Bilanz des Bundeskriminalamts:Wirtschaftskriminelle richten Rekordschaden an

Betrügereien im Netz, Untreuedelikte oder falsche Angaben rund um Kapitalanlagen: Straftäter haben ihre Opfer im vergangenen Jahr in Deutschland um insgesamt 4,6 Milliarden Euro gebracht. Besonders hohen Zuwachs verzeichneten Internet-Straftaten.

Daniela Kuhr

Es ist eine beliebte Masche: Erst spähen die Täter mit raffinierten Computerprogrammen die Zugangsdaten für ein Nutzerkonto bei einem Online-Auktionshaus aus. Dann melden sie sich unter falschem Namen an und starten eine Auktion. Die angebotene Ware existiert aber gar nicht. Hat ein Verbraucher sie ersteigert, behauptet der Anbieter, es gäbe technische Probleme bei der Hausbank, deshalb solle der Käufer den Betrag auf ein Auslandskonto überweisen. Und damit ist das Geld weg. "Auf die Ware wartet der Kunde natürlich vergeblich", sagt Jörg Ziercke, Präsident des Bundeskriminalamts. "Und weil es sich um ein Auslandskonto handelt, hat er auch keine Chance, sein Geld zurückzuverlangen."

German BKA president Ziercke addresses news conference in Berlin

Warnte vor zunehmender Internet-Kriminalität: BKA-Chef Ziercke.

(Foto: REUTERS)

Knapp 103.000 Fälle von Wirtschaftskriminalität wurden im vergangenen Jahr in der polizeilichen Kriminalitätsstatistik erfasst, 1,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Diese Zahl allein könne aber das Ausmaß von Wirtschaftskriminalität noch nicht veranschaulichen, sagte Ziercke am Mittwoch in Berlin bei der Vorstellung des Bundeslagebilds Wirtschaftskriminalität 2010. Das werde erst deutlich, wenn man sich den verursachten Schaden ansehe, um den es gehe: So hätten Wirtschaftskriminelle im vergangenen Jahr in Deutschland Schäden in Höhe von 4,655 Milliarden Euro verursacht - laut Ziercke der höchste Betrag der vergangenen sechs Jahre.

Vergleicht man das mit den Gesamtschäden, die durch Kriminelle angerichtet wurden, so macht die Wirtschaftskriminalität davon immerhin 55 Prozent aus. Und das sei nur die Dunkelziffer, sagte Ziercke. Viele Fälle würden gar nicht erst angezeigt, entweder weil sich die Opfer schämten oder weil Schwarzgeld mit im Spiel sei.

Es dauert nie lange, bis Kriminelle auf neue Ideen kommen

Besonders häufen sich die Fälle, in denen Wirtschaftskriminalität im Netz ausgeübt wird: In gut 31.000 Fällen, und damit in etwa jedem dritten Fall, nutzten die Täter das Internet als Tatmittel, beispielsweise für Betrug wie im Fall der Online-Auktion. Diese Internet-Straftaten haben um beeindruckende 190 Prozent zugenommen.

Ziercke führt das vor allem auf zwei Gründe zurück. Zum einen sei die Internet-Kriminalität im Jahr zuvor, also 2009, kurzzeitig deutlich zurückgegangen, was unter anderem an einigen Festnahmen und neuen Sicherheitssystemen für Online-Banking gelegen habe. Doch da es nie lange dauert, bis Kriminelle auf neue Ideen kommen, nimmt die Anzahl der Straftaten nach so einem Einbruch auch schnell wieder zu. "Der Anstieg spiegelt aber auch das geänderte Konsumverhalten der Verbraucher wider", sagte der BKA-Präsident. Je mehr Menschen im Internet einkauften, buchten, bestellten, umso interessanter werde das Medium für Kriminelle.

Die Anzahl der Delikte im Zusammenhang mit Kapitalanlagen ging dagegen deutlich zurück (um etwa 38 Prozent). Daraus wollte Ziercke allerdings keinen Trend ablesen, sondern führte es darauf zurück, dass im Vorjahr ein paar größere Fälle aufgeflogen waren, die die Fallzahlen in die Höhe hatten schnellen lassen.

Insgesamt lag die Aufklärungsquote im Bereich der Wirtschaftskriminalität bei 91 Prozent. Laut Ziercke könnte sie höher liegen, wenn noch mehr Geld in Personal, Fachkompetenz, Spezialisten und technische Ausrüstung gesteckt würde. Eine Investition, die sich lohnen würde: Denn im vergangenen Jahr wurde bei Wirtschaftskriminellen gerade mal ein Vermögen von 379 Millionen Euro vorläufig gesichert. "Ein deutliches Missverhältnis, wenn man sich die Schadenssumme von 4,65 Milliarden Euro vor Augen hält", sagte Ziercke.

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