Börsengang der Bahn:Operation "Oktoberfest"

In knapp vier Wochen möchte die Bahn aufs Parkett - doch schwankende Börsen könnten die größte Neuemission seit Jahren noch gefährden.

Martin Hesse

Seit einigen Wochen schwärmen kleine Gruppen von Investmentbankern in alle Winkel der Erde aus. Sie bereisen Russland und China, fliegen nach Abu Dhabi und Kuwait, besuchen London und Mailand. Sie sind auf der Jagd nach Investoren und ihre Waffen sind Präsentationen, Charts und Zahlen. Der Auftraggeber der Banker heißt Hartmut Mehdorn, der Chef der Deutschen Bahn. Im Frühjahr hatte sich die Regierung nach jahrelangem politischem Gezerre auf ein Konzept für die Privatisierung des Logistik-Konzerns geeinigt. Jetzt geht das Projekt in seine heiße Phase. Doch die Krise an den Finanzmärkten könnte den Börsengang auf den letzten Metern noch von der Schiene bringen.

Börsengang der Bahn: Die Bahn geht an die Börse - und wird wohl weit weniger Geld einnehmen als ursprünglich geplant.

Die Bahn geht an die Börse - und wird wohl weit weniger Geld einnehmen als ursprünglich geplant.

(Foto: Foto: ddp)

Ein Konsortium von 14 Kreditinstituten unter der Führung von Morgan Stanley, der Deutschen Bank, der Schweizer UBS und Goldman Sachs organisiert den Börsengang. In den vergangenen Tagen haben ihre Analysten Studien unter die Investoren gebracht, um ihnen Appetit zu machen. "Oktoberfest", steht auf der Analyse von Morgan Stanley. Doch ob die Emission für Bahn und Banken zu einem Fest wird, daran herrschen zumindest in Berlin große Zweifel.

Weit entfernt von den acht Milliarden Euro

Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee hatte im Frühjahr einmal die Zahl acht Milliarden Euro genannt, als es darum ging, die möglichen Einnahmen aus dem Börsengang zu beziffern. Privatisiert werden 24,9 Prozent des Transport- und Logistikgeschäfts, das die Bahn in der DB Mobility Logistics (DBML) gebündelt hat. Das Schienennetz bleibt beim Staat. Banker hielten den Wert schon damals für unrealistisch.

Aber Tiefensee hat Erwartungen geweckt, die in der Finanzkrise nun aber erst recht nicht erfüllt werden können. "Der Börsengang der Bahn muss verschoben werden", fordert daher beispielsweise der Berliner SPD-Landesvorsitzende Michael Müller. In Bankenkreisen heißt es, solche Aussagen seien nur das Gegrummel von Leuten, die schon immer gegen die Privatisierung waren. Es komme darauf an, wie Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu den Plänen stünden. Der Grünen-Verkehrsexperte Winfried Hermann erklärte, er habe den Eindruck, für den Finanzminister das letzte Wort in Sachen Börsengang noch nicht gesprochen.

Es wird eine Frage des Preises sein, ob die Bahn an die Börse kommt oder nicht. "Natürlich spielt die Finanzkrise eine Rolle", sagt ein Banker aus dem Konsortium. Doch wo für Steinbrück die Schmerzgrenze liegt, das wissen offenbar selbst seine engsten Berater nicht. Die UBS errechnet für die Bahn in ihrer Studie insgesamt einen Wert von 18 bis 24 Milliarden Euro, kalkuliert aus künftigen Mittelflüssen (Cashflow) und dem Vergleich mit Konkurrenten. Wenn man berücksichtigt, dass Börsenneulinge auch in guten Zeiten einen Abschlag von fünf bis 15 Prozent akzeptieren müssen, kommt man für das Paket, das an der Börse platziert werden soll, auf einen Wert von etwa 4,2 bis 4,5 Milliarden Euro.

Ob Investoren bereit sind, in etwa so viel für die Bahn zu zahlen, werden Morgan Stanley und Co. bis zum 10.Oktober bei großen Investoren ausloten. Dann legen sie die Preisspanne fest und gehen vom 13. bis zum 24. Oktober mit dem Management auf die offizielle Werbetour. Als sicher gilt, dass die staatliche russische Bahn etwa fünf Prozent an der DBML kaufen will. Die Konsortialbanken rechnen außerdem damit, dass eine Handvoll Staatsfonds größere Pakete übernimmt. Daneben werden Aktienfonds, Pensionsfonds, Versicherungen und auch Hedgefonds angesprochen.

Privatanleger sollen vor allem in Bahn-affinen Ländern wie Deutschland, der Schweiz und Japan gewonnen werden. Um deutsche Kleinanleger wirbt die Investmentbank Dresdner Kleinwort. Allerdings heißt es in Konsortialkreisen, man rechne von dieser Seite nur mit verhaltenem Interesse. Insgesamt dürften die Banken darauf bedacht sein, die Aktien möglichst breit zu streuen, um nicht das Ziel zu gefährden, die Bahn in den Leitindex Dax zu bringen. Die Finanzkrise legt allerdings nahe, möglichst große Pakete bei Kerninvestoren zu platzieren.

In Bankenkreisen heißt es, Steinbrück könnte nervös werden, wenn sich abzeichnet, dass der Börsengang weniger als vier Milliarden Euro bringt. Dass er ein kleineres Paket zu einem möglichst hohen Preis verkauft, gilt als unwahrscheinlich. Andererseits böte sich bei einer Verschiebung des Börsengangs vor der Bundestagswahl im kommenden Herbst allenfalls im Frühjahr noch einmal eine Chance für die Neuemission. Ob dann das Börsenumfeld besser ist, bezweifeln Experten mittlerweile. Die Investmentbanker setzen daher voll auf Oktoberfest - und sei es auch verregnet.

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