BP: Schulterschluss mit Libyen:Tiefseebohrung, die nächste

Im Golf von Mexiko hat BP derzeit alle Hände voll zu tun, die nur notdürftig geflickte Ölquelle durch eine Entlastungsbohrung endgültig zu versiegeln. Davon unbeeindruckt beginnt der Konzern eine neue Tiefseebohrung im Mittelmeer.

Die Ölpest im Golf von Mexiko hält den Energiekonzern BP nicht davon ab, in der Tiefsee unverdrossen nach neuem Öl zu bohren - dieses Mal im Mittelmeer vor der Küste Libyens. "Die Bohrungen werden in wenigen Wochen beginnen", sagte BP-Sprecher David Nicholas und bestätigte damit einen Bericht der Financial Times.

Öl-Katastrophe im Golf von Mexiko

In der Nähe der untergegangenen Ölplattform "Deepwater Horizon" brennt BP kontrolliert Öl auf der Meeresoberfläche ab. Trotz der Katastrophe macht sich der Ölkonzern nun an neue Tiefseebohrungen.

(Foto: dpa)

Die Quelle soll spätestens in einem halben Jahr erschlossen sein. In dem Feld soll es große Mengen Erdöl und bis zu 850 Millionen Kubikmeter Erdgas geben. Der Energiekonzern wies Sicherheitsbedenken über die neue Tiefseebohrung zurück.

Die Bohrung erfolgt in der Mittelmeerbucht Große Syrte. Etwa 200 Kilometer westlich der Hafenstadt Bengasi liegt die Quelle in rund 1750 Metern Tiefe. Damit wird dort 250 Meter tiefer nach den beiden Energierohstoffen gebohrt als bei der Tiefseebohrung im Golf von Mexiko.

Größte Naturkatastrophe vor der US-Küste

In dem Randmeer löste die Explosion der Bohrinsel Deepwater Horizon am 20. April mit elf Toten die andauernde Ölpest aus, die größte Naturkatastrophe vor der US-Küste.

Zwischen den beiden Bohrfeldern gebe es allerdings keine Parallelen, betonte BP-Sprecher Nicholas. Hohe Sicherheitsstandards seien vor Libyen gewährleistet. "Wir haben weltweit viele Bohrungen durchgeführt und dort nun zusätzliche Vorsichtsmaßnahmen getroffen, darunter eine vollständige Kontrolle der Ölbohrplattform vom Typ Noble, die wir nutzen werden."

Die Quelle ist laut BP in einer Gesteinsformation mit geringer Durchlässigkeit eingeschlossen. Die Rechte für die Erschließung der Ölquelle hatte BP vor drei Jahren von Libyen für 900 Millionen Dollar (675 Mio Euro) gekauft.

BP-Chef Tony Hayward bezeichnete den Deal als bis dahin größte Einzelinvestition. Der Konzern bestätigte, der britischen Regierung unter Premierminister Tony Blair damals zu einer schnellen Einigung über einen Gefangenenaustausch geraten zu haben.

Viele US-Opfer

Die USA werfen BP vor, die vorzeitige Freilassung des libyschen Lockerbie-Attentäters Abdel Basset al-Megrahi vor einem Jahr vorangetrieben zu haben, um das Millionengeschäft zu starten.

Al-Megrahi wurde wegen einer Krebserkrankung im Endstadium von den Schotten begnadigt. Zur Begründung hieß es damals, seine Tage seien gezählt. Er lebt heute in seiner Heimat.

Bei dem Flugzeug-Attentat nahe dem schottischen Lockerbie waren 1988 insgesamt 270 Menschen ums Leben gekommen, unter ihnen 189 US-Bürger.

Energieagentur für neue Bohrungen

BP hatte seine Ölgeschäfte in Libyen 1971 einstellen müssen, weil Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi die britischen Besitztümer verstaatlichte. BPs Partner bei der neuen Quelle ist die staatliche Libyan Investment Corporation, die 15 Prozent der Erträge bekommt.

Für neue Tiefseebohrungen sprach sich allerdings auch die Internationale Energieagentur (IEA) aus. Dies sagte IEA-Chefvolkswirt Fatih Birol der Berliner Zeitung. Gleichzeitig mahnte Birol aber eine stärkere Überwachung der Öl-Multis an. "Wir brauchen neue Regeln und am dringlichsten eine bessere Überwachung der Ölkonzerne durch staatliche Aufsicht", sagte der türkische Wirtschaftswissenschaftler.

Alarmsystem teilweise abgestellt

Unterdessen wurde bekannt, dass das Alarmsystem auf der Deepwater Horizon offenbar teilweise abgeschaltet war. Der leitende Techniker Mike Williams sagte vor einem Untersuchungsausschuss in Kenner in Louisiana nach Angaben von CNN, das Management hätte damit verhindern wollen, dass die Mannschaft in der Nacht durch einen Fehlalarm geweckt werde.

Die Computer hätten zwar gefährliches Methangas noch gemessen, aber keinen akustischen oder optischen Alarm ausgelöst. Der Alarm sei schon ein Jahr vor der Explosion der Plattform am 20. April abgeschaltet worden. Im Gegensatz zu dem Techniker hatten jedoch mehrere Mitarbeiter des Bohrturms gegenüber Ermittlern angegeben, Alarmsignale gehört zu haben. Transocean, das die Deepwater Horizon für BP betrieb, teilte mit, der Alarm sei nach üblicher Praxis eingestellt gewesen.

Der Tropensturm Bonnie hat sich im Golf von Mexiko inzwischen wieder abgeschwächt, sodass BP den Kampf gegen die Ölpest früher als erhofft wieder aufnehmen kann.

Entlastungsbohrung geht bald weiter

Die Vorbereitungen zur Rückkehr einer Plattform, von der aus eine Entlastungsbohrung das Leck in 1600 Meter Tiefe versiegeln soll, hätten begonnen, teilte der britische Konzern mit.

Auf anderen Schiffe, die zur Bekämpfung der Umweltkatastrophe eingeteilt seien, würden ähnliche Vorkehrungen ergriffen.

BP hatte die Arbeiten wegen der herannahenden Bonnie am Freitag unterbrochen und Schiffe sowie Anlagen aus der Region abgezogen. Im Laufe des Samstags verlor der Sturm allerdings an Kraft.

Meteorologen stuften ihn auf das Niveau einer Tropischen Depression zurück. Die Schlechtwetter-Front werde sich wohl nicht erneut zu einem Tropensturm auswachsen, sagte Lixion Avila vom Nationalen Hurrikan-Zentrum.

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