"Blockupy"-Protest in Frankfurt:Nervöse Banken, besorgte Polizei

Die Frankfurter Finanzindustrie blockieren: 30.000 Demonstranten wollen ab Mittwoch die Banker daran hindern, zur Arbeit zu kommen. Auch wenn noch ein Gericht über die Aktion entscheiden muss, raten Banken ihren Mitarbeitern schon mal zur Tarnung.

Harald Freiberger und Marc Widmann, Frankfurt

Eine Stadt bereitet sich auf den Ausnahmezustand vor. Um die 30.000 Demonstranten werden von Mittwoch bis Samstag in Frankfurt zu den "Blockupy-Aktionstagen" erwartet. Unter ihnen sollen auch bis zu 2000 Gewaltbereite sein, das befürchtet zumindest die Polizei.

Occupy-Camp in Frankfurt

Am Occupy-Camp vor der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt stellen Polizisten Absperrgitter auf.

(Foto: dpa)

Die Aktivisten haben Blockaden und Belagerungen angekündigt. Sie wollen verhindern, dass Bank-Mitarbeiter am Freitag zu ihren Arbeitsplätzen kommen. Die Stadt hat die Aktionen verboten; noch aber liegt der Streit vor Gericht, eine endgültige Entscheidung könnte erst im letzten Moment fallen. Viele linke Aktivsten haben aber bereits angekündigt, dass sie in jedem Fall anreisen wollen.

Nun wappnet sich die Stadt, am Dienstag marschierten schon einmal Polizisten vor der Europäischen Zentralbank (EZB) auf, die mitten im Zentrum liegt. Sie errichten mehrere Ringe aus Absperrgittern um das Hochhaus, was die Occupy-Aktivisten gleich nebenan in ihrem Zeltlager mit Humor nahmen. Einer will einen Zettel mit "Bitte nicht füttern" an die Gitter hängen, sagt er.

Die Stimmung ist entspannt, doch schon an diesem Mittwochmorgen um acht Uhr könnte sich das ändern. Bis dahin sollen alle Aktivisten das Camp verlassen und der Sicherheitszone um die EZB weichen. Aber sie denken nicht daran. "Wir bleiben alle", hat einer auf ein Sofa gesprüht. Freiwillig gehen sie nicht. Am Vorabend trainierten sie noch, "gewaltfreie Sitzblockade" stand auf dem Programm.

Für die Aktivisten ist die Zentralbank eine der Hauptschuldigen für "die brutale Sparpolitik in Südeuropa". Aber auch die Zentralen von Deutscher Bank und Commerzbank, die nur wenige hundert Meter entfernt liegen, wollen sie lahmlegen.

Banken raten ihren Angestellten zur Tarnung mit Freizeitkleidung

Die Geldhäuser reagieren besorgt und nervös auf die Ankündigungen. In Frankfurt gab es am Dienstag Gerüchte, die Commerzbank erwäge, ihren Turm komplett zu sperren; andererseits habe sie aber Sorge, dass ein verbarrikadierter Eingang die Demonstranten erst recht aggressiv machen könnte. Bei der EZB hieß es nur, man werde "alles Notwendige unternehmen, um die kritischen Funktionen und die Sicherheit der Mitarbeiter und Besucher zu gewährleisten".

Einige Institute raten ihren Angestellten, in Freizeitkleidung zur Arbeit zu fahren, um nicht als Banker erkannt zu werden. Andere, darunter die Commerzbank, empfehlen, am Freitag wenn möglich einen Brückentag zu nehmen oder von zu Hause aus zu arbeiten. "Die Folgen des Ereignisses werden also in die Sphäre der Beschäftigten verlagert, die entweder Freizeit opfern sollen oder es wagen müssen, zwischen die Fronten von Polizisten und Demonstranten zu geraten", kritisiert ein Beschäftigter.

Kleinere Institute machen am Freitag ganz dicht. "Wir sperren zu", sagte ein Sprecher der Privatbank Hauck & Aufhäuser, deren Zentrale unweit der Commerzbank liegt. Auch bei der nahen Privatbank Metzler wird am Freitag nicht gearbeitet. Wichtige Funktionen wie der Handel oder die IT werden in einem zweiten Standort außerhalb des Bankenviertels aufrechterhalten. "Wir profitieren jetzt davon, dass wir nach dem 11. September 2001 Notfallpläne ausgearbeitet haben", sagt ein Sprecher. Nur vereinzelt findet man Beschäftigte, die "Blockupy" auch eine humorvolle Seite abgewinnen können. "Endlich treffe ich mal wieder meine Geschwister", spottet ein Banker.

Die Polizei empfiehlt, "möglichst normal weiterzuleben"

Sven Schallmey kann von seinem Herrenmodegeschäft aus noch die zerborstenen Schaufenster am Nachbarhaus sehen, linke Demonstranten warfen sie Ende März bei einer Demonstration ein. "Schon schlimm", sagt der Verkaufsberater, "wir Einzelhändler werden doch mehr geschädigt als die Banken selbst". Er wird die edlen Krawatten aus der Auslage räumen und den Laden schließen, wie viele in der Innenstadt. Manche wollen ihre Schaufenster auch mit Holzplatten verrammeln. Ein Juwelier sagt: "Ich habe meinen Kunden geraten, am besten gar nicht in die Stadt zu kommen."

Die Polizei sieht das anders, sie empfiehlt den Frankfurtern, möglichst normal weiterzuleben. Um die 5000 Polizisten werden aufmarschieren, schon das zeigt, dass es mit der Normalität eher schwierig wird. Vorsorglich lässt die Stadt sogar einige U- und S-Bahnhöfe im Bankenviertel schließen, auch sie wollten die Aktivisten lahmlegen. Die freuen sich nun, dass ihnen das schon einmal gelungen ist: "So gut können wir die Bahnhöfe nie blockieren wie es die Stadt selbst tut", sagt ein Occupy-Sprecher namens Thomas. Er klingt recht vergnügt.

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