Boykottaufrufe wegen Abhörskandal:Volksaufstand gegen Murdoch

Der britische Abhörskandal trifft auch Medienmogul Rupert Murdoch: Englands Wutbürger rufen Anzeigenkunden zum Boykott seiner Zeitung "News of the World" auf, Investoren bekommen Angst - und Politiker wollen Murdochs wichtigsten Deal in Großbritannien doch noch aufhalten.

Jannis Brühl

Der Frauenschwarm ist wütend. "Ihr habt kein Interesse an Journalismus. Es ging nur um Geld, Geld, Geld", schleudert Hugh Grant in einer BBC-Diskussion einem ehemaligen Reporter der News of the World entgegen. Wie Grant ist auch die entrüstete Öffentlichkeit auf der Insel überzeugt: Die Reporter der Boulevardzeitung wollten die Auflage steigern - koste es, was es wolle. Deshalb ließen sie Telefone von Schauspielern, aber auch von getöteten Mädchen und offenbar auch Soldatenmüttern abhören. Jetzt organisieren die Briten sich im Netz, um Konzerne dazu zu bringen, nicht mehr in dem Blatt von Medienmogul Rupert Murdoch zu werben. Es funktioniert.

Phone hacking scandal in UK

Geballte Medienmacht: Im Verlag News International erscheinen die Sun, Times, News of the World und Sunday Times. News International gehört Rupert Murdochs Newscorp.

(Foto: dpa)

Über Twitter und diverse Blogs rufen Britanniens Wutbürger zum Boykott auf, veröffentlichen Telefonnummern und E-Mail-Adressen der größten Firmen, die in der News of the World werben. Als Erstes zog Ford Montagabend seine geplanten Anzeigen für den kommenden Sontnag zurück. Aldi, Mitsubishi, Bodyshop, Mitsubishi und andere folgten. Dem Volkszorn, der Großbritannien wegen der Affäre erfasst hat, wollen sich die Unternehmen nicht aussetzen.

"Wir wollten nichts mit einer Zeitung zu tun haben, die so etwas tut oder duldet", sagte Lance Bradley, Marketing-Chef von Mitsubishi, dem Radio 4 der BBC.

Procter & Gamble, die Supermarktkette Tesco und der Mobilfunkgigant Orange haben angekündigt, zu prüfen, ob sie noch in der News of the World werben werden. Auch Coca-Cola wackelt: "Wir sind uns der Situation sehr bewusst und teilen die wachsenden Bedenken der Öffentlichkeit", heißt es aus der Zentrale des Getränkeherstellers.

Wie viel Geld News of the World verliert, ist unklar. Eine ganzseitige Farbanzeige kostet mehrere zehntausend Euro. Im Jahr soll die Zeitung bis zu 45 Millionen über Anzeigen einnehmen. Außerdem bleibt die Frage, ob die Unternehmen es sich langfristig leisten können, Großbritanniens größte Sonntagszeitung zu boykottieren.

Auch die Finanzmärkte reagieren auf den Skandal. Von Murdoch-Aktien lassen viele lieber die Finger. Der Newscorp-Kurs gab am Mittwoch um mehr als drei Prozent nach.

Der Fall hat nicht nur finanzielle, sondern auch strafrechtliche Konsequenzen für Murdochs Zeitung: Die polizeilichen Ermittlungen wegen des Skandals weiten sich aus. Der Londoner Times zufolge - selbst ein Murdoch-Blatt - steht die Festnahme von fünf Mitarbeitern von News of the World kurz bevor. Hier kommt auch wieder Schauspieler Hugh Grant ins Spiel: Er soll bei der Polizei aussagen.

Opfer und Racheengel

Grant (Notting Hill, Bridget Jones) ist das prominenteste Gesicht des Volkszorns. Er ist zugleich Opfer und Racheengel: Wie das Telefon der ermordeten Milly Dowler wurde auch sein Apparat von Reportern im Auftrag der Zeitung gehackt. Als er zufällig einen ehemaligen Journalisten der News of the World, Paul McMullen, persönlich kennenlernte, nahm Grant heimlich dessen Geständnis über die illegalen Abhörpraktiken auf und veröffentlichte eine Abschrift im Magazin New Statesman.

Der Aufruhr könnte Murdochs wichtigsten Deal in Großbritannien in Gefahr bringen. Seine Newscorp hält 38 Prozent am Bezahlsender BSkyB und wollte ihn für fast zehn Milliarden Euro komplett übernehmen. Der Kauf war eigentlich schon perfekt.

Obwohl Großbritanniens politische Klasse schon lange im Ruch steht, vor Murdochs Medien wie News of the World und der Sun zu zittern, sucht sie im Licht der neuen Enthüllungen doch die Konfrontation: Simon Hughes, Vizechef der mitregierenden Liberaldemokraten will kommende Woche persönlich bei der Medienaufsicht Ofcom vorsprechen und sich für eine neue Untersuchung des Kaufs einsetzen. Das ist auch der Wunsch vieler Parlamentsmitglieder. Auch BSkyB-Aktien gaben am Donnerstagvormittag um zwei Prozent nach.

Murdoch versucht, den Schaden zu begrenzen: Er nannte die Abhörpraktiken "bedauerlich und nicht akzeptabel". Sein Unternehmen werde die Polizei "vollständig und proaktiv" bei ihren Ermittlungen unterstützen. Allerdings kritisierte Peta Buscombe, Vorsitzende der Kommission für Pressebeschwerden, bereits in einem Radiointerview, dass Murdoch ausgerechnet Rebekah Brooks, die Chefredakteurin des News of the World-Verlages News International und früher einmal selbst dort an der Spitze, mit der internen Untersuchung des Skandals beauftragt habe.

Die bisher erfolgreiche Boykottkampagne läuft weiter. Das Schmierblatt News of the World wird nicht nur einen Anzeigenrückgang verkraften müssen, sondern auch den Spott. "Panik bei Notw (News of the World)", schreibt ein User auf Twitter: "So viele Anzeigenkunden haben sich zurückgezogen, dass die Zeitung an diesem Sonntag gezwungen ist, tatsächlich Nachrichten zu drucken."

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