Braun Büffel:Das Gespür für Leder

Männer stellen immer noch die größte Klientel von Braun Büffel dar. Wie der Mittelständler zwischen Fast Fashion und Luxuswaren seinen Platz im Markt gefunden hat.

Von Elisabeth Dostert

Braun Büffel

Arbeitete schon mit sechs Jahren im Betrieb: Unternehmerin Christiane Brunk

(Foto: Braun Büffel)

Jedes Teil hat eine Nummer. Manfred Goll, 58, öffnet eine Lade des alten grünen Hängeregisters und greift nach einem der grauen steifen Kartons. 34001 lauten die ersten Ziffern. "Die Stanzkarten für Visitenkartenhüllen beginnen immer mit der Nummer 34", sagt Goll. "Auf der Pappe klebt das Schnittmuster: die genauen Maße, Größe, Nahtzugaben, die Dicke des Leders." Dieses Muster stammt aus dem Jahr 2006. Das Produkt wird immer noch hergestellt. Eine Visitenkartenhülle besteht aus acht Teilen, eine Geldbörse für Männer aus 40 Teilen und eine Aktentasche aus 66 Teilen. Alles ist fein säuberlich notiert.

Goll ist Feintäschnermeister. Es ist ein altes Handwerk, eines, das in Deutschland nur noch wenige Menschen erlernen, auch weil in Deutschland kaum noch Lederwaren hergestellt werden. Das Gros der Ware stammt aus Fernost. Aber Goll kann sich keinen schöneren Beruf vorstellen. Er muss das eigentlich gar nicht sagen. Jede Geste, jedes Wort ist ein Beleg dafür. Goll arbeitet für den Lederwarenhersteller Braun Büffel in Kirn an der Nahe. Er hat schon seine Lehre dort gemacht, vor mehr als 40 Jahren. Die Stanzkarten sammeln sie seit den 70ern. Es müssen ein paar Hundert sein, die aktuellen stecken im Hängeregister und die alten Muster in Pappkartons hinten in der Halle, dort wo auch in hohen Regalen das Leder gelagert wird.

Goll führt durch die Produktion wie durch ein Zuhause. Über einem Arbeitstisch hängt die gegerbte Haut eines Alligators. Sie stammt aus den 60er Jahren, sie darf nicht verarbeitet werden, weil es für das Stück keinen Artenschutznachweis gibt. "Den gab es damals noch nicht", sagt Goll. Das Washingtoner Artenschutzabkommen wurde erst 1973 geschlossen. Heute muss jeder Hersteller nachweisen, aus welcher Zucht die Haut eines seltenen Reptils stammt. Goll verschwindet kurz zwischen den Regalen und rollt dann die gegerbte Haut einer Python auf dem Arbeitstisch aus. 500 bis 600 Euro kostet eine Haut, der Preis bemisst sich nach der Breite am Bauch. "Jedes Produkt, das aus der Haut hergestellt wird, muss einen Artenschutz-Nachweis tragen", sagt Goll. Was die Firma daraus hergestellt hat, meldet sie dem Internationalen Reptilienlederverband, der gibt die Artenschutzfahne heraus, eine Art Etikett, über das sich die Herkunft des Leders genau verfolgen lässt.

Aber die Haut seltener Reptilien verarbeiten sie nur selten, erklärt Firmenchefin Christiane Brunk, 53. Ihrer Familie gehört die 1887 gegründete Firma. Braun Büffel verarbeitet vor allem Leder von Rind und Kalb, schon seltener Leder aus Hirsch- oder Pferdehäuten. Ihre Ware bezieht Brunk von Lederherstellern aus Europa und Asien.

Goll hat schon das nächste Paket aus dem Regal geholt. Es ist die hellbraun gefärbte Haut eines jungen Büffels mit einer gleichmäßig genarbten Haut am Rücken und Mastfalten am Bauch und am Hals. Mastfalten sind ein Naturmerkmal, sie entstehen da, wo das Gewebe des Tieres lockerer ist. Sie verschwinden auch beim Gerben nicht. "Die Deutschen mögen, wenn man auf der Geldbörse oder Tasche solche Naturmerkmale sieht", sagt Goll: "Asiaten mögen lieber geprägte Häute, die maschinell bearbeitet werden mit einer gleichmäßigen Struktur."

Früher kamen die Lederhändler nach Kirn, um ihre Muster zu zeigen. Seit dem 18. Jahrhundert bis in die 1980er Jahre war die Stadt an der Nahe eines der größten Zentren der Lederindustrie in Deutschland und Europa, heißt es auf der Internetseite. An diese Vergangenheit erinnern noch die Gerbergasse und zwei Walkfässer, in denen früher die Lederfasern aufgeweicht wurden. In den 70er Jahren arbeiteten in Kirn an der Nahe etwa 3000 Menschen in der Lederwarenindustrie, erzählt Firmenchefin Brunk: "Wir hatten hier im Hunsrück alles, was man zur Lederverarbeitung braucht: Holz, Wasser und Vieh." Aber mit den Jahren wuchsen die Umweltauflagen für die Gerbereien und die Löhne stiegen. Viele Firmen gaben auf oder verlagerten ihr Geschäft nach Asien, ihnen folgten die Hersteller von Lederwaren. In den vergangen Jahren meldeten immer wieder Lederwarenhersteller Insolvenz an - darunter große Namen wie Egana Goldpfeil, Marc Picard oder die Boscha-Gruppe.

In Kirn gibt es noch ein paar wenige Betriebe: Müller & Meirer, zum Beispiel, das Unternehmen stellt in Lizenz Lederwaren für Porsche Design, Gerry Weber, Joop und andere Marken her. Auch der größte Arbeitgeber Simona hat seinen Ursprung in der Lederwarenindustrie. Das börsennotierte Unternehmen stellt heute Kunststoffprodukte her, die Lederfabrikation wurde Anfang der 70er Jahre eingestellt.

"Braun Büffel ist eine Erfolgsgeschichte", sagt Christiane Brunk: "Vielleicht hat mein Vater Karl-Heinz mehr richtig gemacht als andere Lederwarenhersteller." Schon in den 70er Jahre entwickelte der Vater gemeinsam mit einem Grafiker ein Logo, weil er merkte, dass "No Name" keine Zukunft hat. Den stilisierten Büffel trägt jedes Produkt des Mittelständlers. In den 90er Jahren hat sich Braun Büffel verkleinert - von 120 auf mittlerweile 50 Mitarbeiter, davon arbeiten gut 20 in der Herstellung. Große Teile der Produktion vergab der Mittelständler an Lohnunternehmen in Asien. Aber Prototypen und Premiumprodukte werden immer noch in Kirn gefertigt und die Kollektion wird dort entworfen. Nach und nach wurde die ganze Firma in ein neues Gebäude an den Stadtrand von Kirn verlagert.

"Uns kommt zugute, dass immer mehr Verbraucher nachhaltig hergestellte Produkte kaufen."

Anfang der 90er holte Brunk senior seine Tochter nach Kirn, die Betriebswirtin überbrückte gerade ein paar Monate bis zum nächsten Berater-Job. Er brauchte Hilfe bei der neuen Software. Sie kam und blieb dann doch. Ihr Herz hängt an der Firma. "Ich bin damit aufgewachsen. Als Sechsjährige habe ich schon Lederherzchen mit einem Pfennig in der Mitte sortiert, die wir an eine Sparkasse zum Weltspartag lieferten", erzählt Brunk.

Das Unternehmen hat seinen Platz im Markt gefunden. Braun Büffel rangiert in der gehobenen Mitte. Die Firma macht keine Fast Fashion, keine schnelle Mode, aber auch keine Luxusware wie die französischen Konzerne Hermes oder Louis Vuitton. Braun Büffel bewegt sich im gehobenen Preissegment. Eine Herren-Brieftasche, Männer stellen immer noch die größte Klientel, gibt es ab 89 Euro, die klassische Aktentasche mit Henkel und einer Schnalle aus Metall für knapp 500 Euro.

Wenn sie über Produkte spricht, bleibt Brunk nicht lange sitzen. Sie eilt durch den Showroom, holt Geldbörsen und Schlüsselanhänger aus den Regalen. Sie breitet italienische Lederhäute auf dem Tisch aus, die aussehen wie Strauß oder Schlange, aber sie sind nur so geprägt. Sie zeigt Damenhandtaschen in Tomatenrot oder Rosa. Farbe verkauft sich eher außerhalb Deutschlands gut. Brunk greift nach einer Handtasche aus Olivenleder. Die Haut wurde mit einem Extrakt gegerbt, der aus Olivenblättern gewonnen wird, und mit Pflanzenfarben gefärbt. "Uns kommt zugute, dass immer mehr Verbraucher heute nachhaltig herstellte Produkte kaufen und fragen, wo sie hergestellt wurden", sagt Brunk.

Ihre Erlöse beziffert sie auf rund 15 Millionen Euro, davon kommt ein Drittel aus dem Ausland. Zum Jubiläum haben sie ein paar alte Modelle neu aufgelegt für einen Handelspartner in Asien. Die "Reisschale" zum Beispiel, eine kreisrunde Tasche mit zwei gleichen Hälften. "Unsere Wertschätzung in Fernost ist größer als in Europa", sagt die Firmenchefin. In Asien arbeite Braun Büffel schon lange mit einem Lizenznehmer zusammen, er betreibt allein in China 70 Läden.

In Deutschland vertreibt Braun Büffel seine Waren über Händler. Ihren ersten eigenen Laden hat Brunk vor fünf Jahren in München aufgemacht, weitere sollen folgen - vielleicht in Hamburg und Frankfurt. In den Läden oder auch mal bei einem der Händler veranstaltet Braun Büffel ab und zu Workshops. Dabei dürfen die Kunden dann unter Anleitung von Feintäschnermeister Goll oder einem seiner Kollegen ein kleines Accessoires herstellen - einen Schlüsselanhänger oder ein Etui für Visitenkarten. Die Verbraucher sollen sehen, wie viel Arbeit darin steckt, so Brunk. "Hinterher ist die Wertschätzung viel größer."

In allen Lagen

Es gibt für alles eine Handelsbilanz - auch für Handtaschen. Im ersten Halbjahr 2017 führte Deutschland nach Angaben des Bundesverbandes der Schuh- und Lederwarenindustrie fast 23 Millionen Handtaschen für knapp 376 Millionen Euro ein. Auf Lederhandtaschen entfielen wertmäßig 55,7 Prozent der Importe. Deutschland exportierte neun Millionen Taschen für knapp 138 Millionen Euro. Der Verband nennt auch Durchschnittspreise, die aber am Ende wenig aussagen, denn Taschen gibt es fast zu jedem Preis. Textilketten bieten Ledertaschen schon für deutlich unter 50 Euro. Die berühmte Birkin Bag von Hermes kostet ein paar Tausend Euro und Kundinnen müssen auf die Lieferung schon mal ein paar Jahre warten. In der Regel sind Taschen aus Kunststoff preiswerter, aber es gibt jede Menge Regelbrecher. Die vegane Tote Bag Fabella von Stella McCartney kostet ein paar Hundert Euro. Elisabeth Dostert

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