BMW und VW ringen um SGL Carbon:Kampf um den Stoff, aus dem die Zukunft ist

Der Münchner Autohersteller BMW steigt beim Carbon-Hersteller SGL ein und nährt Spekulationen über einen Übernahmekampf mit Volkswagen. Pikant: BMW-Erbin Susanne Klatten hält schon mehr als ein Viertel von SGL.

Thomas Fromm

Am Morgen danach ging es vor allem darum, die Sache so defensiv wie möglich anzugehen. "Da war nichts abgesprochen", sagte ein BMW-Sprecher zum Einstieg beim Carbon-Hersteller SGL. Und: Man strebe trotz der 15,6 Prozent, die man an SGL erwerbe, kein Aufsichtsratsmandat an und wolle auch nicht operativ bei SGL Carbon eingreifen. Auch aus dem Lager der BMW-Großaktionärin Susanne Klatten kamen Erklärungsmuster, die beruhigen sollten.

Klatten will Altana-Minderheitsaktionaere aus Unternehmen draengen

Quandt-Erbin Susanne Klatten hält mehr als zwölf Prozent an BMW - und 29 Prozent an SGL Carbon.

(Foto: ddp)

Klattens Beteiligungsgesellschaft Skion, die selbst wiederum 29 Prozent an SGL hält, teilte mit: Man plane keine weitere Aufstockung bei der Carbon-Firma, und - natürlich - man sei am Donnerstagabend von SGL, nicht von BMW über den Einstieg informiert worden. Was bedeuten sollte: Keine Absprache. Niemals. Und doch ist man gemeinsam stärker. Mit dem Einstieg hat BMW seine Macht bei dem Hersteller von Leichtbaumaterialien abgesichert.

Klatten, die große Strippenzieherin, ist Großaktionärin bei BMW; zuletzt hielt sie 12,6 Prozent der Anteile. Die Quandt-Familie kommt insgesamt auf mehr als 46 Prozent. Gleichzeitig ist Susanne Klatten Hauptanteilseignerin bei SGL, und nun ist auch noch BMW bei SGL. 29 plus 15,16 - das macht 44,16 Prozent, die BMW und Klatten zusammen hätten. Würden beide Beteiligungen zusammengerechnet ("Acting in concert"), käme man weit über 30 Prozent - jene Hürde, ab der ein Pflichtangebot für alle Restaktionäre fällig wäre. Dies wäre ein teures Manöver, dass man sich gerne ersparen möchte.

Nachdem die BMW-Pläne bekannt wurden, schoss die SGL-Aktie um 4,5 Prozent auf 45,11 Euro. Deswegen die klare Ansage: Zwei Aktionäre, zwei getrennte Aktienpools, keine Verträge. Ob das wirklich so ist, muss im Zweifelsfall die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), untersuchen - und entscheiden.

Wertvolle Fasern vom Moses Lake

Natürlich verfolgen beide zwei gemeinsame zentrale Interesse: Zum einen geht es darum, die Versorgung von BMW mit dem Leichtbaumaterial Carbon sicherzustellen. SGL ist einer der wenigen namhaften Hersteller des Leichtbaustoffes Carbon überhaupt. Für Autohersteller, die ihre Fahrzeuge künftig leichter bauen wollen, ein unverzichtbares Material. BMW hat dies zeitig erkannt und baut seine Elektroautos künftig zum großen Teil aus Carbon. Im Frühjahr 2009 gründete man ein Joint Venture mit SGL Carbon; es war der erste Schritt, sich den Zukunftsstoff zu sichern. Im September dann wurde ein gemeinsames Werk für Karbonfasern in Moses Lake (USA) eingeweiht. Die in Moses Lake hergestellten Fasern werden zu Kohlefasergelegen weiterverarbeitet, diese werden als Karosserieteile in die geplanten Elektroautos i3 und i8 eingebaut.

Außerdem soll der Rivale Volkswagen auf Distanz gehalten werden. VW hatte sich Ende Februar selbst mit zehn Prozent bei SGL eingekauft. "Ein reines Finanzengagement", hieß es in Wolfsburg. So ganz glauben konnte man das in München nie. Hier wird befürchtet, die Wolfsburger könnten über ihre Banken weitere Aktienpakete kaufen - und zum großen, entscheidenden Schlag ausholen. Zwar hieß es aus Konzernkreisen, man habe keine Hinweise darauf, dass VW dabei sei, seinen Anteil hinter den Kulissen weiter aufzustocken. Andererseits könne man nicht wirklich sicher sein. In Wolfsburg wollte man den Einstieg der Bayern daher auch nicht kommentieren.

Mit dem Einstieg von VW war BMW-Aktionärin Klatten mitten in die Frontlinie zwischen Volkswagen und BMW geraten. Durchkreuzen die Niedersachsen ihre Strategie bei dem Autoherteller und stocken auf, wäre ihr Investment im schlimmsten Fall verloren. Man sehe den Einstieg von VW mit "Distanz und Wachsamkeit", sagte sie Anfang März. Für die Quandt-Erbin waren dies ungewöhnlich deutliche Worte.

Unklar auch die Rolle des Zulieferers Voith. Der Kooperationspartner der VW-Tochter Audi hält ebenfalls an die zehn Prozent an SGL. VW und Voith wären gemeinsam schnell bei einer Sperrminorität von 25 Prozent. Voith begrüßte den Einstieg des Münchener Autobauers am Freitag. "Wir sehen das sehr positiv, dass sich SGL für weitere Unternehmen der Automobilindustrie öffnet", sagte ein Sprecher des Maschinen- und Anlagenbauers aus Heidenheim. BMW ist gerüstet: Der Einstieg könnte nur der Anfang sein. Weitere Schritte, so ein Sprecher in München, seien nicht ausgeschlossen. Die 50-Prozent-Hürde ist nah.

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