Bohrinsel Elgin:Explosives Gemisch

Gas gilt als saubere Energie - völlig zu Unrecht. Die Förderung ist ein schmutziges Geschäft. Der Unfall auf der Nordsee zeigt, dass die Technik nicht beherrschbar ist. Doch härte Gesetze sind schwer durchzusetzen: Das Öl- und Gasgeschäft lockt mit viel Geld.

Silvia Liebrich

Über dem französischen Energiekonzern Total hat sich eine explosive Wolke zusammengebraut. Und damit ist nicht nur die havarierte Gasplattform Elgin im Meer vor der schottischen Küste gemeint. Das Unternehmen steckt in Erklärungsnöten. Der größte Gasunfall seit Jahrzehnten legt seit beinahe einer Woche einen erheblichen Teil der Produktion in der Nordsee lahm. Noch immer ist völlig unklar, wodurch das Leck entstanden ist und wie es möglichst rasch wieder geschlossen werden kann.

Das Bild, das Total in der Krise abgibt, ist kläglich. Das Unternehmen wirkt planlos. Völlig absurd mutet etwa der Vorschlag an, einfach abzuwarten, bis das Gas von selbst aufhört zu strömen. Das kommt einer Bankrotterklärung gleich. Es bedeutet, dass der fünftgrößte Öl- und Gaskonzern der Welt nicht einmal die Risiken einer Routinebohrung im Griff hat. Die Arbeiten auf der Elgin-Plattform gehören zum Standardrepertoire eines Energiekonzerns.

Der Fall Total bestätigt erneut die wachsenden Zweifel an der Sicherheit einer mächtigen Industrie, die den wachsenden Energiehunger der Welt stillen soll. Fest steht zwar, dass die Gasvorräte im Gegensatz zu Öl nicht so schnell zur Neige gehen werden. Aber auch hier nehmen die Risiken zu, weil neue Lagerstätten in schwer zugänglichen Gebieten wie der Tiefsee oder in der Arktis liegen. Ein großer Teil ist in Schiefergestein gebunden, wo es nur mit brutaler Gewalt und hochgiftigen Chemikalien herausgelöst werden kann. Eine höchst umstrittene Methode, die in den USA schon in großem Stil eingesetzt wird und dort das Grundwasser verseucht. In Deutschland befindet sich das sogenannte Fracking-Verfahren bereits im Test, obwohl der Widerstand in der Bevölkerung groß ist.

Die Gasvorräte der Zukunft zu erschließen, erfordert viel technisches Know-how und Präzision. Die Risiken sind unkalkulierbar. Gas gilt völlig zu Unrecht als saubere Energie. Die Förderung ist ein schmutziges Geschäft. Das zeigen etwa die verheerenden Umweltverschmutzungen in Sibirien, die auf das Konto der russischen Gasindustrie gehen. Böden sind teilweise so verseucht, dass weit und breit kein Grashalm mehr wächst. Ganze Landstriche sind unbewohnbar geworden.

Längst nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft

Der Gasunfall in der Nordsee oder die Ölkatastrophen im Golf von Mexiko machen deutlich: Mit jeder einzelnen Bohrung, egal ob es nun um Gas oder Öl geht, steht sehr viel auf dem Spiel. Trotzdem wäre es naiv zu glauben, dass die Welt angesichts der wachsenden Risiken ihren Energieverbrauch zügeln wird. Die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen geht zwar in Europa und den USA leicht zurück, dafür wächst sie aber in aufstrebenden Ländern wie China und Indien.

Umso wichtiger ist es, die Öl- und Gasförderung sicherer zu machen. Hier sind längst nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Bislang bleibt es in erster Linie der Industrie überlassen, für Sicherheit zu sorgen. Dabei unterliegen die Firmen zwar der Aufsicht der jeweiligen Länder, auf deren Gebiet sich die Vorkommen befinden. Diese Kontrollbehörden sind jedoch weder finanziell noch personell ausreichend ausgestattet, um der geballten Finanzmacht der Öl- und Gasindustrie Paroli bieten zu können. Hinzu kommt, dass die Regeln von Land zu Land unterschiedlich streng ausfallen. In ärmeren Ländern schauen die Behörden schon mal über Mängel hinweg, solange sich nur die Kassen füllen.

USA und EU sind gefordert

Selbst in der Nordsee lassen sich härtere Gesetze und Auflagen für die Industrie schwer durchsetzen. EU-Energiekommissar Günther Oettinger bemüht sich seit der Ölpest im Golf von Mexiko vergeblich darum. Nun hat er seine Forderung erneut bekräftigt. Doch Anrainer wie Schottland, das vom Total-Unfall direkt betroffen ist, zögern. Dort will man die Industrie nicht vergrätzen, schließlich bringen die Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft viel Geld ein.

Solche nationalen Interessen gilt es zu überwinden. Die führenden Industrienationen, die Vereinigten Staaten und die Europäische Union müssen hier den ersten Schritt machen, denn hier sitzen auch einige der größten Energiekonzerne. Ziel muss ein internationales Abkommen mit einheitlichen und strengeren Regeln für die Industrie sein. Nur so lassen sich die Risiken der Öl- und Gasförderung wirksam minimieren.

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