Börsenabsturz:Warum die US-Notenbank Fed im Dilemma steckt

Die Fed plant, ihren Leitzins zu erhöhen. Geht das jetzt noch? Angesichts der Krise in China und den Börsenturbulenzen?

Ein Kommentar von Nikolaus Piper

Der jüngste Absturz der Weltbörsen ist in China gemacht, die dahinterstehenden Probleme müssen in China gelöst werden. Aber wegen der enormen Rolle, die Chinas Wirtschaft inzwischen spielt, sind die Probleme der Volksrepublik immer auch solche der ganzen Welt. Sie erzwingen Entscheidungen auch in den Vereinigten Staaten, in der EU und in Japan.

Unmittelbar betrifft dies die Federal Reserve, die US-Notenbank. Die Fed bestimmt mit ihrer Quasi-Nullzinspolitik die globalen Finanzmärkte. Zwischenzeitlich hatte Fed-Chefin Janet Yellen die Märkte darauf vorbereitet, dass bei der nächsten Sitzung der Fed im September zum ersten Mal seit neun Jahren die Zinsen ein wenig erhöht werden - ein über Monate diskutierter Schritt in Richtung Normalität.

Jetzt steht dieser Schritt plötzlich wieder in Zweifel. Schon die Protokolle der letzten Fed-Sitzung ("Minutes") zeigten, dass die Entscheider in der Notenbank uneins sind über das, was sie tun sollen. Jetzt haben die Zweifel weiter zugenommen. Soll die Notenbank angesichts der Lage in China tatsächlich Geld verknappen und neue Turbulenzen an den Börsen riskieren? Die Märkte beginnen sich schon darauf einzustellen, dass die Zinserhöhung erst einmal ausbleibt. Ein Indiz dafür ist der Anstieg des Euro-Kurses innerhalb weniger Tage von 1,10 auf zeitweise über 1,15 Dollar.

Die Notenbank befindet sich in einem Dilemma. Starke Argumente sprechen tatsächlich dafür, den Zinsschritt erst einmal ausfallen zu lassen. Der Einbruch in China hat dazu geführt, dass weltweit die Preise für Rohstoffe weiter unter Druck gekommen sind. Rohöl ist so billig wie seit der heißen Phase der Finanzkrise nicht mehr. Das senkt den Preisindex für Verbraucher, Deflation rückt wieder näher, das erklärte Ziel der Fed, zwei Prozent Teuerung, entfernt sich. Und die Notenbank hat in der Vergangenheit immer wieder klargemacht, wie wichtig ihr dieses Ziel ist.

"Säkulare Stagnation"

Der Harvard-Professor und frühere Berater von Präsident Barack Obama, Lawrence Summers, hat die Fed mit sehr deutlichen Worten vor einer Zinserhöhung gewarnt. Sie könne dadurch ihre gesamten bisherigen Erfolge bei der Belebung der Wirtschaft gefährden, schrieb er in der Financial Times. Die Welt befinde sich in einer "säkularen Stagnation", an deren Ursachen die Fed nichts ändern könne. Und die ziehe nun einmal sehr niedrige Realzinsen nach sich. Summers' Einwurf ist nicht ohne Pikanterie, da er einst selbst Präsident der Fed werden wollte, dann aber gegen die jetzige Amtsinhaberin Yellen unterlag. Zu seiner Niederlage beigetragen hatte seinerzeit eine Rebellion unter den Linken in Obamas Demokratischer Partei. Jetzt argumentiert Summers geldpolitisch "linker" als Yellen. Auf jeden Fall sollte man die Äußerung des einflussreichen Summers durchaus ernst nehmen.

Aber es gibt eben auch sehr starke Argumente dafür, die Zinsen wie geplant zu erhöhen. Notenbanken sollten Kurs halten und sich nicht durch ein paar Turbulenzen an den Börsen aus der Ruhe bringen lassen. Und außerhalb Chinas, in New York, London und Frankfurt, hat an den Märkten kein Crash stattgefunden, sondern höchstens eine sehr willkommene Korrektur. Am Dienstag stiegen die Kurse hier sogar wieder kräftig. Die amerikanische Wirtschaft wächst, die Arbeitslosigkeit sinkt, genauso wie es die Fed angestrebt hat.

Und noch wichtiger: Notenbanken sind der Stabilität der Finanzmärkte verpflichtet. Die Finanzkrise hat gezeigt, wie wichtig dieses Ziel ist, auch wenn es weder im Mandat der Fed noch dem der Europäischen Zentralbank steht. Wer die Frage der Stabilität aber ernst nimmt, sollte jetzt ein paar Schritte in Richtung Normalität gehen. Die extrem lockere Geldpolitik hat in den vergangenen Jahren Schlimmeres verhindert, den Aufschwung begünstigt und für Vertrauen gesorgt. Aber sie verursacht auch Kosten und sie birgt Risiken. Sparen wird bestraft, Spekulationsblasen auf Aktien- und Immobilienmärkten werden begünstigt und - nicht zu unterschätzen - die Fed hat keine Munition mehr für den Fall eines echten Einbruchs. Selbst wenn sie nochmals massiv Staatsanleihen kaufte, könnte sie die Zinsen kaum noch weiter drücken.

Aus heutiger Sicht sprechen daher mehr Gründe dafür, den Fahrplan einzuhalten und im September mit den Zinserhöhungen zu beginnen.

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