.

Nach Ansicht der 8. Zivilkammer des Bremer Landgerichts müssen Preisänderungsklauseln für die Kunden klar und verständlich sein. Sie müssten ihnen ermöglichen, die Berechtigung einer Preiserhöhung anhand der Klausel selbst zu prüfen.

Die Kammer wies dabei ausdrücklich auf das so genannte Flüssiggas-Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) hin.

BGH-Entscheidung

Der BGH hatte im September 2004 entschieden, dass für einen langfristig gebundenen Kunden bereits bei Vertragsabschluss erkennbar sein müsse, in welchem Umfang Preisanhebungen auf ihn zukommen könnten.

Mit Hilfe der entsprechenden Vertragsklauseln müsse er außerdem selbst die Berechtigung einer Preiserhöhung überprüfen können. Damit lasse sich unter anderem verhindern, dass Lieferanten nachträglich ihren Gewinnanteil erhöhen.

Der Streit um die Angemessenheit der Bremer Gaspreise insgesamt sei mit dem Urteil vom Mittwoch noch nicht entschieden, sagte Czarnecki. Die Verbraucherorganisation prüfe, ob auch eine Klage wegen "Unbilligkeit" erhoben werden sollte.

Gesamtkalkulation muss offen gelegt werden

Dabei müsse dann die gesamte Preiskalkulation offen gelegt werden. Zur Sicherung von Ansprüchen empfehle sie allen Kunden, nachträglich Widerspruch gegen Preiserhöhungen einzulegen.

Die teilweise drastischen Gaspreisanhebungen der Energieversorger unter Berufung auf gestiegene Ölpreise haben bundesweit Zahlungsverweigerungen von Verbrauchern und Klagen ausgelöst.

Bereits im April hatte das Landgericht Hamburg nach einer Sammelklage von "Gas-Rebellen" angekündigt, die gesamte Preisbildung des Energiehändlers E.ON Hanse zu überprüfen.

Zwang zur Lieferung

Das Landgericht Oldenburg hatte kürzlich der EWE AG untersagt, die Zahlung von Preiserhöhungen mit einer Liefersperre zu erzwingen. Das Landgericht Mönchengladbach verpflichtete die Niederrheinwerke im April, einen Kunden weiter mit Gas zu beliefern, obwohl dieser die Gasrechnung gekürzt hatte.

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