BGH-Urteil:Anonyme Ärzte-Bewertung - BGH verpflichtet Portale zu gründlicher Prüfung

Die Seitenbetreiber müssen auf Verlangen künftig Nachweise vorlegen, ob ein Nutzer tatsächlich beim bewerteten Arzt in Behandlung war.

Betreiber von Bewertungsportalen können eine Pflicht zur Nachforschung haben, wenn Betroffene eine Bewertung für unbegründet halten. Das geht aus einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) hervor. Im konkreten Fall fordert ein Zahnarzt vom Bewertungsportal jameda.de die Entfernung einer anonym verfassten Bewertung. Der Arzt beruft sich darauf, dass die Person, die die Bewertung verfasst hat, gar nicht bei ihm in Behandlung gewesen sein soll. Mit seiner Klage verlangt der Arzt von Jameda, die Bewertung nicht mehr zu verbreiten oder verbreiten zu lassen.

Das Landgericht hatte der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hatte sie abgewiesen. Doch der BGH hat den Fall nun an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Jameda hätte die Beanstandung des betroffenen Arztes dem Bewertenden übersenden und ihn dazu anhalten müssen, die angebliche Behandlung möglichst genau zu beschreiben, urteilten die Richter. Außerdem hätte das Portal die Pflicht gehabt, vom Nutzer Belege für die Behandlung einzuholen.

Worum geht es in dem Verfahren genau?

Die jüngste Entscheidung der Richter legt nahe, dass Bewertungsportale nachforschen müssen, ob ein Patient bei einer anonymen Bewertung tatsächlich in Behandlung des betroffenen Arztes war. Fraglich ist, wie dieser Beweis funktionieren soll. Das Portal hätte beispielsweise Bonushefte, Rezepte oder sonstige Indizien einholen können, urteilten die Richter. Jameda fürchtet allerdings um die Anonymität seiner Nutzer: Von solchen Nachweisen, auch wenn sie anonymisiert würden, könne allzuleicht auf die Identität des Nutzers geschlossen werden. Manche Patienten hätten auch gar keinen Nachweis - "Kassenpatienten etwa bekommen keine Rechnung", gibt eine Jameda-Sprecherin zu bedenken.

Warum ist Anonymität den Bewertungsportalen so wichtig?

Wer etwa Ärzte bewertet, will in der Regel anonym bleiben. Nur dann stellt er seine Bewertung auch ins Netz. Je mehr Bewertungen wiederum in einem Portal hinterlegt sind, desto größer der Nutzen - sowohl für die User, als auch für die Betreiber. "Gerade im sensiblen Gesundheitsbereich ist es wichtig, dass Patienten sich sicher sein können, dass ihre Anonymität zu jeder Zeit gewahrt ist", heißt es von Jameda. Schließlich wolle niemand seinen Namen lesen, wenn er zum Beispiel bei einer Darmspiegelung war.

Dann müssen sich Ärzte oder Anwälte also damit abfinden, dass sie im Netz bewertet werden?

Alles müssen sie sich nicht gefallen lassen. Wenn jemand auf einer Plattform Falschbehauptungen aufstellt, kann der Betroffene diese beim Portal-Betreiber melden. Der umstrittene Eintrag muss dann geprüft und - gegebenenfalls immer wieder - zeitnah gelöscht werden. Ergibt die Überprüfung keinen Verstoß gegen geltende Gesetze, darf der Beitrag aber wieder online gehen. Man kann den anonymen Kommentator jedoch auch anzeigen - etwa wegen Beleidigung. Sobald dann ein entsprechender richterlicher Beschluss vorliegt, muss der Betreiber die Daten des anonymen Bewerters herausrücken.

Gibt es zu dem Thema denn schon höchstrichterliche Entscheidungen?

Ja. Am wichtigsten ist dazu ein Grundsatzurteil des BGH vom Juli 2014. Demnach müssen Internetdienste die Daten anonymer Nutzer nur in ganz bestimmten Fällen herausgeben - nämlich nur dann, wenn Behörden ermitteln oder Urheberrechte durchgesetzt werden sollen. Es reicht nicht, wenn sich etwa ein bewerteter Arzt oder Handwerker in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt fühlt und deswegen Namen und Anschrift des Bewerters möchte.

Können Firmen sich denn zumindest aus einem Bewertungsportal streichen lassen, wenn sie dort nicht bewertet werden wollen?

Nein, auch dazu hat der BGH im September 2014 bereits geurteilt und es einem Gynäkologen nicht erlaubt, seine Daten aus dem Gesundheitsportal Jameda löschen zu lassen. Das öffentliche Interesse sei höher zu bewerten als das Recht des Arztes auf informelle Selbstbestimmung.

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