Biermarkt:Kleiner großer Riese

AB Inbev ist der größte Brauerei-Konzern der Welt. Ausgerechnet in Deutschland gibt es Probleme. Der neue Chef will jetzt durchgreifen.

Von Caspar Busse und Jan Schmidbauer

Das Ziel könnte größer kaum sein. Das "erste wahre globale Bierunternehmen" solle AB Inbev werden, sagte vor eineinhalb Jahren Konzernchef Carlos Brito. Von diesem Ziel ist das Unternehmen nicht mehr weit entfernt. Nach der 100-Milliarden-Dollar-Übernahme des Konkurrenten SAB Miller und einer ganze Reihe von Fusionen und Zukäufen ist AB Inbev inzwischen der unangefochtene Marktführer. Mit seinen 500 Bieren (darunter weltweit bekannte wie Budweiser, Stella-Artois, Miller, Corona, Beck's) kommt der Brauereikonzern auf einen Weltmarktanteil von etwa 30 Prozent.

Nur in Deutschland ist AB Inbev bislang abgeschlagen. Ausgerechnet im Land der Biergärten und des Reinheitsgebots kommt der Konzern mit einem Anteil von etwa neun Prozent nur auf Rang Zwei. Marktführer ist die zum Oetker-Konzern gehörende Radeberger-Gruppe, zu der neben dem eigenen Bier noch Sorten wie Jever oder das Berliner Pilsener gehören. "Der deutsche Biermarkt ist eine besondere Herausforderung. Es gibt sehr viele Brauereien und Anbieter, der Wettbewerb ist sehr hart", sagte Harm van Esterik, der Süddeutschen Zeitung.

Biermarkt: Biergarten im Regen: Getrunken wird immer, aber mehr noch, wenn der Sommer heiß ist.

Biergarten im Regen: Getrunken wird immer, aber mehr noch, wenn der Sommer heiß ist.

(Foto: Catherina Hess)

Der Niederländer ist seit Jahresanfang Deutschland-Chef von AB Inbev - und will jetzt durchgreifen. An den Münchner Marken Löwenbräu und Spaten will er zwar festhalten. Dafür kann sich van Esterik einen Verkauf der beiden bundesweit bekannten Marken Hasseröder aus dem Harz und Diebels vom Niederrhein vorstellen. "Wir sprechen mit einer begrenzten Zahl von Investoren", sagt er. Diese könnten möglicherweise "eine fokussiertere Strategie für die beiden Marken fahren". Aber man sei noch in einem "sehr, sehr frühen Stadium". Ein Verkauf könnte AB Inbev laut Spekulationen rund 200 Millionen Euro einbringen. Aber das Unternehmen würde beim Absatz weiter zurückfallen.

"Ein steigender Marktanteil ist für mich nicht das wichtigste Ziel", sagt van Esterik dazu. Neue Übernahmen in Deutschland seien derzeit nicht geplant. Stattdessen will sich der Konzern auf seine bekanntesten Marken Beck's und Franziskaner konzentrieren, außerdem will van Esterik das mexikanische Corona, das ebenfalls zum Weltkonzern gehört, in Deutschland populärer machen. "Diese Marken werden wir national bewerben", so van Esterik. Für alle anderen deutschen Marken des Konzerns bleibt dann weniger von den Werbemillionen. Der Brauereikonzern will es in Deutschland also mit einer neuen Strategie probieren: Statt immer mehr Bier zu verkaufen und nur den Absatz zu steigern, will AB Inbev sich künftig auf die großen Marken konzentrieren und mehr Geld mit diesen verdienen. "Die größere Herausforderung ist die Verbesserung der Profitabilität", sagt van Esterik.

Biermarkt: Harm van Esterik, 49, hat 1993 als Trainee bei AB Inbev angefangen und leitet seit dem 1. Januar 2017 das Deutschland-Geschäft. Davor war er für die Niederlande zuständig.

Harm van Esterik, 49, hat 1993 als Trainee bei AB Inbev angefangen und leitet seit dem 1. Januar 2017 das Deutschland-Geschäft. Davor war er für die Niederlande zuständig.

(Foto: OH)

Das allerdings ist ein ambitioniertes Ziel. Denn der deutsche Biermarkt ist besonders hart umkämpft. Die Durchschnittspreise würden unter den vielen Angeboten im Handel leiden, räumt auch van Esterik ein. Zuletzt wurden nach Angaben der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) etwa 75 Prozent der Kisten im Sonderangebot verkauft, oft für weniger als zehn Euro. Und das Klima wird rauer. Die Firma Fristo, die mehr als 200 Getränkemärkte in Süd- und Ostdeutschland betreibt, hat die Produkte von AB Inbev jetzt sogar vollständig aus dem Sortiment genommen. Gestritten wird um die Preise bei Sonderverkäufen, die AB Inbev angeblich beeinflussen wollte. Der Konzern weist die Vorwürfe zurück.

Fest steht: Gerade die großen Pilsmarken, wie Warsteiner, Krombacher und Beck's, sind von dem extremen Preisverfall hart getroffen und versuchen nun mit allen Mitteln, diesen zu stoppen. Dazu kommt, dass der Absatz bei Pils-Bieren in Deutschland deutlich rückläufig ist. Bei den Brauereien ist man sich weitgehend einig, dass die niedrigen Preise auf Dauer ungesund sind und den Wert des eigenen Produkts weiter beschädigen. Eine überzeugende Antwort hat aber noch niemand gefunden.

Biertrinker bleiben einer Marke nur noch selten treu - und wechseln munter die Sorten

Fest steht allerdings auch: Die Brauereien tragen eine gewisse Mitschuld an der Situation. Es ist ja nicht nur der nachlassende Bierkonsum der Deutschen, der die Preise unter Druck gesetzt hat. Es waren auch die Brauereien selbst, die den Markenwert ihres Bieres beschädigt haben. Gemeinsam mit dem Einzelhandel haben sie die deutschen Biertrinker zu Schnäppchenjägern erzogen. Die vielen Rabattaktionen haben das Einkaufsverhalten der Kunden nachhaltig verändert: Biertrinker bleiben ihrer Marke nur noch selten treu. Stattdessen wechseln sie munter die Sorten. Sie trinken das, was gerade billig ist oder stellen sich gleich den Keller voll, wenn das Lieblingsbier im Angebot verkauft wird. Der leicht verwechselbare Geschmack vieler Pilsmarken tut sein Übriges.

Anders sieht die Lage bei kleineren, regional aktiven Brauereien und bei anderen Biersorten aus. Insgesamt gibt es in Deutschland rund 1500 Brauereien, viele machen in ihren Nischen sehr gute Geschäfte, Beispiele sind Tegernseer, Augustiner aus München oder die Badische Staatsbrauerei Rothaus. Dazu kommen immer mehr kleine Craft-Brauereien.

Gute Geschäfte verspricht auch der Trend zu alkoholfreiem Bier, das gesünder ist und weniger Kalorien enthält. Auch AB Inbev will davon profitieren. "Unser Sortiment mit alkoholarmen- und -freien Bier wächst derzeit insgesamt um zehn bis 15 Prozent im Jahr", sagt van Esterik. "Das ist eine Chance vor allem für unsere Marken Beck's und Franziskaner." Denn immerhin ist Deutschland mittlerweile weltweit der zweitgrößte Markt für alkoholfreies Bier - hinter Iran.

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