Börsengang:Einsam in Japan

Inside A Line Corp. Store As Company Plans Years Biggest Tech IPO With Pitch to U.S. Investor

Zwei junge Frauen in einem Laden von Naver. Cony ist das Maskottchen des sozialen Netzwerkes Line, hinter dem Naver steht.

(Foto: Bloomberg)

Das soziale Netzwerk Line, das nun an die Börse geht, spielt international keine Rolle. Den Kampf gegen Facebook oder Whatsapp hat das japanische Unternehmen verloren.

Von Christof Neidhart, Tokio

Mitte Juli wird "Line" an die Börse gehen, eine der beliebtesten Apps Japans. Hinter dem sozialen Netzwerk steckt die Firma Naver Japan (NHN). Line funktioniert wie Whatsapp, der Facebook Messenger oder Wechat. Die Nutzer können chatten und kostenlos telefonieren, Videos und Bilder verschicken, Musik hören oder einkaufen. Die Aktie, deren Ausgabepreis auf 2700 bis 3200 Yen, umgerechnet 23 bis 28 Euro, festgelegt wurde, soll gleichzeitig in Tokio und in New York an die Börse gehen und der südkoreanischen Naver-Mutter Naver eine Milliarde Dollar in die Kasse spielen, zwei Drittel davon in New York. Damit dürfte Line einer der größten Hightech-Börsengänge dieses Jahres werden. Den japanischen Markt beeindruckt die Emission allerdings nicht. Analysten klagen, Naver habe vier Milliarden Dollar verspielt. Der Börsengang war vor zwei Jahren geplant, damals wurde Line fünf mal höher bewertet. Aber NHN zögerte zu lange, wie japanische Firmen so oft. Mit dem Erlös aus dem Börsengang will Naver in Japan einen Billig-Mobilfunk-Anbieter aufbauen.

Line hat etwa 200 Millionen aktive Nutzer, die meisten in Japan, Taiwan, Südkorea und Thailand. Die App ist gratis, Die Einnahmen stammen zu einem Drittel aus Werbung, zu einem Drittel aus Online-Spielen und zu 20 Prozent aus dem Verkauf von Emojis, den Symbolfiguren, die gerne in Textnachrichten eingestreut werden. Damit hat Line im Vorjahr 120 Milliarden Yen umgesetzt, gut eine Milliarde Euro. Das Unternehmen wird somit nur auf das Fünffache seines Jahresumsatzes bewertet, bei Facebook ist es das Zwölffache. Allerdings sind auch die Wachstumsaussichten geringer. Die App generiert 70 Prozent ihrer Einnahmen in Japan, die Nutzerzahl stagniert und die Bevölkerung schrumpft. Der Börsengang in New York soll Line im Ausland bekannter machen. Aber Line konkurriert gegen Facebook mit zwei Milliarden Nutzern, Whatsapp mit einer Milliarde und das chinesische Wechat mit 760 Millionen.

Line enstand in den Tagen nach dem großen Tsunami im März 2011. Viele Menschen hatten alles verloren, auch ihren Festnetzanschluss. Über Line konnten sie dann wenigstens Kurzmitteilungen über Mobiltelefone verschicken. So wurde Line zu "dem" sozialen Netzwerk in Japan. Doch während Line in Japan und Taiwan verharrte, expandierten die Konkurrenten weltweit. Immer wieder wurden in Japan Technologien entwickelt, die der übrigen Welt voraus waren. Vor fast zwanzig Jahren baute Sharp die ersten Handys mit Kameras, schon damals boten Japans Mobilfunk-Anbieter umfangreiche Textmöglichkeiten - um die Jahrtausendwende wurden Handy-Romane zu einer Mode - und bald Internet-Zugang. Derweil steckte das Handy in den USA noch in den Anfängen. Aber japanischen Firmen schaffen es oft nicht, ihre Entwicklungen ins Ausland zu verkaufen. Dieses Phänomen heißt Galapagos, benannt nach den Inseln im Pazifik, auf denen sich Tierarten entwickelten, die nur dort überleben können. Wie es aussieht und das spiegelt sich auch in der Bewertung wider, ist auch Line ein solches Phänomen. In Japan beliebt, aber auch nur dort.

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