Wirtschaftskrise:Draghi redet den Euro schwach

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Draghis Euro-Kurs: Zum Vergrößern bitte klicken.

EZB-Präsident Mario Draghi verkündet heute, ob die Zentralbank riskante Papiere kauft. Nie würde er es zugeben - aber sein gesamtes Handeln ist darauf ausgerichtet, den Euro zu schwächen. Das freut die Franzosen.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Wenn Mario Draghi sich über eine Entwicklung an den Finanzmärkten Sorgen macht, dann wissen Anleger und Spekulanten: Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) äußert sich nie ohne Not - und er tut im Notfall sehr viel, manchmal auch alles, um ein Problem an den Finanzmärkten zu lösen.

Es war Anfang Mai, als Draghi erstmals seine "ernste Sorge" über die Stärke des Euro im Devisenhandel zum Ausdruck brachte. Damals notierte die Gemeinschaftswährung bei 1,38 US-Dollar, und aus Frankreich erschallte fast täglich der Ruf, die Europäische Notenbank möge den Euro abwerten. Arnaud Montebourg äußerte sich so, der geschasste Industrieminister, aber auch Ministerpräsident Manuel Valls. Noch Anfang Juli verkündete Valls: "Der Euro ist überbewertet, was schlecht für die Industrie und das Wachstum ist."

Seither ist einiges passiert: Die EZB senkte die Leitzinsen in zwei Schritten auf ein noch nie da gewesenes Niveau, auf 0,05 Prozent. Und auch der Euro hat in den vergangenen fünf Monaten kräftig an Wert verloren, alles in allem zehn Prozent: Am Mittwoch fiel er unter 1,26 Dollar. Das ist der niedrigste Stand seit zwei Jahren.

Das ist ein bemerkenswerter Vorgang an den Devisenmärkten, wo Kursschwankungen bei Leitwährungen häufig im Nachkommabereich gemessen werden. Die Finanzmärkte, so scheint es, haben Draghi genau zugehört. Sie haben verstanden, in welche Richtung er den Euro lenken will.

Und Draghi? Hat der EZB-Präsident zuvor Frankreich zugehört?

Natürlich würde er das bestreiten. Die EZB pocht, ebenso wie die Bundesbank, auf ihre Unabhängigkeit. Eher ist es so, dass man in Paris und im Frankfurter Euro-Tower zur gleichen Zeit zu ähnlichen Erkenntnissen gekommen ist. Im EZB-Rat verfolgen die meisten die Schwächung des Euro jedenfalls mit Freude. Das Gremium mit 24 Mitgliedern trifft sich am Donnerstag zu seiner Monatssitzung in Neapel, und es ist naheliegend, dass Draghi danach bei der Pressekonferenz versuchen wird, den Euro noch mehr "herunterzureden".

2000 hieß es noch: den Euro mit hohem Aufwand stützen

Denn Zentralbanker spielen ihre Macht nicht nur mit Zinsen und anderen Instrumenten aus, sondern auch mit Worten - die Börsianer hängen an ihren Lippen. Mal müssen die Notenbanker die Märkte dabei in die eine Richtung bewegen, mal in die andere: Im Jahr 2000 hatte die EZB noch mit viel Geld an den Devisenbörsen interveniert, um den Euro zu stützen. Jetzt tut sie alles, um ihn zu schwächen.

Die Situation ist ungewöhnlich, weil die Inflation in der Eurozone mit 0,3 Prozent sehr niedrig ausfällt - und damit deutlich unter der von der EZB angestrebten Rate von zwei Prozent liegt. Draghi möchte die Teuerung steigern, um eine Deflation zu verhindern, die im schlimmsten Fall eine erneute Rezession auslösen könnte. Und das geht so: Ein schwächerer Euro verteuert die Importe, das erhöht den Preisdruck. "Man importiert also Inflation", sagt Martin Moryson, Chefvolkswirt der Bank Sal. Oppenheim. "Der schwache Euro ist ein Kollateralnutzen der Geldpolitik, den die EZB gerne mitnimmt. So wird auch noch der Export angekurbelt."

Die Schwäche des Euro ist zugleich auch Ausdruck der Stärke des Dollar. Denn die Wirtschaft wächst in den USA deutlich schneller als in der Eurozone. Zudem deutet sich an, dass die Notenbank Federal Reserve im nächsten Jahr den Leitzins anheben wird. Das erhöht die Nachfrage nach US-Dollar - zulasten des Euro.

Die Franzosen freut's. Der Reformdruck schwindet

Draghi und seine Kollegen bei der EZB haben, um Europas Wirtschaft anzukurbeln, deshalb nicht nur die Zinsen gesenkt. Sie pumpen zudem über ein sehr günstiges Kreditprogramm 400 Milliarden Euro in die Banken, damit diese mehr Kredite vergeben können. Zudem möchte die EZB den Banken von Oktober an Kreditverbriefungen abkaufen, sogenannte ABS-Papiere, damit die Institute noch mehr Luft für neue Kredite an Unternehmen haben.

Draghi wird am Donnerstag Details zu den ABS-Käufen bekannt geben, die ein Volumen von mehreren Hundert Milliarden Euro haben sollen. Dem Vernehmen nach zielt die Maßnahme vor allem auf Italien und Spanien, wo Banken traditionell stark mit ABS gearbeitet haben, der Markt dort aber derzeit nicht funktioniert. Die Financial Times berichtete am Mittwoch, Draghi wolle auch griechischen und zyprischen Banken die Risikopapiere abkaufen und die Qualitätsanforderungen der EZB entsprechend ändern. Hierüber könnte es im EZB-Rat Streit mit Bundesbankpräsident Jens Weidmann geben, denn dieser lehnt diese Hilfsaktion für die Banken ab.

"Keine weiteren Anstregungen von den Franzosen gefordert"

"Draghis Maßnahmen funktionieren sowieso nur, wenn die Staaten Strukturreformen machen, vor allem Italien und Frankreich", sagt Chefvolkswirt Moryson. Das bedeutet: Die schwächelnden Länder in der Euro-Zone müssten ihre Wirtschaft reformieren und die Staatsverschuldung zurückfahren - und das kann dauern.

In Paris und anderswo ist man derzeit froh, dass Draghi und die EZB den Reformdruck mit viel billigem Geld mildern. So verkündete der französische Finanzminister Michael Sapin am Mittwoch bei der Vorlage seines Haushaltsplans: "Wir haben die Entscheidung getroffen, das Tempo beim Abbau des Defizits der wirtschaftlichen Lage im Land anzupassen." Und er fuhr fort: "Wir ändern unsere Politik nicht, aber wir fahren das Defizit langsamer als geplant zurück angesichts der wirtschaftlichen Umstände." Im Haushaltsplan heißt es sogar: "Es werden keine weiteren Anstrengungen von den Franzosen gefordert."

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