Braunkohlekraftwerke:Die Deutschen werden den Braunkohle-Deal noch teuer bezahlen

Sprengung Förderbrücke in Cottbus

Der Braunkohleabbau verwandelt ganze Landstriche in Mondlandschaften, so wie hier in Cottbus-Nord.

(Foto: Patrick Pleul/dpa)

Vattenfall verkauft seine Braunkohle-Sparte nach Tschechien - und stiehlt sich aus der Verantwortung.

Kommentar von Michael Bauchmüller

Die tschechische "Energetický a Průmyslový Holding" nicht zu kennen, ist keine Schande. Das Unternehmen, kurz EPH, ist schließlich keine zehn Jahre alt, gegründet wurde es von Investmentbankern. Selten tritt es unter diesem Namen auf, oft operiert es über verschachtelte Tochterfirmen, die sich mitunter auch in Steuerparadiese zurückverfolgen lassen. Aber jetzt wird es höchste Zeit, dass sich Politik und Steuerzahler hierzulande eingehender mit EPH beschäftigen. Sonst droht ein dickes Ende.

An diesem Wochenende nämlich hat die schwedische Regierung grünes Licht gegeben für den jüngsten Deal der Prager Unbekannten: EPH darf zum 1. August die Braunkohle-Sparte von Vattenfall übernehmen. Damit wird die Holding Eigentümer des zweitgrößten deutschen Braunkohle-Reviers, mitsamt dessen 7500 Mitarbeitern, mitsamt allen Lasten und Pflichten. Nimmt EPH das Engagement in der Lausitz ernst, dann bindet sich das junge Unternehmen auf Jahrzehnte an den Landstrich im Südosten der Republik, und zwar selbst dann noch, wenn die Schaufelradbagger längst rosten. Denn die Renaturierung der ehemaligen Tagebaue, das dauerhafte Management des Grundwassers, die Abfindung entlassener Mitarbeiter - um all das soll sich nun eine Firma kümmern, die es vor zehn Jahren noch nicht einmal gab.

Zahlen müssen am Ende deutsche Steuerzahler, nicht schwedische

Der schwedische Staatskonzern Vattenfall hatte schon länger die Lust an dem Geschäft verloren. Zunächst, weil sich die klimaschädliche Braunkohle schlecht mit den Bestrebungen der Regierung daheim verträgt, die Kohlendioxid-Emissionen zu drosseln. Dann, weil der Preisverfall an den Strombörsen selbst der vergleichsweise günstigen Braunkohle zu schaffen macht. Auch Vattenfall räumt ein, dass sich die Kraftwerke derzeit kaum noch rentabel betreiben lassen.

Und schließlich, weil die Braunkohle in letzter Zeit einen massiven Imageverlust erlitten hat: Noch vor wenigen Jahren galt sie als unverzichtbarer heimischer Energieträger. Inzwischen aber steht sie nur noch in der Kritik: Nicht nur, weil sie ganze Landstriche in Mondlandschaften verwandelt. Sondern mehr noch, weil sich ihr Abbau so überhaupt nicht mit Klimaschutz vereinbaren lässt. Für die Umweltlobby hat sie mittlerweile die Rolle der Atomkraft übernommen, als Hauptfeind Nummer eins. Ihre Fan-Gemeinde aber schrumpft.

All diese Risiken hat EPH mitgekauft - und sich das von Vattenfall sogar noch fürstlich bezahlen lassen. 1,6 Milliarden Euro legen die Schweden an Barmitteln drauf, um ihr ungeliebtes Geschäft loswerden zu können. Dennoch fand sich unter den bekannteren Energiekonzernen Europas kein einziger, der die Lausitzer Braunkohle nehmen wollte. Was also will EPH, was andere nicht wollten?

Das Unternehmen verweist darauf, dass sich die Preise an den Strombörsen auch wieder erholen könnten. Lasse sich Strom zu höheren Preisen verkaufen, werde die Braunkohle wieder rentabel, alle künftigen Verpflichtungen ließen sich leicht bedienen. Und wenn nicht?

Der Deal mit EPH ist Verantwortungslosigkeit mit Ansage

Ein anderes Szenario ist mit Händen zu greifen: EPH macht Kasse und verschwindet. Für insgesamt fünf Jahre bindet der Vertrag die tschechischen Investoren. Drei Jahre lang dürfen sie keine Dividenden abschöpfen, weitere zwei Jahre nur "betriebsübliche Renditen" abgreifen - danach fallen alle Schranken. In der Vergangenheit haben die beiden EPH-Großaktionäre einiges Geschick in der Gründung von Tochterfirmen bewiesen. Es dürfte ihnen nicht schwerfallen, auch die Verantwortung für die Lasten des Braunkohlegeschäfts kunstvoll abzuschieben, nachdem sie die schwedischen Milliarden beiseitegeschafft haben. Der Regierung in Stockholm war all das egal. Zahlen müssen ja am Ende deutsche Steuerzahler, nicht schwedische.

Mit den Spätfolgen der Atomkraft hat der Bund zuletzt ähnliche Erfahrungen gemacht. Auch hier war keineswegs sicher, dass die Unternehmen - nach Jahrzehnten guter Gewinne - die Kosten für die Entsorgung des Atommülls noch würden schultern können. Nun soll ein Fonds die Kosten übernehmen; die Unternehmen müssen ihn mit Milliarden füllen, solange sie das noch können.

Auch bei der Braunkohle sollten Bund und Länder schleunigst beginnen, die Finanzierung der Braunkohle-Spätfolgen abzusichern. Im Fall der Lausitz könnten die betroffenen Länder Sicherheiten einfordern, etwa in Form von Bürgschaften, das Bergrecht erlaubt dies. Der Bund sollte - analog zur Atomkraft - Vorkehrungen treffen, dass Investoren ihre Pflichten nicht an Briefkastenfirmen auslagern. Der EPH-Deal ist Verantwortungslosigkeit mit Ansage. Wer da nicht rasch handelt, der macht sich mitschuldig.

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