Beteiligungen des Bundes:Deutschland, deine Staatsunternehmen

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Ein Fünftel der Aktien an Volkswagen gehören dem Land Niedersachsen. (Foto: dpa)

Brauereien, Sparkassen, die Bahn: In Deutschland haben Firmen mit staatlicher Beteiligung Tradition. Doch bei Volkswagen zeigt sich: Die Interessenskonflikte sind immens.

Von Caspar Busse

Wilhelm V., Herzog von Bayern, hatte ein Problem. Seinem Hofstaat schmeckte das in München gebraute Bier nicht. Aus dem fernen Niedersachsen musste Bier herbeigeschafft werden, um die Beschäftigten bei Laune zu halten. Das war aufwendig und vor allem teuer. 1589 befahl Wilhelm V. deshalb, ein eigenes herzogliches Brauhaus zu errichten, schon zwei Jahre später wurde die Produktion aufgenommen, 1607 zog der Betrieb in das Hofbräuhaus am Platzl um, heute eine weltberühmte Attraktion im Herzen Münchens.

Bald wurde das Bier nicht mehr nur an die Angestellten des Hofs ausgeschenkt, sondern auch an das gemeine Volk verkauft. Die Brauerei nahm einen ungeahnten Aufschwung, der Umsatz liegt heute bei etwa 50 Millionen Euro, es gibt Dependancen in den USA und anderswo, der Unternehmensgewinn ist anständig - und fließt in die Staatskasse. Denn seit mehr als 425 Jahren ist Hofbräu München nun ein Staatsbetrieb und als Teil der Staatsverwaltung direkt dem bayerischen Finanzminister Markus Söder unterstellt.

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Der deutsche Staat, also Bund, Länder und Kommunen, ist an einer unübersichtlich großen Zahl von Unternehmen beteiligt - auch nach der großen Privatisierungswelle seit den Achtzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts. Da sind Brauereien wie Hofbräu München oder die Badischen Staatsbrauerei Rothaus AG, die Staatsweingüter in Rheinland-Pfalz, die Staatliche Porzellan-Manufaktur Meissen, die Deutsche Bahn, die deutschlandweit etwa 400 Sparkassen und sehr viele städtische und kommunale Betriebe der öffentlichen Daseinsvorsorge: Stadtwerke, Schwimmbäder, Büchereien, Wasserbetriebe, Wohnungsbaugesellschaften.

Und da ist Volkswagen, um die Zukunft des Autobauers mit 217 Milliarden Euro Umsatz und mehr als 600 000 Mitarbeitern wird gerade hart gerungen. Ein Fünftel der Aktien an Deutschlands größtem Industrieunternehmen gehören dem Land Niedersachsen. Dank des sogenannten VW-Gesetzes verfügt das Land zudem über eine Sperrminorität. Gegen den Willen von Ministerpräsident Stephan Weil und seinem Wirtschaftsminister Olaf Lies, beide auch Mitglied des Aufsichtsrats, läuft bei Volkswagen nichts. Die Verbindungen und Verstrickungen zwischen Politik und Wirtschaft sind eng, so eng, dass Weil und seine Vorgänger im Amt sogar Reden und Regierungserklärungen mit Volkswagen abgestimmt haben.

Jetzt wird gefordert, Niedersachsen soll seine VW-Beteiligung abstoßen. "Es wäre begrüßenswert, wenn sich Niedersachsen als Gesellschafter bei Volkswagen zurückziehen würde", sagt Achim Wambach, Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim und Vorsitzender der Monopolkommission, die die Bundesregierung in Wettbewerbsfragen berät. Wambach kritisiert einen zu starken Staatseinfluss. "Es gibt fast immer Interessenskonflikte", sagt er. Was also gut für Niedersachsen ist, muss nicht unbedingt gut für VW sein, und umgekehrt. Der Konzern, durch den Diesel-Skandal angeschlagen, steht im internationalen Wettbewerb. Doch sowohl SPD- als auch CDU-Politiker in Niedersachsen lehnen einen Verkauf kategorisch ab, ginge dann doch erheblicher Einfluss verloren.

"So wenig staatliche Eingriffe, so viel Schutz des Wettbewerbs wie möglich."

Dass sich der Staat möglichst raushalten soll aus den Unternehmen, ist einer der Pfeiler der sozialen Marktwirtschaft. Schon Wirtschaftsminister Ludwig Erhard ("Wohlstand für alle") betonte: "So wenig staatliche Eingriffe, so viel Schutz des Wettbewerbs wie möglich." Anders als etwa in Österreich, Frankreich oder Italien gibt es in Deutschland noch relativ wenige Unternehmen, bei denen der Staat mitredet. Finanzminister Wolfgang Schäuble schreibt im Beteiligungsbericht des Bundes: "Es entspricht einem wichtigen ordnungspolitischen Grundsatz unserer Sozialen Marktwirtschaft, staatliche Unternehmensbeteiligungen auf ein Minimum zu reduzieren." Entfalle das öffentliche Interesse, sei eine Privatisierung anzustreben, so gehe die Zahl der Beteiligungen zurück.

"Der Staat mischt schon kräftig mit." stellt hingegen Wirtschaftsprofessor Wambach fest, und fügt an: "Ich plädiere dafür, dass der Staat die Regeln setzt und die Wirtschaft dann machen lässt." Wambach hält es vor allem für problematisch, wenn der Staat Branchen regulieren muss, also Leitplanken für den Wettbewerb etwa im Telekommunikationssektor setzt, und gleichzeitig an wichtigen Firmen wie der Deutschen Telekom beteiligt ist. Dabei müsse jeder Einzelfall geprüft werden, etwa in der Daseinsvorsorge.

Es gibt nach Expertenmeinung etliche Staatsunternehmen, die unproblematisch sind. Die Versorgung einer Stadt mit Trinkwasser ist beispielsweise ein natürliches Monopol, Wettbewerb ist kaum möglich, mehrere Wasserleitungen zu jedem Haus wären wenig effizient. Ähnliches kann etwa für die Bahn, den öffentlichen Personennahverkehr oder die Energieversorgung gelten. Die Frage dabei: Müssen etwa die Stadtwerke in öffentlicher Hand sein, um die Energieversorgung zu gewährleisten? Oder reicht es, wenn lediglich die Netze reguliert und in Staatsbesitz sind?

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Eine genaue Auflistung aller Firmen mit öffentlicher Beteiligung gibt es nicht. Experten von der Wirtschaftsprüfergesellschaft KPMG schätzen, dass der Bund, die Länder und die vielen Kommunen an insgesamt fast 15 000 Unternehmen beteiligt sind. Der Bund hält davon "nur" 108 Beteiligungen, darunter an den ehemaligen Monopolisten Deutsche Post und Deutsche Telekom, an der Staatsbank KfW oder an der Deutschen Bahn. Beim Freistaat Bayern waren es - mit Hofbräu - zuletzt 68 Beteiligungen mit insgesamt 33 500 Mitarbeitern.

Viele große Staatsbeteiligungen wurden in den vergangenen Jahrzehnten verkauft. Die Deutsche Telekom ging 1996 an die Börse, die Deutsche Post folgte 2000. Die Deutsche Lufthansa ist schon seit 1997 vollständig privatisiert. Bayern verkaufte vor fast 25 Jahren die Beteiligung am Energieversorger Bayernwerk, der später im Eon-Konzern aufging, und finanzierte mit dem Erlös eine Innovationsoffensive, um den Standort Bayern attraktiver zu machen. Telekom, Post, Lufthansa, Eon - die Konzerne sind heute auch international erfolgreich, stehen besser da als viele Konkurrenten in anderen Ländern, die teilweise noch in Staatsbesitz sind, die italienische Alitalia oder die amerikanische Post sind nur einige Beispiele.

Aber nicht überall ist eine Privatisierung die beste Lösung, und das gilt nicht nur für die kommunale Daseinsvorsorge. Der Plan für einen Börsengang der Deutschen Bahn etwa wurde aufgegeben. Nicht praktikabel. Andere Firmenverkäufe sind ziemlich schiefgelaufen. Die Bundesdruckerei in Berlin beispielsweise wurde 2000 an einen amerikanischen Finanzinvestor verkauft. Die Geschäfte des Unternehmens, das Ausweise, Pässe, Briefmarken oder Geldnoten herstellt und 1879 als Reichsdruckerei gegründet worden war, liefen immer schlechter, es gab Eigentümerwechsel. 2009 schließlich musste der Bund die Firma wieder zurückkaufen.

Oder der Energieversorger EnBW: Das Land Baden-Württemberg verkaufte die Firma an den französischen Konkurrenten EdF, 2010 wurde die Anteile wieder zurückgenommen. Die Privatisierung von Tank + Rast erwies sich als Flop. Der Betreiber von Autobahn-Tankstellen wurde seit 1998 von Investor zu Investor weitergegeben. Auch die deutschen Landesbanken erwiesen sich fast alle als große Belastung für die öffentliche Hand, ein Verkauf war nicht möglich. In der Finanzkrise musste sich der Bund sogar mit indirekt 15 Prozent an der Commerzbank beteiligen und versucht nun, den Anteil loszuwerden.

Nicht einmal Edmund Stoiber war gegen staatliches Hofbräu

Oft sind Staatsbeteiligungen historisch bedingt, zum Beispiel die an VW. Der im Dritten Reich gegründete Konzern war nach dem Zweiten Weltkrieg von der britischen Militärregierung auf die Bundesregierung als Treuhänderin und das Land Niedersachsen als Verwalter übertragen worden. 1960 wurde Volkswagen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt; Bund und Niedersachsen behielten jeweils 20 Prozent. Im Jahr 1988 verkaufte der Bund gegen den Widerstand der Arbeitnehmer seine Anteile, stellte das sogenannte VW-Gesetz aber nicht infrage. Demnach bedürfen wichtige Entscheidungen, insbesondere Kapitalerhöhungen und Satzungsänderungen, statt wie üblich einer Dreiviertelmehrheit einer Mehrheit von mehr als vier Fünftel des Grundkapitals, Niedersachsen hat damit quasi ein Vetorecht. Und mal wieder die Verkaufsdebatte. Bei einem Unternehmen gab es die übrigens noch niemals ernsthaft: an der Staatsbeteiligung an Hofbräu in München hat noch niemand zu rütteln gewagt - nicht einmal Edmund Stoiber. Als er als Ministerpräsident einst seine Privatisierungsoffensive vorantrieb, war das kein Thema.

© SZ vom 12.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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