Beteiligungen:Erst prüfen, dann kaufen

Durchleuchtet

Banken unterscheiden sich durch strengere Regulierung von Industrieunternehmen. Was die Geldhäuser dürfen und was nicht, steht unter anderem im deutschen Kreditwesengesetz (KWG). Dort ist zum Beispiel geregelt, wie die Aufsicht mit Anteilseignern von Banken umgeht. Erwirbt ein Aktionär mehr als zehn Prozent an einem Kreditinstitut, muss er sich einem Inhaberkontrollverfahren unterziehen. Dabei untersucht die Aufsicht, woher das Geld für den Kauf kommt, ob dabei Geldwäsche im Spiel ist und ob sich die neuen Anteilseigner etwas haben zuschulden kommen lassen. Die europäische Bankenaufsicht kann ein solches Verfahren aber auch bei einem Anteil von weniger als zehn Prozent einleiten, wenn ein Großaktionär starken Einfluss hat. Das könnte zum Beispiel bei dem chinesischen Konglomerat HNA der Fall sein, das knapp zehn Prozent an der Deutschen Bank hält. Meike Schreiber

Das Bankgeheimnis spielt eine zentrale Rolle bei Übernahmen. Beim Prozess der Buchprüfung vor einem Einstieg gibt es Lücken.

Von Simone Boehringer

Banken sind ganz besondere Unternehmen. In ihren Bilanzen schlummern die Finanzierungsgeheimnisse der Industrie, fürs operative Geschäft wie für strategische Belange. Die Beziehung von kleinen wie großen Firmen zu ihren Hausbanken heute kann entscheidend sein für die Geschäfte von morgen.

Daher ist klar: Banken müssen intensiv beaufsichtig werden. Das gilt auch für den Verkauf eines Geldhauses. Sobald ein Investor einen signifikanten Anteil an einer Bank übernehmen will, wollen die Aufsichtsbehörden genau wissen, mit wem sie es zu tun haben. Das weiß auch Stephen Feinberg, ob seines großen Interesses an deutschen Banken inzwischen stark beobachteter Großanleger in Europa. Bei einem seiner letzten Besuche in Deutschland Ende 2017 nahm sich der 57 Jahre alte Hedgefonds-Manager deshalb nicht nur fürs Management seiner Bankbeteiligungen Zeit, sondern er sprach auch gleich beim Bundesfinanzministerium vor und bei der Finanzaufsicht Bafin. Die prüft in solchen Fällen gemeinsam mit der Europäischen Zentralbank (EZB) die persönliche Eignung des Erwerbers, seinen Geschäftsplan, die Zuverlässigkeit sowie die finanziellen Möglichkeiten der Firma, für die ein Vorstand oder Geschäftsführer eines Bankinvestors steht.

Die Aufsicht kontrolliert die Investoren, den Verkauf regeln die Parteien selbst

So lief es bei Feinberg, seinem HSH-Mitinvestor Christopher Flowers und wohl auch bei Leon Black, der gerade mit seinem Finanzinvestor Apollo über deren Beteiligung bei der Bremer Kreditbank die Wüstenrot Bank übernimmt. Nicht alle kommen persönlich, aber die entsprechenden Zeugnisse und Erklärungen müssen vorliegen, sonst geht gar nichts.

Was aber behördlich nicht geprüft wird, und wozu die Aufseher auch gar kein Recht haben, ist die Art und Weise, wie die Anbahnungsphase, die sogenannte Due Diligence, zwischen einem Verkäufer und einem potenziellen Käufer läuft. "Die Bafin ist nicht zuständig für die Überprüfung einer Due Diligence im Vorfeld der Übernahme eines Finanzinstituts. Die Ausgestaltung möglicher Prüfungen im Verkaufsprozess liegt im Verantwortungsbereich des Instituts", erklärt ein Sprecher der Bafin.

Tatsächlich engagieren Verkäufer für den reibungslosen Ablauf einer solchen ausführlichen Buchprüfung oft Dienstleister, die virtuelle Datenräume - das sind Server, bestückt mit den für eine Übernahme sehr relevanten Daten zu Kreditvolumina, Kundenstamm und anderen Kerngeschäften einer Bank.

"Je nach Größe eines Deals können zwischen zwanzig, fünfzig oder weit mehr Personen bei so einer Due Diligence beteiligt sein", erklärt Achim Lederle, Partner bei der Transaktionsberatung Quantum Partners in München. Die Daten seien freilich anfangs anonymisiert, aber "je weiter der Verkaufsprozess fortgeschritten ist, desto mehr erfahren die mit dem Verkaufsprozess betrauten Wirtschaftsprüfer, Anwälte und Berater natürlich über die Kunden und das Portfolio eines zum Verkauf stehenden Unternehmens". Vertraulichkeitserklärungen sollen dafür sorgen, dass dieses Wissen nicht für andere Zwecke als den Geschäftsabschluss verwendet wird.

Das Problem dabei: Es ist schwer nachzuprüfen, was mit den Daten aus den Bankbüchern mittelfristig passiert. Müssen Unternehmen also um ihre vertraulichen Daten bangen? Können etwa Finanzinvestoren sehen, wie es um eine Firma wirklich bestellt ist, um diese dann womöglich günstig zu übernehmen? Wenn alles mit rechten Dingen zugeht, ist diese Sorge unbegründet, heißt es beim Bankenverband: "Grundsätzlich gilt, dass Banken auch hier das Bankgeheimnis zu wahren haben. Deshalb werden sogenannte Daten-Treuhänder oder Dateneinsichtsräume geschaffen", erklärt ein Sprecher. In diese dürfen die Kaufinteressenten hineinschauen, jedoch keine Dateien herunterladen oder Unterlagen mitnehmen: "Das einfache ,Abgreifen' von Daten im Rahmen eines Verkaufsprozesses ist nicht möglich."

Aber es ist schon auch so: "Eine der ersten Fragen in einer Due Diligence ist die nach den größten Kunden und den Geschäftsvolumina mit diesen", erklärt Transaktionsberater Lederle. Dirk Müller-Tronnier, auf die Finanzbranche spezialisierter Wirtschaftsprüfer bei Ernst & Young, erklärt, dass es mit zunehmender Dauer eines Prüfprozesses "zunehmend schwer wird, sicherzustellen, dass keinerlei vertrauliche Informationen in die Hände nicht berechtigter Dritter geraten". Allerdings unterliegen diejenigen, die Zugang zu vertraulichen Informationen haben, der Pflicht zur Verschwiegenheit. "Als Anwalt oder Prüfer riskieren sie ihre berufliche Existenz, wenn sie die bei Übernahmen im Finanzsektor besonders heiklen Informationen nicht vertraulich behandelt haben."

Auch die Investoren selber, die die Daten gar nicht direkt einsehen, sind in einem Due-Diligence-Prozess zur Verschwiegenheit verpflichtet - auch längerfristig, so Müller-Tronnier: "Selbst wenn der Investor nach abgeschlossener Transaktion einen Aufsichtsratsposten einnimmt, darf er die vertraulichen Kundendaten nicht direkt nutzen." Insofern sei der Versuch, über eine Due Diligence an vertrauliche Daten zu gelangen, "wenig erfolgversprechend und obendrein kriminell".

Bei Insidern stellt sich zudem die Frage, wie wertvoll solche Informationen in der schnelllebigen Finanzwelt für andere Zwecke noch sein können. Und ob es nicht einfacher ist, wenn sich Investoren das benötigte Wissen für ihre Kaufstrategien in Deutschland offen und direkt bei den Industrieunternehmen ihres Begehrs besorgen, statt den Umweg über Bankdaten zu gehen.

Was bleibt, ist eine vage Sorge, vor allem in finanzpolitischen Kreisen, wo die Verantwortung für Landesbanken angesiedelt ist. In diesen Häusern gebe es oft jahrzehntelange Beziehungen zu Mittelständlern - verbunden mit Daten, die man sonst über diese staatlichen Institute gar nicht erst erfahre, heißt es. Es sei denn, man macht eine Due Diligence.

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