Bier:Ein Rausch sieht anders aus

Beer Tasting - Oktoberfest 2016

Das Oktoberfest in München ist für die Brauereien der Stadt immer ein gutes Geschäft.

(Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images)

Der Absatz sinkt weiter, viele Brauereien müssen kämpfen. Viele Kunden kaufen nur, wenn es ihre Marke gerade im Sonderangebot gibt.

Von Caspar Busse, Benedikt Müller und Jan Schmidbauer

Es gibt Menschen, die können den Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft kaum mehr abwarten. Deutschlands Bierbrauer dürften dazugehören. Die Großveranstaltung, die von Mitte Juni bis Mitte Juli in Russland stattfindet, wird sich aller Voraussicht nach positiv auf den Bierkonsum in Deutschland auswirken. Viele werden sich ein kühles Pils oder ein Helles genehmigen, wenn sie am Fernseher die Spiele verfolgen.

Positive Nachrichten kann die deutsche Bierbranche auch dringend gebrauchen. Seit Jahren ist der Absatz rückläufig, die Preise sind unter Druck, kurz gesagt: Es steht nicht gut ums deutsche Bier. Besonders die Hersteller sogenannter Fernsehbiere - die, die besonders viel Geld in TV- und andere Werbung stecken, um den Absatz anzukurbeln - leiden. Zu den Gewinnern gehören derzeit eher kleinere, Spezial- und Craft-Brauereien. Auch der Absatz von alkoholfreiem Bier und Mischgetränken steigt weiter.

Die Zahlen, die der deutsche Brauerbund gerade veröffentlicht hat, bestätigen jedenfalls eine für die Branche besorgniserregende Entwicklung: Deutsches Bier verkauft sich erheblich schlechter als in früheren Jahren. Seit 1991 ist der Absatz von 118 auf nun 94 Millionen Hektoliter gesunken, ein Minus von rund 20 Prozent. Ein Hektoliter sind hundert Liter. 2017 verkauften die Brauereien erneut zwei Prozent weniger. Selbst die Verkäufe ins Ausland, die in den Vorjahren noch zugelegt hatten, waren im vergangenen Jahr wieder rückläufig.

Ein Großteil der Kunden kauft nur dann, wenn die Marke im Sonderangebot ist

Doch warum verkauft die Biernation Deutschland immer weniger Bier? Nach Ansicht des Brauerbundes ist unter anderem das Wetter schuld am schlechten Geschäft. Der Verband spricht von einem "verregneten Jahr 2017" - es klingt fast schon melancholisch. Der durchwachsene Sommer habe im vergangenen Jahr weniger Menschen in die Biergärten gelockt, sportliche Großereignisse gab es auch nicht. Doch es sind auch die gesellschaftlichen Entwicklungen, die den Brauereien zusetzen. Zum einen leiden sie unter dem demografischen Wandel: Ältere Menschen trinken tendenziell weniger Bier als jüngere. Zum anderen greifen viele gesundheitsbewusste Kunden mittlerweile zu alkoholfreiem Bier, das in der Absatzstatistik nicht berücksichtigt wird. Sechs Prozent der Biere werden heute ohne Alkohol verkauft - Tendenz steigend.

Einen Teil der Probleme hat sich die Branche auch selbst zuzuschreiben. Der Preiskrieg, den sich viele Brauer - befeuert vom Einzelhandel - seit Jahren liefern, hat das Image einiger Marken ramponiert. Ein Großteil der Konsumenten fährt nur zum Getränkemarkt, wenn die Lieblingssorte im Sonderangebot ist. Der Brauerbund macht vor allem die großen Supermarktketten für die Situation verantwortlich. "Wir verfolgen den wertvernichtenden Preiskampf zwischen den großen Handelsketten seit Jahren mit wachsender Sorge", sagt Holger Eichele, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauerbundes. "Der Handel sollte sich die Frage stellen, ob er sich mit seiner chronischen Aktionitis einen Gefallen tut."

Viele Brauer haben es dem Einzelhandel allerdings auch leicht gemacht. Um möglichst viele Hektoliter loszuwerden, haben sie Biere für die Masse gebraut, ein Teil der Marken ist aus Sicht der Kunden nun austauschbar. Viele Verbraucher bleiben "ihrer" Marke nicht mehr treu, sondern kaufen lieber das, was gerade im Sonderangebot verramscht wird, oft für weniger als zehn Euro pro Kasten.

Hasseröder und Diebels wurden gerade an einen Finanzinvestor verkauft

Kleinere und regionale Marken, die weniger als 100 000 Hektoliter im Jahr absetzen, legen aber gegen den Trend zu, es gibt viele Beispiele. Auch die Münchner Augustiner-Brauerei ist beliebt bei Jüngeren und wird bundesweit nachgefragt. Im äußersten Norden hat die Flensburger Brauerei, die ein sehr herbes Pils braut, im vergangenen Jahr acht Prozent mehr Bier verkauft. Deutschlands drittgrößte Brauerei Veltins aus dem Sauerland konnte den Umsatz ebenfalls steigern. Bei Marken wie Warsteiner oder Beck's ist der Absatz dagegen nach Schätzungen rückläufig.

Zwei traditionsreiche deutsche Biermarken, die ebenfalls Probleme hatten - Hasseröder und Diebels - haben gerade den Besitzer gewechselt. Der hessische Finanzinvestor CKCF steigt ein, Verkäufer ist der weltgrößte Brauerkonzern AB Inbev, zu dem neben Beck's auch Corona oder Franziskaner gehören. Experten rechnen angesichts des Absatzrückgangs mit weiteren Eigentümerwechseln.

Die Stimmung ist also nicht gut. Es gehe beim Bierabsatz "eher abwärts als aufwärts", sagt Michael Huber, Generalbevollmächtigter von Veltins. Auch Brauerbund-Chef Eichele meint: "Man muss keine Glaskugel besitzen, um zu ahnen, dass der Bierabsatz in Europa weiter sinken wird." Darauf stelle man sich eben ein.

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