Big Data:Besser investieren mit Twitter

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Always-on: Menschen hängen oft über ihren Smartphones, wie hier thailändische Models vor einem Auftritt in Bangkok. Das will die Finanzbranche nutzen. (Foto: Narong Sangnak/dpa)

Die Finanzbranche untersucht das Verhalten der Menschen in sozialen Netzwerken. Eine Auswertung der Daten könnte dazu beitragen, das Geld profitabler anlegen zu können.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Es war vor etwa zehn Jahren, da begannen die ersten Finanzfirmen, die Nachrichten im Internet nach brauchbaren Informationen zu durchforsten. Diese Technologie, man spricht vom Natural Language Processing, erlaubte es beispielsweise, Berichte über ein börsennotiertes Unternehmen zu klassifizieren: in positive und negative Schlagzeilen. Wenn Ersteres überwog, so würde das den Kauf der Aktie nahelegen, bei Letzterem den Verkauf.

Die Datenanalysefirma Ravenpack erinnert in einem Aufsatz an die "naiven" Ursprünge der Datenanalyse in der Finanzwirtschaft. Heutzutage, mit viel mehr Rechnerkapazität im Rücken, sei die Textanalysetechnologie sehr fortschrittlich. Man würde selbst soziale Mediendienste wie Twitter analysieren, um diese Informationen in den Entscheidungsprozess für eine profitable Investmententscheidung einfließen zu lassen.

Twitter, Google, Amazon, Facebook - dort, wo viele Menschen einkaufen, nach Informationen suchen und ihr Innerstes nach außen kehren, sind Firmen aus der Konsumgüterindustrie schon lange unterwegs. Jetzt sieht auch die globale Finanzindustrie in Big Data eine Chance.

Unter dem Begriff Big Data versteht man Massendaten, die so komplex sind, dass sie besonderer Analysewerkzeuge bedürfen. Unternehmen haben großes Interesse daran zu wissen, wie potenzielle Kunden über die Konzernprodukte reden, etwa auf Twitter oder Facebook. Auch Suchanfragen auf Google, wenn zum Beispiel sehr häufig nach dem Wort "Kündigungsschutz" gesucht wird, können Aufschluss über die Grundstimmung in der Gesellschaft geben.

"Wir haben vor fünf Jahren das erste Mal mit Big Data gearbeitet. Durch diese Erkenntnisse konnten wir in dieser Periode die beste Performance unserer Fonds erreichen", sagt Kevin Franklin, Datenexperte der weltweit größten Investmentfirma Blackrock. Franklin sagt: "Big Data in der Investmentbranche ist keine Option, es ist ein Muss." Franklin sitzt mit seinen Kollegen in einem Büro in San Francisco. Dort an der US-Westküste sind Google und andere Internetfirmen nicht weit. Franklin arbeitet in einem Big-Data-affinen Umfeld. Aktuellen Branchenschätzungen zufolge beschäftigt sich erst ein kleiner Teil der weltweiten Fondsindustrie, etwa 15 Prozent, mit diesem Thema. "Die meisten Leute verlassen sich immer noch auf Meinungsumfragen, die auf einer repräsentativen Umfrage basieren", sagt Franklin. "Big Data erlaubt es, die gesamte Stichprobe, sprich alle Menschen, zu analysieren."

Die entscheidende Frage ist, welchen Quellen im Internet man überhaupt trauen kann

Nun ist es kein Geheimnis, dass Daten allein nicht viel aussagen. "Etwa 90 Prozent der weltweiten Daten sind unstrukturiert", so Peter Hafez, Direktor bei Ravenpack. Neben den klassischen Textdaten sind mittlerweile Audio, Bilder und die digitalen Spuren der Internetnutzer dazugekommen. "Es kommt auf die Werkzeuge an, diese Daten zu analysieren", so Hafez. "Um beispielsweise ein Analysemodell für den Rohölmarkt zu entwickeln, bräuchte man strukturierte Daten zu den Preisen und Mengen, zur Nachfrage, zum Angebot, zur Verschiffung, zu den Wetterbedingungen und so weiter." Hafez verweist auch auf mögliche Probleme: So könnte es Doppelzählungen geben. Manchmal würden ausreichend lange zurückgehende historische Daten fehlen. Darüber hinaus stünde man vor der Frage, welchen Quellen im Internet man überhaupt trauen könne, und wie man erkenne, ob etwa Twitter-Konten gehackt und manipuliert worden seien, gibt er zu bedenken.

"Die bei Google oder Twitter gewonnen Einsichten sowie die Möglichkeit, Tausende Pressemitteilungen sofort aussieben zu können, das ist in der Investmentbranche ein wichtiger Vorteil, um vernünftige Anlagenentscheidungen zu treffen", sagt Blackrock-Experte Franklin. "Natürlich gibt es in der Datenwelt auch sehr viel nutzlose Information, aber es ist heutzutage möglich, daraus die wichtigen Fakten herauszudestillieren."

© SZ vom 10.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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