Beton-Fusion:Diplomatische Mission

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Holcim-Arbeiter in der Nähe der indonesischen Hauptstadt Jakarta: Holcim und Lafarge wollen zum weltweit größten Zementkonzern fusionieren.

(Foto: Kemal Jufri/Bloomberg)

Nach vielen Querelen kann der geplante schweizerisch-französische Beton-Konzern Lafarge-Holcim demnächst mit einem neuen Vorstandschef starten.

Von Karl-Heinz Büschemann und Charlotte Theile, München/Zürich

Eric Olsen ist Amerikaner, das ist schon einmal nicht schlecht. Zwar hat er auch einen französischen Pass, doch seine internationale Erfahrung, in USA, Brasilien, Ägypten, wird in diesen Tagen besonders betont. Eric Olsen ist am Donnerstag zum künftigen Vorstandschef des französisch-schweizerischen Zementkonzerns Lafarge-Holcim berufen worden. Wann er sein Amt antritt? "Mit dem Abschluss der Fusion" der beiden Unternehmen, heißt es offiziell. Denn noch gibt es Lafarge-Holcim gar nicht. Es gibt Lafarge in Paris und Holcim in Zürich. Im Juli soll das neue Unternehmen stehen. Intern wird dieser Neubeginn "Day One" genannt. Dann wird Olsen sofort nach Zürich ziehen, samt Familie.

Bisher gab es bei der seit einem Jahr geplanten Fusion des Schweizer Zementherstellers Holcim mit dem französischen Konkurrenten Lafarge vor allem jede Menge Ärger. Einer, der die Sache in den Griff bekommen musste, ist Wolfgang Reitzle, früherer Chef der deutschen Linde AG. Seit April vergangenen Jahres ist er Verwaltungsratschef von Holcim. Er will den größten Zementkonzern der Welt mit 39 Milliarden Franken (etwa 37 Milliarden Euro) Jahresumsatz schaffen. Es wäre der größte Zusammenschluss in der Geschichte der Branche. Gründe für die Fusion gibt es reichlich: Die Zementbranche leidet unter Überkapazitäten und schmalen Renditen. Die Schweizer sind eher in Lateinamerika und Asien, die Franzosen in Afrika stark. Eine gute Aufteilung. Man hofft auf Synergien, eine mächtige Position im Einkauf. Doch schon vor einem Jahr, als die Fusion angekündigt wurde, gab es Bedenken.

Dass der Sitz des neuen Konzerns in der Schweiz sein sollte, passte den Franzosen nicht. Zudem war die Fusion als Zusammengehen gleichstarker Partner geplant. Doch dass zwei Unternehmen wirklich genau gleich stark sind, das gibt es selten.

Die Schweizer haben sich 2014 besser entwickelt als der künftige Partner

Bei der Ankündigung des Zusammenschlusses hatten sich die Unternehmen noch großzügig darauf geeinigt, dass beide künftigen Konzernteile gleich viel wert seien. Zum Deal unter Gleichen gehörte auch, dass Holcim-Mann Reitzle in dem neuen Unternehmen den Verwaltungsrat anführen sollte und Bruno Lafont, der mächtige Boss von Lafarge, die Rolle des Konzernchefs übernimmt. Nach deutschem Verständnis wäre also Lafont der für das Tagesgeschäft zuständige Chef, Reitzle der Kontrolleur. Doch seit den ersten Abmachungen hat sich einiges geändert. Zumal beide Unternehmen vor einigen Wochen ihre Jahresbilanzen präsentiert haben. Die Schweizer haben sich dabei besser entwickelt als der künftige Partner. Die Holcim-Aktionäre wurden unruhig, die Kritik an dem ehrgeizigen Fusionsprojekt lauter.

Ende März stellten beide Seiten ein nachgebessertes Austauschverhältnis vor: Der Anteil von Lafarge sollte geringer sein. Nur noch neun Holcim-Aktien hätten den Wert von zehn Lafarge-Aktien. Die Kritik aber ging weiter. Der russische Baustofffabrikant Filaret Galchev, der 10,8 Prozent an Holcim hält, stemmte sich weiter gegen den ausgehandelten Kompromiss.

Es war nicht nur das Verhältnis der Aktien, das die Verhandlungen erschwerte. Auch Bruno Lafont, der designierte Chef, hatte in Zürich zunehmend einen schweren Stand. Der 58-Jährige habe "napoleonische Züge", so klagten die Schweizer. Er inszeniere sich nach außen als Architekt des Zusammenschlusses, nach innen aber führe er sich auf wie ein Oberbefehlshaber.

Investoren zweifelten auch an den Fähigkeiten des Franzosen, das neue Unternehmen zum wirtschaftlichen Erfolg zu bringen. Im Verwaltungsrat von Holcim soll es zunehmend Widerstand gegen Lafont gegeben haben. "Der hat es nicht verstanden, die Mitarbeiter von Holcim zu überzeugen", verrät ein Manager in Zürich. An dieser Personalie hätte alles scheitern können. Wenn Lafont nicht mitgespielt hätte, wäre die Fusion wohl geplatzt. Doch Reitzle und seinen Kollegen im Verwaltungsrat ist es gelungen, Lafont zum Rückzug zu bewegen. Es dürfte eine heikle diplomatische Mission gewesen sein. Es habe eine Mitteilung von Holcim an den Verwaltungsrat von Lafarge gegeben, in dem Lafont pikanterweise selbst der mächtigste Mann ist, heißt es in Zürich. Man brauche für die Zukunft "eine neue Governance", sei die vorsichtige Wortwahl gewesen. Ende März teilten die Unternehmen mit, sie wollten nach Ersatz für Lafont suchen. Der machte Platz für den 51 Jahre alten Olsen, der schon bisher im Lafarge-Führungsgremium sitzt. Lafont bekam zum Trost den schmückenden Titel eines Co-Präsidenten im Verwaltungsrat, den das Schweizer Unternehmensrecht gar nicht kennt.

Für den neuen Chef spricht seine Erfahrung im sogenannten "Change Management". "Er hat bereits mehrere Integrationsprozesse erfolgreich gemanagt", heißt es von Holcim. Es gehe nun darum, "eine gemeinsame Kultur zu schaffen", sagte Reitzle. "Bruno und ich werden Eric Olsen dabei unterstützen." Auch Co-Präsident Lafont fand lobende Worte für Olsen: Er sei "ein wirklicher Manager" und "in der Lage, die Teams zusammenzuführen".

Nun müssen noch die Holcim-Aktionäre den neuen Plänen zustimmen. Bei der Generalversammlung am 8. Mai müssen zwei Drittel für das Zusammengehen unter den neuen Bedingungen votieren. Die großen Aktionäre seien jetzt zufriedengestellt, so sagen Stimmen in Zürich. An der Börse kam die Berufung von Eric Olsen gut an: Der Kurs der Holcim-Aktie stieg um mehr als drei, der von Lafarge sogar um fast fünf Prozent.

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