BMW: Personalvorstand Krüger:"Wir leben vor, was wir verlangen"

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BMW-Personalvorstand Harald Krüger über die positiven Effekte von Kurzarbeit, Modelle für alternde Belegschaften und Gerechtigkeit bei den Einkommen.

Michael Kuntz

Harald Krüger, 43, sitzt in seinem Büro in der 22. Etage des BMW-Hochhauses. An den Wänden hängen fünf Familienfotos, zwei Grafiken eines ehemaligen BMW-Werkers und hinter dem Schreibtisch ein Gemälde: Ein Herz ist zu erkennen hinter dem Mann, der im Dezember 2008 Personalvorstand wurde - und der sich seitdem vor allem als Krisenmanager behaupten muss.

Harald Krüger ist seit Dezember 2008 Personalvorstand bei BMW. (Foto: Foto: BMW)

SZ: Herr Krüger, sehen Sie in der Krise einen Lichtblick?

Harald Krüger: Das Jahr 2009 bleibt ein Übergangsjahr für BMW mit Unwägbarkeiten. Ich persönlich bin aber optimistisch, spätestens für Mitte 2010. Erste Signale erhalten wir aus den USA, wo immerhin Gebrauchtwagen wieder stärker gefragt sind.

SZ: Hilft Ihnen die Abwrackprämie in Deutschland?

Krüger: Tendenziell profitieren die Premiumhersteller weniger von der Abwrackprämie. Neben dem MINI leistet die Prämie beim BMW 1er einen - wenn auch überschaubaren - Beitrag. Allerdings leiden auf der anderen Seite die Restwerte durch die Abwrackprämie.

SZ: Was bedeutet das für die Kurzarbeit?

Krüger: In Regensburg konnten wir die für Mai zunächst geplante Kurzarbeit absagen. Dort bauen wir den 1er. Außerdem ist der neue Z4 gerade auf den Markt gekommen. Er wird jetzt zusätzlich in Regensburg gebaut und stößt auf sehr positive Kundenresonanz.

SZ: Wie sieht es in den anderen Werken aus?

Krüger: Dingolfing bleibt erst einmal in der Kurzarbeit. Die weltweite Nachfrage nach dem 5er und 6er hat noch nicht wieder angezogen. Beide Modelle sind in einer reifen Phase ihres Lebenszyklus, in dem die Nachfrage ohnehin tendenziell abflacht. An Dingolfing hängen Landshut und auch die Fertigung von Bremsscheiben in Berlin. Wie es dort konkret mit Kurzarbeit weitergeht, werden wir mit dem Betriebsrat in den nächsten Wochen klären.

SZ: Gibt es weitere Kurzarbeit?

Krüger: Bis auf vier Tage Ende Mai für 1800 Mitarbeiter im Motorradwerk Berlin ist weitere Kurzarbeit zur Zeit nicht geplant. Ich gehe davon aus, dass wir den jetzt theoretisch möglichen Spielraum von 24 Monaten Kurzarbeit nicht nutzen müssen. Bei uns werden zwischen 2010 und 2012 die Volumenmodelle erneuert, die für mehr als die Hälfte unseres gesamten Absatzvolumens stehen. Auch die Vorbereitungen in den Werken für gänzlich neue Modelle beginnen schon in diesem Jahr, zum Beispiel die für den kleinen Geländewagen X1 in Leipzig.

SZ: Lassen sich durch Kurzarbeit Entlassungen vermeiden?

Krüger: Wir haben damit im ersten Quartal die Beschäftigung von 8500 Menschen gesichert. Wir nutzen aber auch Zeitkonten, den Abbau von Urlaub, die natürliche Fluktuation. Frei werdende Stellen besetzen wir nur sehr selektiv wieder. Es gibt aber keinen Einstellungsstopp. So stellen wir allein in diesem Jahr etwa 300 Ingenieure und Informatiker ein. Die brauchen wir, um unsere Zukunft zu sichern - hauptsächlich für die Entwicklung neuer Mobilitäts- und Antriebskonzepte.

SZ: Die Bundesregierung hat die mögliche Dauer der Kurzarbeit von 18 auf 24 Monate verlängert. Ist das sinnvoll?

Krüger: Es ist sicherlich wichtig für die Stimmung in den Unternehmen, dass da theoretisch jetzt ein erweiterter Spielraum besteht. Andererseits wird es nicht sehr viele Unternehmen geben, die davon Gebrauch machen können. Die Frage ist doch, ob Firmen mit dauerhaft klammer Auftragslage sich finanziell überhaupt 24 Monate über Wasser halten können.

SZ: Muss BMW die Arbeitnehmer in der Krise pfleglich behandeln, weil sie bald wieder gebraucht werden?

Krüger: Das Durchschnittsalter unserer Mitarbeiter in der Produktion steigt bis 2017 von heute 41 auf dann 47 Jahre. Noch gilt allgemein, dass die Krankenquote mit zunehmendem Alter steigt, zugleich muss aber die Fertigung immer produktiver werden. Deshalb haben wir an einer Montagelinie für Getriebe in Dingolfing die Altersstruktur abgebildet, wie wir sie für 2017 ziemlich genau prognostizieren können. Dort haben wir mit spezieller Ergonomie, anderen Schichtmodellen, individueller Gesundheitsberatung und Führungsstrukturen positive Rahmenbedingungen geschaffen, die es heute so noch nicht gibt.

Auf der nächsten Seite: Was ein Personalvorstand in Krisenzeiten beachten muss - und wie bei BMW die Manager bezahlt werden.

SZ: Was kam dabei heraus?

Krüger: Das läuft richtig gut. Der Bereich hat die beste Qualität und eine Produktivität wie eine Gruppe, die der heutigen Alters-Situation entspricht. Und auch die Krankenquote liegt kaum über dem heutigen Durchschnitt. Als Konsequenz aus diesen positiven Erkenntnissen rollen wir dieses Modell jetzt auch auf andere Werke und Technologien aus.

SZ: Sie sind ein halbes Jahr Personalvorstand. Was machen Sie anders als Ihr Vorgänger?

Krüger: Ich bin mitten hineingetaucht in eine beispiellose und weltweite Absatzkrise der Autoindustrie. In einer solchen Zeit wird die bei BMW traditionell gute Partnerschaft mit dem Betriebsrat noch enger. Man lernt in der Krise außerdem schneller als sonst, welche Prozesse funktionieren und wo es etwas zu verbessern gibt.

SZ: Was ist nach der Krise wichtig?

Krüger: Sehr wichtig sind Personalentwicklung, die Förderung von Führungskräften, international klar definierte Karrierepfade. Für die Entwicklung von Elektroautos zum Beispiel brauchen wir Mitarbeiter mit anderen Kompetenzen als bisher. BMW muss auch weiterhin die besten Menschen an sich binden - im Sinne von Leistungsfähigkeit, Ergebnisorientierung, Teamgeist, Elite, aber auch Spaß an der Arbeit und Humor.

SZ: Wo setzen Sie an?

Krüger: Wir stellen auch über die genannten Ingenieure und Informatiker hinaus noch Leute ein. So fangen bei uns im Herbst fast 1100 Auszubildende an. Wir investieren auch in diesen Zeiten in Ausbildung. Und wir werden auch in diesem Jahr über 300 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fest an Bord nehmen, die ihre Ausbildung abgeschlossen haben.

SZ: Was bedeutet das konkret?

Krüger: Wir wollen mehr Menschen aus dem Ausland bei uns ausbilden und dann wieder in ihrer Heimat arbeiten lassen. Wenn wir mehr in China einkaufen wollen, dann brauchen wir talentierte chinesische Mitarbeiter, die Deutschland kennen lernen, bevor sie für uns in China tätig sind. In den USA beschäftigen wir viele Amerikaner in Produktion, Vertrieb und Design, wir brauchen mehr von solchen global aufgestellten Mitarbeitern. Und wir wollen mit Menschen aus unterschiedlichen Kulturen ein weltweites Netzwerk knüpfen. Dass wir dabei unseren zutiefst bayerischen Kern nicht verlieren, ist unabdingbar für unsere Identität und Unternehmenskultur.

SZ: Bei vielen Unternehmen geht die Schere zwischen den Gehältern der normalen Mitarbeiter und den Gagen der Vorstände immer weiter auf. Muss das so sein?

Krüger: In der Tat zahlen einige Wettbewerber ihren Vorständen exorbitante Gehälter. Das ist bei BMW anders. Wir haben eine Vergütungspolitik, die vom Mitarbeiter bis zum Vorstand derselben Philosophie folgt und dieselben Bestandteile hat. Alle haben einen variablen Vergütungs-Bestandteil. Dieser steigt mit der Hierarchie von zehn Prozent für einen Mitarbeiter in der Produktion bis zu weit über fünfzig Prozent beim Vorstand. Die variablen Gehaltsbestandteile sind erfolgsabhängig. Das funktioniert in beide Richtungen. Wir leben also über alle Hierarchien vor, was wir von unseren Mitarbeitern verlangen. Und was die Schere zwischen der Einkommensentwicklung des Tarifmitarbeiters bis hin zum Vorstand anbelangt: Wir haben hier eine Vergütungssystematik auf den Weg gebracht, die sicherstellt, dass das Entgelt eines Tarifmitarbeiter sich prozentual ähnlich entwickelt wie das des Top-Managements.

© SZ vom 13.05.2009/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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