Billiglöhne:Tesla soll europäische Arbeiter ausgebeutet haben

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Baumaterial am Tesla-Werk in McCarran im US-Staat Nevada: Das gute Image des Elektroautoherstellers ist in Gefahr. (Foto: David Paul Morris/Bloomberg)

Leiharbeiter verdienten bei Tesla offenbar nur fünf Dollar pro Stunde - der US-Autobauer weist alle Schuld von sich. Auch ein deutsches Unternehmen ist beteiligt.

Von Jürgen Schmieder und Dieter Sürig, Los Angeles/München

Wenn das positive Image des kalifornischen Elektroautoherstellers Tesla in Gefahr gerät, dann greift Firmenchef Elon Musk schon mal persönlich ein: "Da scheint an mehreren Ecken etwas schiefgelaufen zu sein", twitterte er, "ich werde dem nachgehen und es korrigieren". Was war geschehen? Der Elektriker Gregor Lesnik hatte Tesla verklagt, weil er sich 2015 bei einem Arbeitsunfall in der Autofabrik in Fremont die Beine gebrochen und einen Bänderriss im Knie zugezogen hatte. Tesla wehrte sich, Lesnik habe keine adäquate Schutzkleidung getragen. Das zweite Argument Teslas machte aber hellhörig: Lesnik war nämlich gar nicht bei Tesla angestellt. Die örtliche Tageszeitung San José Mercury News fand heraus, dass Lesnik im Auftrag des deutschen Unternehmens Eisenmann in der Tesla-Fabrik arbeitet, angeblich für fünf Dollar Stundenlohn. Die Empörung ist groß. Beschäftigt Tesla über Drittfirmen Billigarbeiter?

In der Tat sei der heute 42-jährige Lesnik mithilfe des Böblinger Anlagenbauers Eisenmann nach Kalifornien gekommen: Das Unternehmen mit 3600 Mitarbeitern und gut 900 Millionen Euro Umsatz hatte vor einem Jahr von Tesla den Zuschlag für den Bau der Lackierfabrik in Fremont bekommen. "Der Auftrag ist der größte in der Geschichte des schwäbischen Familienunternehmens und beläuft sich auf einen dreistelligen Millionenbetrag", jubelte Eisenmann. Nur: Auch Eisenmann hat Lesnik nicht direkt beschäftigt und verwies bei einem Schadensersatzprozess auf das slowenische Unternehmen ISM Vuzem, wo Lesnik angestellt sei. So wie mindestens 140 andere Arbeiter aus Slowenien und Kroatien habe er über Eisenmann ein Arbeitsvisum für die USA bekommen, um als Spezialist für Elektronik amerikanische Arbeiter auszubilden, wie die Zeitung schreibt. Eisenmann zufolge hat Lesnik das Visum für ein anderes Projekt erhalten. Letztlich soll Lesnik jedoch wie die anderen osteuropäischen Kollegen bei Tesla für einen Stundenlohn von gerade einmal fünf Dollar pro Stunde gearbeitet haben.

Fünf Dollar sind weniger als der in Kalifornien festgesetzte Mindestlohn von 7,50 Dollar. "So dürfen Menschen in den Vereinigten Staaten nicht behandelt werden", sagt Lesniks Anwalt William Dresser. Und das Bezirksgericht im kalifornischen Alameda hat nun bestätigt, dass Lesnik seine Sammelklage gegen Tesla und Eisenmann fortführen darf. Demnach hätten die Unternehmen den Arbeitern 2,6 Millionen Dollar weniger bezahlt als vereinbart.

Tesla veröffentlichte sogleich eine Erklärung, die wie eine reuige Entschuldigung daherkommt. "Falls Mr. Lesnik und seine Kollegen tatsächlich nur fünf Dollar pro Stunde verdient haben, dann ist das keinesfalls zu akzeptieren", heißt es darin. "Tesla gehört zu den Unternehmen in der amerikanischen Automobilbranche mit den höchsten Stundenlöhnen. Niemand zwingt uns dazu - wir machen das, weil wir es für richtig halten." Die Kalifornier beteuern gleich mehrfach ihre Unschuld: "Rechtlich gesehen hat Tesla alles richtig gemacht." Und: "Tesla wurde von dem Fall freigesprochen, weil der Richter zum Entschluss kam, dass wir keine Verantwortung für diesen Unfall tragen." Und: "Wir haben eine Firma beauftragt und sie, wie wir das immer tun, vertraglich dazu verpflichtet, alle Gesetze einzuhalten."

Tesla hat einen Ruf zu verlieren und versichert, sich um Lesnik kümmern zu wollen: "Das ist kein juristisches Problem, das ist ein moralisches Problem. Wir sind moralisch dazu verpflichtet, im Zweifel auf Mr. Lesniks Seite zu sein." Schließlich sei es extrem schwer und risikoreich, eine Autofirma aufzubauen. Da dürfe nicht am falschen Ende gespart werden.

Tesla kann also nach eigenem Dafürhalten nichts dafür, dass 140 Arbeiter aus Osteuropa für fünf Dollar pro Stunde in Fremont beim Aufbau einer Lackiererei gearbeitet haben. Man habe nicht einmal gewusst, dass die Arbeiter an sechs Tagen pro Woche Zehn-Stunden-Schichten abgerissen hätten, wie diese vor Gericht aussagten. Auch nicht, dass Lesnik kein "Aufseher für elektrische und mechanische Installationen" war, wie im Visumantrag angegeben, sondern arbeitsloser Elektriker.

Wer aber trägt nun die Verantwortung dafür, dass Arbeiter aus Osteuropa mit fragwürdigen Visa ins Silicon Valley gebracht werden und für weniger als den gesetzlichen Mindestlohn arbeiten? Eisenmann? "Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, wird Eisenmann entsprechende Maßnahmen ergreifen und die Geschäftsbeziehung mit dem Lieferanten einstellen", heißt es in Böblingen. Der Vertrag mit ISM Vuzem beinhalte einen Stundensatz von 55 Dollar, heißt es weiter. Dies "erlaubt es der Firma ISM Vuzem, ihre Mitarbeiter marktüblich zu vergüten". Die Schwaben haben die Wirtschaftsprüfer von KPMG damit beauftragt, die Sache aufzuklären. Das fragliche Projekt sei bereits beendet. Aus Slowenien ist nur zu hören, dass man den Untersuchungen nicht vorgreifen wolle.

© SZ vom 20.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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