Besuch in Deutschland:Muss ja

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Bessere Zeiten: Kanzlerin Angela Merkel und Chinas Premier Li Keqiang bei der Übergabe von Verträgen 2016. Inzwischen knirscht es in der Beziehung der Länder. (Foto: How Hwee Young/AP)

Mit dem US-Präsidenten läuft es nicht so gut, nun kommt Chinas Premierminister Li Keqiang nach Berlin. Doch die Beziehungen sind angespannt, wirtschaftlich ist man sich völlig uneinig.

Von Christoph Giesen, Peking

Es ist eine Reise, die nach neuen Optionen klingt, manch einer hofft gar auf einen Ausweg - aus dem Trump-Dilemma: Am Mittwoch ist Chinas Ministerpräsident Li Keqiang in Berlin zu Gast, am Donnerstag findet in Brüssel der EU-China-Gipfel statt. In Zeiten, in denen sich Europas Staats- und Regierungschefs fragen, wie sie künftig mit dem US-Präsidenten umgehen sollen, hört man immer wieder den Wunsch nach Annäherung an China. Doch die Wahrheit ist: Das Verhältnis zwischen Berlin und Peking ist angespannt. "Es gibt seit einigen Monaten einen ungewöhnlich hohen Grad an Konflikten", sagt Mikko Huotari, Leiter des Programms Internationale Beziehungen beim Mercator Institute for China Studies (Merics) in Berlin.

Vor allem wirtschaftlich klemmt es. Und das kann man beobachten. Mitte Mai zum Beispiel, als Chinas Führung zur Seidenstraßenkonferenz, dem sogenannten "Belt and Road Forum" nach Peking lud, lobten fast alle Redner Staats- und Parteichef Xi Jinping für seine Initiative. Manch einer schleimte, andere biederten sich an. Der griechische Premierminister Alexis Tsipras etwa gab zu Protokoll: "Griechenland schätzt die Bedeutung der Belt-and-Road-Initiative hoch." Und Tschechiens Präsident Miloš Zeman sagte gar: "Die Belt-and-Road-Initiative ist das faszinierendste Projekt der modernen Geschichte." Die einzigen Ausnahmen: Russlands Präsident Wladimir Putin - ein Mann, der keinen Bückling macht, vor wem auch immer. Und Deutschlands Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD). Sachlich erinnerte sie China dran, dass der Protektionsmus abgebaut werden müsse - so wie versprochen.

Im Januar hatte Xi in Davos auf der Jahreshauptversammlung des Weltkapitals eine bemerkenswerte Rede gehalten. Ausgerechnet Xi verteidigte die Globalisierung, mahnte den Abbau von Zöllen an und sprach sich gegen Protektionismus aus. "Freetrade Xi" nannten sie ihn danach euphorisch in den Schweizer Bergen. Der Chef einer kommunistischen Partei forderte dort all das, was man sich vom amerikanischen Präsidenten gewünscht hätte. Der schwor derweil seine Anhänger auf "America first" ein.

"Man kann fast den Eindruck gewinnen, dass die Chinesen mit Deutschland spielen."

Doch was ist seitdem passiert? In den vergangenen Monaten konnte man durchaus eine Art Charmeoffensive aus Peking wahrnehmen. Chinas Furcht: ein Handelsstreit mit den Vereinigten Staaten, in den Europa mit einsteigt. Mehr als 50 Prozent des chinesischen Exports wären wohl dann betroffen. In der Sache aber bleibt China hart.

"Man kann fast den Eindruck gewinnen, dass die Chinesen mit Deutschland spielen", sagt Merics-Mann Huotari. "Kompromisse in den Beziehungen finden zunehmend nach chinesischen Regeln statt." Und diese Zugeständnisse bekommt man auch nur, wenn zuvor lautstark Alarm geschlagen wurde. Zum Beispiel bei der geplanten Elektroauto-Quote. Zunächst hatte die chinesische Regierung ausländischen Herstellern signalisiert, dass sie ab 2020 mit einer verbindlichen Vorgabe rechnen müssten. Erfreut war man darüber nicht in den Zentralen, machte sich aber an die Planung. Dann tauchte Ende September 2016 ein Gesetzentwurf auf einer Regierungswebsite auf. Statt 2020 hieß es nun plötzlich 2018. Zwei Jahre sind viel Zeit für langfristig planende Unternehmen. Die deutschen Hersteller wandten sich an die Politik, Sigmar Gabriel (SPD), damals noch Bundeswirtschaftsminister, sprach das Thema bei einer Reise nach Peking an. Keine Reaktion.

Erst als Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Wochen später mit Xi telefonierte, verständigte man sich mündlich auf eine Lösung. Das Gesetz soll nun ab 2019 gelten und die Autohersteller müssen nicht, wie zunächst vorgesehen, sämtliche technische Details nach China übermitteln. Ein neuer Gesetzentwurf fehlt allerdings noch immer. Sollte es dabei bleiben, hätte China erst ein Problem kreiert und es dann fast gnädig gelöst. 2019 statt 2020.

Ähnliches Muster beim NGO-Gesetz: Seit Anfang des Jahres müssen sich Nichtregierungsorganisationen in China registrieren lassen und mit einem staatlichen Partner zusammentun. Auch in diesem Fall waren die politischen Kosten auf deutscher Seite enorm, damit die parteinahen Stiftungen wieder arbeitsfähig sind. Fünf Monate waren sie "technisch illegal". Nahezu jede Delegation aus Deutschland sprach das Thema an. Vor knapp zwei Wochen dann die endlich die Registrierung.

Die OECD stuft die Volksrepublik als das verschlossenste Industrieland ein: Platz 59 von 59

In anderen Bereichen tut sich nichts. In der Medizintechnik etwa gilt die Ansage für staatliche Krankenhäuser, vor allem Geräte einheimischer Hersteller zu kaufen - das trifft die deutsche Industrie hart. Auch bei bestehenden Regeln zeigt sich die chinesische Führung kaum kompromissbereit. Noch immer müssen Autohersteller in China Gemeinschaftsunternehmen mit chinesischen Partnern gründen. Ausländischen Firmen ist es zudem untersagt, Medienunternehmen, Telekom-Konzerne oder Banken zu übernehmen. Die OECD stuft China deshalb als das verschlossenste Industrieland ein: Platz 59 von 59 Staaten.

Beim Seidenstraßengipfel forderte Staatschef Xi erneut den Abbau von Protektionismus. Trotz des demonstrativen Bekenntnisses zum Freihandel untersagten die chinesischen Gastgeber den EU-Staaten, eine ähnliche Forderung in die gemeinsame Abschlusserklärung aufzunehmen. Die Folge: Mehrere europäische Staaten, darunter Deutschland, weigerten sich, die von China vorbereitete Erklärung zum gemeinsamen Handel zu unterzeichnen. Es knirscht merklich in den Beziehungen.

© SZ vom 31.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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