Boeings Traumflieger:Phönix aus der Asche

Wie es Boeing binnen weniger Jahre geschafft hat, mit dem neuen Langstreckenjet Dreamliner seine größte Krise zu überwinden. Eindrücke von der Erstpräsentation in Seattle.

Jens Flottau

Joachim Hunold durfte unter tosendem Beifall mit einmarschieren in die große Halle, und als sich endlich die riesigen Werkstore öffneten, um die erste Boeing 787 zu präsentieren, da stand er mit leuchtenden Augen da und konnte seine Begeisterung nicht mehr bremsen: "Was für ein geiles Flugzeug", findet er.

Dreamliner Boeing 787 Premiere Publikum Everett Sunday 8 July 2007 Airbus

Tausende Schaulustige nahmen die neue Boeing "787" bei ihrer Erstpräsentation in Augenschein.

(Foto: Foto: AP)

Der Air-Berlin-Chef war einer von rund 15.000, die in der Nacht auf Montag deutscher Zeit in der Werkshalle von Everett miterleben durften, wie Boeing sich und das neue Langstreckenflugzeug feierte.

Doch das Ereignis ist für den größten amerikanischen Exporteur darüber hinaus auch von großer symbolischer Bedeutung. Es markiert den Wiederaufstieg Boeings zum Weltmarktführer, den Schritt aus einer großen Krise.

Erstarrt in alten Strukturen und Regeln war der Flugzeugbauer nicht mehr konkurrenzfähig. Die Verkaufsabteilung konnte bei den Rabattschlachten mit Airbus nicht mehr mithalten und gab Marktanteile preis. Hunold und seine Kollegen wanderten ab zu Airbus, erbost über Arroganz und Ignoranz.

Die Entwicklungsleute kamen mit einem halbgaren Projekt nach dem anderen, das die Fluggesellschaften gerne schnell ablehnten. Boeing schien nur noch am nächsten Quartalsbericht interessiert zu sein. Das öffentliche Image war so schlecht, dass es noch bis vor etwa vier Jahren Analysten gab, die den Ausstieg von Boeing aus dem zivilen Luftfahrtgeschäft für möglich hielten. "Wir waren komplett orientierungslos", gibt ein hoher Boeing-Manager zu.

Silberner Koffer

Es war in dieser Zeit, dass sich der spätere 787-Chef Mike Bair mit dem damaligen Boeing-Commercial-Chef Alan Mulally (heute Ford) und einem silbernen Alukoffer in einen Business-Jet setzte. Jeder, der in den Koffer hineinschauen wollte, musste zuvor eine Erklärung unterschreiben, dass er keinesfalls preisgeben würde, was er gesehen habe. Darin war ein futuristisch anmutendes Modell, der Sonic Cruiser.

Der Jet sollte deutlich schneller als heutige Maschinen fliegen. Das Konzept ließ Boeing zwar schnell wieder fallen, denn die Kunden wollten Kosten sparen, nicht schneller fliegen. Die Technologien des Sonic Cruiser - Faserverbundwerkstoffe, neue Triebwerke - blieben aber erhalten.

Mit dem Mut der Verzweiflung alles auf eine Karte gesetzt

Die 787 ist der wohl größte technologische Sprung, den ein Flugzeughersteller in den letzten Jahrzehnten gewagt hat.

Kaum jemals zuvor ist ein Unternehmen ein so großes Risiko mit einem neuen Flugzeugprojekt eingegangen. Nie zuvor wurden die Lieferanten so stark beteiligt. Es sieht so aus, als habe sich das Risiko gelohnt: Noch nie haben die Fluglinien so viele Maschinen (677) bestellt, noch bevor der erste Prototyp geflogen ist.

Es ist, als habe die Branche nur darauf gewartet, dass endlich wieder einmal jemand etwas riskiert. Und nebenbei hat Boeing nun die technologischen Voraussetzungen dafür geschaffen, auch den Rest seiner Produktpalette in den nächsten Jahren zu erneuern. Ein Nachfolger für das Kurzstreckenflugzeug 737 dürfte das nächste große Projekt sein.

Ironischerweise hat die Boeing-Krise der späten neunziger Jahre die aktuelle Krise des Konkurrenten Airbus mit verursacht. "Wir haben gepennt", sagt Airbus-Verkaufsvorstand John Leahy heute selbstkritisch. Als Boeing vor vier Jahren die 787 mit einem Auftrag von All Nippon Airways offiziell startete, gab es wenige in Toulouse, die das Projekt ernst nahmen. Sie glaubten, sie könnten mit einer ein wenig aufgefrischten Version ihres Airbus A330 dagegenhalten.

Fatale Fehleinschätzung kostet Airbus Milliarden

Eine fatale Fehleinschätzung, die Airbus heute mit Milliarden an Zusatzkosten und einer völligen Umkehr der Marktlage teuer bezahlt. Airbus musste widerwillig den A350 entwickeln - für fast 12 Milliarden Euro - und wird wohl noch viele Jahre brauchen, um technologisch und wirtschaftlich wieder aufzuschließen.

Beim Roll-out in Everett war Airbus dennoch präsent. Boeing-Commercial-Chef Scott Carson nämlich berichtete dem global zugeschalteten Publikum von seinem längsten Flug: "Singapur-New York, 18 Stunden und 40 Minuten - in einem langsamen Airbus." Der ansonsten sehr freundliche Carson hatte die Lacher auf seiner Seite.

Und auch Airbus-Chef Louis Gallois konnte punkten. Am Morgen hatte er eine Gratulationsbotschaft an die Konkurrenten geschickt. "Selbst wenn wir ab morgen wieder scharf konkurrieren werden, heute ist Boeings Tag - ein Tag, um die 787 zu feiern."

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