Bitcoin:Gold geschenkt

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Digitale Separatisten wollen die Kryptowährung demokratischer gestalten. Und spalten sie nun auf. Kritiker zweifeln allerdings an der Maßnahme. Sie vermuten dahinter ein doppeltes Spiel der Gründer von Bitcoin Gold. Es geht um Macht.

Von victor gojdka, München

Jack Liao ist ein Separatistenführer, den niemand kennt. Klar, den inzwischen abgesetzten katalonischen Parlamentspräsidenten Carles Puigdemont? Kennt man inzwischen. Der prorussische Rebellenführer Alexander Sachartschenko aus Donezk? Sorgt auch immer wieder für Schlagzeilen. Aber Jack Liao? Es gibt kaum eine Handvoll Videoaufnahmen im Internet, die den Chinesen zeigen. Lächelnd, mit blauem Hemd, unter dem sich sein kleiner Bauch wölbt, am Handgelenk zwei große Uhren. Dieser chinesische Unternehmer schickt sich nun an, die Kryptowährung Bitcoin zu spalten.

Im Universum der Krypto-Enthusiasten führt Liao gerade einen Streit um die Macht. Eine kleine Elite sei im Bitcoin-Universum zu einflussreich geworden, kritisieren er und seine Mitstreiter. Deswegen entschieden sich die Separatisten nun für einen radikalen Schritt: Unter Führung von Liao spalten sie vom Bitcoin ihre eigene Währung ab, den Bitcoin Gold. "Unser Ziel ist es, Bitcoin wieder zu dezentralisieren", schreiben die Gründer des Projekts auf ihrer Internetseite. Viele Experten meinen allerdings: Die ganze Aktion sei fragwürdig, Liao eine halbseidene Figur.

Um diese Diskussion nachzuvollziehen, muss man verstehen, wie Bitcoin funktioniert: Im Unterschied zu Euro oder Dollar ist die Kryptowährung rein digital, es gibt also keine Geldscheine oder Münzen. In einem Netzwerk können sich Teilnehmer direkt, ganz ohne Banken, Geld hin- und hersenden. Diese Transaktionen werden dann anonymisiert in ein digitales Kassenbuch eingetragen, die sogenannte Blockchain. Alle Bitcoin-Nutzer können sie einsehen und so gemeinsam kontrollieren, dass niemand betrügt. Weil es keine besonders spannende Angelegenheit ist, ein Kassenbuch zu führen, bekommen sogenannte Miner dafür Geld als Anreiz.

Trojanische Pferde könnten den Bitcoin von innen zerstören, befürchten Experten

Konnte sich einst jeder Privatmann mit seinem heimischen Rechner als Miner betätigen und Geld verdienen, ist das heute fast ausschließlich spezialisierten, industriellen Hochleistungsrechnern möglich. Denn täglich wird es komplizierter, das Kassenbuch zu pflegen. Für Privatleute ist diese Spezialtechnik kaum erschwinglich, inzwischen haben die vier größten Mining-Organisationen bereits mehr als die Hälfte dieses Geschäfts an sich gerissen.

Mit ihrer Kritik am industriellen Mining treffen die Digital-Separatisten eine wichtige Schwachstelle von Bitcoin. Würde ein einziger Miner etwa 50 Prozent des Mining-Geschäfts kontrollieren, könnte er beispielsweise Zahlungen in seine eigene Tasche umleiten. Das würde das Vertrauen der Nutzer in die Währung zerstören und zu einer Massenflucht aus der Digitalwährung führen. "So könnten gerade die Entwickler anderer Kryptowährungen versuchen, den Bitcoin von innen zu zerstören", sagt Kryptoexperte Alexander Berentsen von der Uni Basel.

Die Initiatoren der Währungsabspaltung wollen daher einen Algorithmus schaffen, der das Monopol der Profi-Miner bricht und praktisch nur herkömmlichen Rechnern erlaubt, das Kassenbuch des Bitcoin-Bruders zu führen. Ihr Plan: Jeder Bitcoin-Halter, der am 24. Oktober Bitcoin in seinem digitalen Portmonee hatte, erhält am ersten November die gleiche Zahl an Bitcoin-Gold-Einheiten - geschenkt.

Viele Experten zweifeln jedoch an dem Spaltungsprojekt und vermuten, dass die Gründer von Bitcoin Gold in Wahrheit ein doppeltes Spiel spielen. Denn Abspaltungs-Intitiator Jack Liao verkauft im Internet ausgerechnet jene Hochleistungsrechner, die das industrielle Mining erst möglich machten. Und speziell für Bitcoin Gold vertreibt er nun auch normale Grafikkarten. Am Ende dürfte Liao doppelt profitieren.

Bevor das Entwicklerteam die Währung für alle Nutzer aufschaltet, will es einen Teil des Geldes als Lohn für ihre Programmierarbeit einbehalten, gaben die Entwickler zu Protokoll. "Wenn sie diese Summe sofort in Dollar umtauschen, machen sie einen guten Schnitt", sagt Bitcoin-Expertin Demelza Hays von der Uni Liechtenstein.

Bislang haben die Entwickler außerdem den Code ihrer Kryptowährung noch nicht veröffentlicht. Damit, kritisieren Experten, widersprechen sie auch ihrem selbstgesetzten Ziel: den Bitcoin zu dezentralisieren. Denn das Herrschaftswissen ist bisher in der Hand eines kleinen Zirkels, den selbst Experten kaum kennen. "Das ist dermaßen intransparent, dass es mir schwerfällt, Vertrauen in diese neue Währung zu fassen", sagt Hays. Die Entwickler gaben auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung zu Protokoll, sie könnten den Code noch nicht veröffentlichen, weil die Arbeit daran nicht abgeschlossen sei.

Neues Allzeithoch: Wegen der Spaltung kostete ein Bitcoin mehr als 6000 US-Dollar

Auf manchen Kryptowährungs-Börsen war Bitcoin Gold bereits vor seinem eigentlichen Start am ersten November handelbar. Die neue Währung ist zwar offiziell noch nicht aufgeschaltet, dennoch wurde bereits zum Stichtag 24. Oktober ermittelt, wie viele Einheiten Bitcoin Gold jeder Nutzer Anfang November gutgeschrieben bekommt. Mit diesen vorausberechneten Anrechten auf Bitcoin-Gold lässt sich bereits jetzt handeln: Im vorläufigen Handel rauschte der Preis des goldenen Währungsbruders von 500 US-Dollar bei Ausgabe auf nun 123 Dollar hinab. Der herkömmliche Bitcoin wiederum hatte sich im Vorlauf der Abspaltung zwischenzeitlich auf über 6000 US-Dollar verteuert. Anleger hatten sich schnell noch damit eingedeckt, um Anfang November Bitcoin Gold geschenkt zu bekommen. Inzwischen ist der Kurs aber bereits wieder auf knapp 5800 US-Dollar gesunken.

Bei Anlegern sorgen solche Abspaltungen indes für Verwirrung, bald soll es nun auch Bitcoin Silver geben. "Viele wollen einfach nur den guten Namen Bitcoin nutzen, um Geld zu machen", sagt Kryptoexpertin Hays. Auch in der digitalen Welt haben alte Weisheiten offenbar weiterhin Gültigkeit: Es ist nicht alles Gold, was glänzt.

© SZ vom 30.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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