Börsen-Crash:Chillt mal!

Wenn die Kurse abstürzen, ist es die natürliche Reaktion der Menschen zu fliehen, raus aus den Aktien. Wie dumm.

Ein Kommentar von Harald Freiberger

Die vergangene Börsenwoche war wie gemacht dafür, Privatanlegern eine Lehre zu erteilen: die Lehre, auch in stürmischen Zeiten Ruhe zu bewahren. Am Montag herrschte Panik. Der Dax, das Barometer der deutschen Börse, stürzte um bis zu acht Prozent ab. Mehr waren es nicht einmal an dem Tag, als in New York Flugzeuge in die Zwillingstürme flogen.

Die natürliche Reaktion eines Menschen in einer solchen Situation ist es, zu fliehen: nichts wie weg, raus aus Aktien. Wer weiß schließlich, was noch alles kommt, möglicherweise weitet sich die Krise in China zu einem konjunkturellen Weltenbrand aus. Doch wer verkaufte, hat genau das Falsche getan. Wie bei einem Bungee-Sprung schnellten die Kurse wieder nach oben. Am Ende der Woche stehen sie höher als am Anfang.

Wie unter der Lupe spiegelt die Woche damit die langfristige Entwicklung der Börsen. Es gibt Dellen, es gibt auch Crashs, doch auf lange Sicht erholen sich die Aktien wieder, weil sich auch die Wirtschaft erholt und die Unternehmen, die sie tragen. Betrachtet man den Dax über Jahrzehnte, so warf er jedes Jahr eine Rendite von sieben Prozent ab, so viel wie keine andere Anlageform. Das Fatale ist bloß, dass Privatanleger, die in Aktien investieren, nur auf eine Rendite von etwa zwei Prozent kommen.

Das liegt vor allem daran, dass sie zu kurzfristig handeln, zu teuer kaufen und zum falschen Zeitpunkt verkaufen. Mit schuld sind auch Bankberater, die daran verdienen, wenn ein Privatanleger sein Depot möglichst oft umwälzt. Vertrauenswürdig ist ein Berater dann, wenn er zur Ruhe auch in hektischen Zeiten rät.

Nicht dauernd auf die Kurse schauen, riet der Profi Kostolany

Im Grunde ist die Psyche des Menschen für die Aktienanlage nicht geeignet. Über Jahrtausende hat er gelernt, Adrenalin auszuschütten und davonzurennen, wenn es brennt oder ein Säbelzahntiger um die Ecke biegt. Wenn die eigenen Aktien abstürzen, kommen ähnliche Gefühle hoch. Der Unterschied aber ist, dass man ein Feuer nicht aussitzen kann, wohl aber einen Crash an der Börse.

Wer langfristig in Aktien investiert, breit gestreut über mehrere Branchen und Regionen, setzt seine Hoffnung auf eine positive Entwicklung der Weltwirtschaft. Diese Hoffnung ist seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr enttäuscht worden. Selbst die großen Einbrüche nach den Jahren 2000 und 2008 nehmen sich in diesem Kontext nur wie Dellen aus.

Doch gerade Privatanleger in Deutschland trauen sich nicht mehr an die Börse. Die Zahl der Aktionäre ist in den letzten 15 Jahren deutlich gesunken. Das ist ein Fehler, weil der Bedarf, selbst für das Alter vorzusorgen, immer größer wird. Trotzdem sind Aktien nicht jedem zu empfehlen: Wer damit nicht ruhig schlafen kann, muss auch nicht einsteigen.

Wer die Chancen aber nutzen will, sollte ein Bild vor Augen haben, das André Kostolany erfand, der 1999 im Alter von 93 Jahren verstorbene, weise Mann der Börse: Er riet Anlegern, Aktien zu kaufen und, statt täglich auf die Kurse zu schauen, lieber Schlaftabletten zu nehmen, um sich nach Jahren an den Gewinnen zu erfreuen. Er meinte damit nicht, dass es an der Börse garantiert immer aufwärts geht, er verwendete dieses Bild als Schutz vor der Psycho-Falle, in der jeder Anleger steckt: der Versuchung, im Boom zu kaufen und nach dem Crash zu verkaufen.

Kostolanys Kompagnon, der Münchner Vermögensverwalter Gottfried Heller, kennt die Geschichte dahinter: Ein Onkel von Kostolany hatte sich an der Budapester Warenbörse verspekuliert, war dem Selbstmord nahe. Darauf verordnete ihm die Familie einige Wochen Schlafkur im Krankenhaus. Als er aufwachte, hatten sich sowohl die Kurse erholt als auch er selbst. Ruhiges Wochenende!

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