Börsenmanipulation:Geständnis statt Gefängnis

"Träumen Sie von mehreren hundert Prozent Kursgewinn?" In einem der wohl größten Fälle von betrügerischen Aktien-Geschäften in Deutschland gibt ein Angeklagter jetzt alles zu. Einige der Hauptbeschuldigten waren Funktionäre bei der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger gewesen - und galten als Wächter und Hüter sauberer Geschäfte an den Börsen.

Klaus Ott

Auf den Anklagebänken in den Verhandlungssälen am Münchner Landgericht ist viel Platz. Mehr als zehn Beschuldigte und Verteidiger können sich dort jeweils niederlassen. Auch im Saal B 175. Doch beim ersten Verfahren vor dem Landgericht in einem der offenbar größten Fälle von Börsenbetrug in den vergangenen Jahren in Deutschland bleiben die beiden Reihen rechts vom Richtertisch, die für vermeintliche Missetäter und deren Rechtsbeistände reserviert sind, noch ziemlich leer. In Reihe eins sitzt ganz alleine ein Kaufmann mittleren Alters, der als Herausgeber von Börsenbriefen viele Anleger in die Irre geführt haben soll. Hinter ihm, in Reihe zwei, hat sein Anwalt Platz genommen. Der große Prozess, auf den viele Kleinanleger warten, beginnt am 23. Januar.

Der erste Beschuldigte, der sich vor dem Landgericht verantworten muss, wirkt auf der langen Anklagebank etwas verloren. Und so fühlt er sich auch - als der große Verlierer in einem ziemlich schmutzigen Spiel. Der Kaufmann aus Oberbayern gibt alles zu, was ihm die Staatsanwaltschaft zur Last legt: Börsenmanipulation in Mittäterschaft in 165 Fällen. Er sei da in etwas hineingeschlittert, das er nicht habe übersehen können, sagt der Kaufmann.

Die Postillen waren per Mail an Tausende Leser verschickt worden und enthielten Kauf-Empfehlungen für Aktien. Manche dieser Papiere seien "hervorragend gelaufen", erinnert sich der Kaufmann. Aber es waren eben auch Tipps darunter, bei denen die Empfänger laut Anklage nicht erkennen konnten, um was es wirklich ging. Nämlich darum, dass vor allem ein Münchner Geschäftsmann und Investor namens Tobias Bosler mit künstlich hochgejubelten Aktien Kasse mache.

Bosler sitzt seit September 2010 in Untersuchungshaft. Er soll einer der führenden Köpfe in einer kriminellen Clique sein, die mit den Papieren vieler Unternehmen, darunter Cinemedia, Swiss Solar Systems, Splendid Medien AG und viele andere - viele Millionen Euro für sich abgezweigt habe, besagt die Anklage. Einige der Hauptbeschuldigten waren Funktionäre bei der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) gewesen und galten als Wächter und Hüter sauberer Geschäfte an den Börsen.

Auf Hauptversammlungen gerierten sie sich als diejenigen, die die Interessen von Kleinaktionären verteidigen. Die Wirklichkeit sah womöglich anders aus. Darüber wird demnächst bei einem großen Prozess gegen Bosler und zwei frühere SdK-Leute gesprochen. Jetzt aber ist der Kaufmann aus Oberbayern dran. Er erzählt, wie er für Bosler gegen Bezahlung an gutgläubige Anleger Börsenbriefe mit Aktientipps verschickt habe. Er habe dann "zunehmend gemerkt, dass da möglicherweise ganz andere Dinge dahinterstecken", sagt sein Anwalt Andreas Kleinert. Der Kaufmann selbst spricht davon, dass er damals dem "Irrglauben" erlegen sei, es habe schon alles seine Ordnung.

Das war es aber nicht, wie Anwalt Kleinert im Namen seines Mandanten einräumt. Bei Sprüchen wie "Träumen Sie von mehreren hundert Prozent Kursgewinn?" konnten die Leser der Börsenbriefe nämlich nicht erkennen, wer an den empfohlenen Aktien konkret was verdiente. Da seien "Aktien gepusht worden", ohne die dahinterliegenden Interessen "ordentlich offenzulegen", bestätigt Anwalt Kleinert. Sein Mandant bereue, was er getan habe. "Das ist ein Geständnis ohne Wenn und Aber." Der Angeklagte nickt und versucht zu erklären, wieso er dabei mitgemacht habe. Er sei schon längere Zeit ohne Job gewesen, das Geld sei ihm ausgegangen, als sich die Möglichkeit ergeben habe, mit Bosler ins Geschäft zu kommen. Da habe er zugegriffen und für Bosler Börsenbriefe verschickt. Auf den Rechnungen für die Versandaktionen sei er dann aber teilweise sitzengeblieben, ärgert sich der Angeklagte.

Damals haben sich die Börsengeschäfte vor allem für Bosler gelohnt, der laut Anklage etliche Millionen Euro einnahm. Sein kleiner Kompagnon, der Kaufmann, machte zwischendurch mit den "gepushten" Aktien mal 20 000 Euro Gewinn, verlor aber auch einiges und zahlte am Ende sogar 50 000 Euro drauf, wie Anwalt Kleinert vorrechnet. Inzwischen aber sieht die Gewinn- und Verlustrechnung ganz anders aus. Das Gericht will es nach einer früheren Untersuchungshaft nun bei einer Freiheitsstrafe auf Bewährung zu belassen.

Geständnis statt Gefängnis, lautet die Formel. Am Dienstag soll das Urteil folgen. Es wäre die zweite Bewährungsstrafe in dieser Sache nach einem ersten Verfahren Ende 2011 beim Amtsgericht. Der frühere Profiteur Bosler sitzt hingegen immer noch in Untersuchungshaft. Seine Chancen, bald freizukommen, haben sich nach dem Geständnis seines einstigen Helfers eher verschlechtert. Entschieden wird das dem bald folgenden großen Prozess, in dem Bosler um einen Freispruch kämpfen will, gemeinsam mit anderen Beschuldigten und mit Hilfe etlicher Anwälte. Die Anklagebank wird dann gut besetzt sein.

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