Bonn:Einzigartiger Status

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Der Bonn-Ausgleich wurde auch in die Kulturförderung gesteckt. Heute ist die Stadt ein Anziehungspunkt für Kunst- und Musikliebhaber.

(Foto: imago)

Die einstige Bundeshauptstadt hat den Wegzug der Regierung überwunden. Allerdings wehrt sie sich gegen den neuen Plan der Bundesbauministerin Barbara Hendricks, alle verbliebenen Minsterien auch noch abzuziehen.

Von Bärbel Brockmann

Vor 16 Jahren wurde Bonn durch den Regierungswechsel nach Berlin von der Bundeshauptstadt zur Bundesstadt. Nun steht der Stadt am Rhein möglicherweise erneut eine große Veränderung bevor. Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) brachte Anfang Oktober den Umzug der bislang noch in Bonn verbliebenen Ministerien nach Berlin ins Gespräch. Wie sich das auswirken könnte, ist ungewiss.

Das Bonn-Berlin-Gesetz von 1994 sollte Bonn vor einem wirtschaftlichen Absturz und politischer Bedeutungslosigkeit bewahren. Festgelegt wurde darin, dass sechs der 14 Bundesministerien in der alten Hauptstadt bleiben sollen. Die anderen Ministerien sollten Außenstellen dort unterhalten. Insgesamt sollte mehr als die Hälfte des Ministerienpersonals in Bonn arbeiten. Außerdem sollte die Stadt zum Standort internationaler Einrichtungen und Wissenschaftshochburg werden. Für diesen Strukturwandel, den sogenannten Bonn-Ausgleich, stellte der Bund 1,43 Milliarden Euro zur Verfügung.

Das Gesetz wird schon lange nicht mehr befolgt. Ende Juni waren nach Angaben des nordrhein-westfälischen Landtags noch 6854 oder 38 Prozent der Stellen in den Bundesministerien in Bonn angesiedelt. Der Wegfall der Stellen an sich sei für die Stadt zu verschmerzen, der offizielle Wegzug der Ministerien aber nicht. So jedenfalls sieht das Hermann Tengler, Leiter der Wirtschaftsförderung im angrenzenden Rhein-Sieg-Kreis: "Die Ministerien sind der Kitt, der die anderen Einrichtungen hier zusammenhält." Diese Bindungswirkung haben vor allem die Ministerien für Gesundheit, Umwelt, Bildung und Forschung und für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Tengler ist überzeugt, dass ein Großteil der etwa 150 Nichtregierungsorganisationen in der Stadt oder der 18 Uno-Vertretungen ohne sie nicht da wären. Bonn ist beispielsweise Sitz der Hochschulrektorenkonferenz und der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Das UN-Klimasekretariat ist hier ebenso ansässig wie das Sekretariat zur Bekämpfung der Wüstenbildung, das Internationale Zentrum für Berufsbildung der Unesco und das Europäische Zentrum für Umwelt und Gesundheit.

Morgen, am 20. November, treffen sich Vertreter des Bundes, der Stadt Bonn und der Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, um über den Vorschlag von Ministerin Hendricks zu sprechen. Der neue Bonner Oberbürgermeister Ashok Sridharan (CDU) sieht gute Chancen dafür, dass ihr Vorhaben nicht umgesetzt wird: "Der NRW-Landtag hat sich schon klar für den Standort Bonn ausgesprochen. Der Umstand, dass das Berlin-Bonn-Gesetz nicht eingehalten wird, kann keine Rechtfertigung dafür sein, es aufzuheben." Sridharan befürchtet, dass andernfalls bis zu 27 000 Arbeitsplätze verloren gehen.

Die Kommunalpolitiker halten am Berlin-Bonn-Gesetz nach wie vor fest

Auch Wirtschaftsförderer Tengler denkt, dass alles beim Alten bleibt. "Warum sollte man eine Region schwächen, die man mit öffentlichen Mitteln groß gemacht hat", sagt er. Wirtschaftlich steht die Stadt mit ihren 322 000 Einwohnern derzeit ohnehin nicht sehr gut da. Viele Unternehmen wandern ab. Zuletzt kündigte Gummibärchenfabrikant Haribo den Umzug der vor fast hundert Jahren in Bonn gegründeten Firma nach Rheinland-Pfalz an. Solche Abgänge treffen die Stadt vor allem deshalb hart, weil es dort nur vergleichsweise wenige Jobs für gering Qualifizierte gibt. In der Industrie arbeiten nur zehn Prozent der Beschäftigten. Das ist nach Ansicht Tenglers der Hauptgrund dafür, dass die Arbeitslosenquote mit 7,1 Prozent deutlich höher ist als in der Rhein-Sieg-Region mit 5,3 Prozent. Die größten Arbeitgeber sind Dienstleistungsunternehmen. Allen voran die Dax-Unternehmen Deutsche Post und Deutsche Telekom.

Der Bonn-Ausgleich wurde übrigens auch in die Kulturförderung gesteckt. Heute ist die Geburtsstadt Ludwig van Beethovens ein Anziehungspunkt für Kunst- und Musikliebhaber aus der ganzen Welt. Jedes Jahr zieht das vierwöchige Beethoven-Fest im Sommer Tausende Besucher an. Die Museumsmeile im ehemaligen Regierungsviertel lockt Besucher in die Bundeskunsthalle, das Naturkundemuseum Koenig oder das Haus der Geschichte. Das freut die Tourismusbranche. Die Zahl der Übernachtungen steigt stetig. Im ersten Halbjahr 2015 blieben 719 9888 Besucher über Nacht, zwei Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.

Bonn hat heute mit knapp 164 000 Arbeitsplätzen etwa 50 000 mehr als vor Verlust des Hauptstadttitels. Vielen ist das ein Zeichen dafür, dass der Strukturwandel bislang doch gelungen ist. "Wir sind ein sehr internationaler Standort geworden. Als Bundesstadt und deutsche Stadt der Vereinten Nationen haben wir heute einen einzigartigen Status in Deutschland", sagt Oberbürgermeister Sridharan.

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