Bessere Messung:EU-Kommission will richtige Abgastests

  • Fahrzeuge sollen von September 2017 an unter realen Fahrbedingungen darauf untersucht werden, welche Abgase sie ausstoßen.
  • 2013 soll der damalige EU-Umweltkommissar laut FT bereits vor Abgas-Tricks gewarnt haben.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

In Brüssel soll es jetzt ganz schnell gehen. Im Lichte des VW-Skandals erhöht die Europäische Kommission den Druck auf die Autobauer. Brüssel will die Abgasüberprüfungen verschärfen - sie sollen künftig unter realen Fahrbedingungen stattfinden. Bei den sogenannten Real-Driving-Emissions-Tests (RDE) werden die Autos nicht mehr im Labor untersucht, sondern auf der Straße. An diesem Mittwoch sollen im Technischen Ausschuss Kraftfahrzeuge die genauen Vorgaben beschlossen werden. Mit am Tisch sitzen alle Mitgliedsstaaten.

Es geht dabei zum die sogenannten Not-To-Exceed-Limits (NTE), also die maximal erlaubten Abweichungen von den neuen Grenzwerten bei RDE-Tests. Diese sollen Ungenauigkeiten bei der Messung abfedern. Die neuen Vorgaben sollen dann von September 2017 an für die Typgenehmigungen aller neuen Fahrzeuge gelten. Auch die Regeln für Rückrufaktionen sollten vereinheitlicht werden, sagte eine Kommissionssprecherin. "Der Fokus liegt darauf, das Rückrufsystem sowie den Informationsaustausch zwischen Zulassungsstellen zu klären und zu stärken." Zurzeit können sich Autohersteller aussuchen, in welchem Land der EU sie ihre neuen Modelle genehmigen lassen, um die Zulassung für die gesamte Union zu erhalten.

Man spricht jetzt von "null Toleranz"

Kritiker werfen der Kommission vor, sie wolle mit ihrer Schnelligkeit von eigenen Versäumnissen ablenken. Der Financial Times zufolge hat es in der Brüsseler Behörde bereits Jahre vor dem Bekanntwerden des Volkswagen-Skandals Sorgen wegen möglicher Manipulationen von Motoren bei Abgastests gegeben. 2013 habe der damalige EU-Umweltkommissar Janez Potocnik vor solchen Tricks gewarnt, berichtete das Blatt. In einem Brief an den Industriekommissar Antonio Tajani habe er damals von "weit verbreiteten Sorgen" berichtet, dass Autobauer die Leistung von Motoren auf den Testzyklus der Autos zuschnitten und der Abgasausstoß ansonsten "dramatisch" ansteige.

Volkswagen hatte im September eingeräumt, bei Umwelttests von Dieselfahrzeugen in den USA die Abgaswerte manipuliert zu haben. Durch eine entsprechende Software wurde bei den Tests ein niedrigerer Schadstoffausstoß gemessen als im Normalbetrieb. Bei der Kommission spricht man jedenfalls von "null Toleranz", lückenloser Aufklärung und davon, dass man der Sache auf den Grund gehen müsse. Doch was wusste man eigentlich in Brüssel? Klar ist: Der Europäischen Kommission waren die Tricks, wie Hersteller Abgaswerte drücken können, schon vor Auffliegen des VW-Skandals bewusst.

"Raum für Interpretation"

In einer Studie des Joint Research Centres des Instituts für Energie und Transport (IET) der EU-Kommission aus dem Jahr 2013 haben die Autoren auf genau dieses Problem hingewiesen. Anscheinend war es den Wissenschaftlern aber sehr wichtig, darauf aufmerksam zu machen, denn im Untersuchungsbericht haben sie ihre Erkenntnisse extra in einem Kasten eingerahmt. Auf fast einer ganzen Seite setzen sie sich mit dem Phänomen der "Defeat Devices" auseinander.

Die Autoren der Studie weisen darauf hin, dass diese Abschalteinrichtungen seit 2007 verboten sind. Mit einer Ausnahme: Nur in Fällen, in denen es nötig ist, den Motor vor einem Schaden zu schützen, sind sie erlaubt. Das lasse, so die Wissenschaftler, allerdings "Raum für Interpretation" - eben jenen Raum, "um Emissionsleistungen von Fahrzeugen anzupassen". Anpassen, so kann man es natürlich formulieren. Treffender wäre es zu sagen: So können Abgaswerte von Autos manipuliert werden.

Es besteht also kein Zweifel, dass die EU-Kommission bereits vor zwei Jahren wusste, wie dreist Autobauer die Verbrauchswerte ihrer Fahrzeuge verschleiern können.

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