Betrug:Einfach weg

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Ein koreanischer Mitarbeiter von ABB verschwindet mit 100 Millionen Dollar. Dem Schweizer Konzern ist das äußerst peinlich. Der Mann habe "nicht im Einklang mit den Business Standards" gehandelt, teilt das Unternehmen mit.

Von Charlotte Theile, Zürich

Der Schweizer Technologiekonzern ABB hat am Mittwoch einen internen Betrugsfall öffentlich gemacht. Ein Manager einer südkoreanischen ABB-Tochterfirma verschwand vor zwei Wochen - und mit ihm 100 Millionen Dollar (95 Millionen Euro). Der frühere Finanzchef wird verdächtigt, Unterlagen gefälscht, Unternehmensgelder veruntreut und unterschlagen zu haben. Von ABB heißt es dazu, der Mann habe nach allem, was man wisse, "nicht im Einklang mit den Business Standards" des Unternehmens gehandelt, was wie eine gigantische Untertreibung erscheint. Sowohl die südkoreanischen Behörden als auch die Organisation Interpol sind inzwischen in die Ermittlungen einbezogen worden. Vor zwei Wochen hatte ABB für das vergangene Jahr Gewinn von 1,9 Milliarden Dollar veröffentlicht, das muss revidiert werden. Die neuen Zahlen werden für Mitte März erwartet.

Der Schweizer Siemens-Konkurrent will darüber hinaus möglichst wenig zu dem Verdächtigen sagen. Die Mitarbeiter in Südkorea seien ebenfalls am Mittwoch Morgen über den Vorfall unterrichtet worden. Im Moment ist das Unternehmen mit Anwälten und Versicherungen in Kontakt, man versucht, die Ausfälle für den Konzern möglichst gering zu halten. Obgleich es sich bei den veruntreuten Geldern um eine hohe Summe handelt, wird das Unternehmen ABB den Fall wohl weitgehend unbeschadet überstehen. Mit 132 000 Mitarbeitern und liquiden Mitteln von fast sechs Milliarden Dollar ist der Konzern wohl groß genug, um den Verlust auszuhalten.

Das Verhalten des Mannes stehe "nicht im Einklang mit den Business Standards", teilt ABB mit

Schwerer dürfte der Imageschaden wiegen: In einem Brief an die Mitarbeiter schreibt ABB-Chef Ulrich Spiesshofer: "Die finanziellen Folgen dieses kriminellen Verhaltens sind eine Seite", viel schädlicher "könnte die Wirkung sein, den dieses Verbrechen auf das Image von ABB hat." So betont das Unternehmen am Mittwoch denn auch, man unterhalte "in Bezug auf unethisches Verhalten eine Nulltoleranzstrategie" und habe höchste Standards, was "Integrität und ethisches Geschäftsverhalten" angehe.

Was den südkoreanischen Mitarbeiter betrifft, geht ABB von persönlicher Bereicherung als Motiv aus. Der Finanzchef hatte nach Erkenntnissen der Firma mit Banken zusammengearbeitet, um die Unternehmensgelder zu veruntreuen. Nach seinem Verschwinden am 7. Februar wurde ABB auf die "finanziellen Unstimmigkeiten" aufmerksam. Kurz darauf wurden alle Bankkonten weltweit überprüft. Doch die "spezielle Situation" in Südkorea ließ sich an keinem anderen ABB-Standort beobachten. Die Korruptionsaffären, mit denen Südkorea in den letzten Monaten immer wieder für Schlagezeilen gesorgt hatte, stehen nach Auskunft von ABB in Zürich nach derzeitigem Stand in keinem Verhältnis zu den internen Vorkommnissen. Die Affäre in Südkorea ist nicht der einzige Betrugsfall, der die Schweizer derzeit beschäftigt: Mitte Februar war bekannt geworden, dass die britischen Behörden gegen eine ABB-Tochter ermitteln. Dabei geht es um Bestechung und Korruption. ABB hat angekündigt, mit den Behörden zu kooperieren.

© SZ vom 23.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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