Bespitzelungs-Affäre bei der Bahn:Heftige Attacken gegen Mehdorn

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Wegen der Ausspähung von Mitarbeitern gehen die Bahngewerkschaften so hart wie nie zuvor mit Hartmut Mehdorn ins Gericht. Sie fordern nicht nur eine Sondersitzung des Aufsichtsrats, sondern auch eine Entschuldigung - sonst steht Mehdorns Job auf dem Spiel.

Klaus Ott

Zumindest in einem Punkt hatte Vorstandschef Hartmut Mehdorn Recht, als er sich dieser Tage in der Daten-Affäre bei der Deutschen Bahn (DB) an den Aufsichtsrat wandte. "Es ist uns bisher nicht gelungen", schrieb der Konzernchef, "in der Öffentlichkeit und den Medien Vertrauen und Verständnis für unsere Position zu finden."

Noch bezeichnet Hartmut Mehdorn alle Vorwürfe in der Daten-Affäre als "polemisch". (Foto: Foto: dpa)

Das ist freilich noch recht milde ausgedrückt. Der bullige Bahnchef, der von sich selbst sagt, er sei kein Diplomat, hat wieder einmal viel Kritik auf sich gezogen.

Frühere Aufregungen über ein schier undurchschaubares neues Ticket-System, über seine Privatisierungspläne für das Staatsunternehmen und andere Konfliktstoffe hat Mehdorn stets überstanden, auch weil Bundeskanzlerin Angela Merkel und deren Vorgänger Gerhard Schröder ihn immer wieder gestützt haben.

Doch die Überprüfung von 173.000 Mitarbeitern, bei denen die Bahn mit dem Abgleich von Daten nach Anhaltspunkten für Korruption, Betrug oder andere kriminelle Geschäfte forschte, könnte ihn möglicherweise sogar den Job kosten.

In diese Lage hat sich Mehdorn nach Ansicht von Aufsichtsräten selbst gebracht. Mitglieder des Kontrollgremiums, Gewerkschafter und Politiker sind empört, wie barsch der Bahnchef jede Kritik an der Massen-Kontrolle der Belegschaft zurückweise, wie sehr er diese Aktion bagatellisiere, und wie er auf diese Weise Öl ins Feuer gieße.

Die Bahngewerkschaften fordern eine Sondersitzung des Aufsichtsrats und eine Entschuldigung bei der Belegschaft. Aufsichtsratschef Werner Müller, ehedem Bundeswirtschaftsminister, will an diesem Montag mit den Gewerkschaftschefs Alexander Kirchner (Transnet) und Klaus-Dieter Hommel (GDBA) darüber reden. "Wenn die Spitzenvertreter der Belegschaft im Aufsichtsrat kurzfristig eine außerordentliche Sitzung wünschen, dann wird diese anberaumt", sagte ein Sprecher Müllers am Sonntag.

Der Aufsichtsrat wird also rasch zusammenkommen. Noch vor dem 11. Februar, an dem sich der Bundestag erneut mit der Affäre befassen will, soll das nach dem Willen der Gewerkschaften geschehen. Dann wird sich wohl Mehdorns Schicksal entscheiden.

Transnet und GBDA attackieren den Bahnchef härter denn je, sogar von "Rasterfahndung" in der Belegschaft ist die Rede. Die Gewerkschaften fordern eine Entschuldigung. Tue er das nicht, dann hätte er das Vertrauen des Arbeitnehmerflügels im Aufsichtsrat verloren. "Dann ist die Partie gelaufen", hieß es am Sonntag aus dem Aufsichtsrat. "Die Lage ist hochgefährlich für Mehdorn."

Berichterstattung "sehr enttäuschend"

Der frühere Flugzeugmanager hat es offenbar selbst in der Hand, ob er Bahnchef bleibt. Aber nichts fällt ihm so schwer wie zuzugeben, dass er sich falsch verhalten habe.

In seinem Brief an den Aufsichtsrat vom Donnerstag vergangener Woche beklagte sich Mehdorn, die "Behandlung des angeblichen Datenschutzskandals bei der Deutschen Bahn im Verkehrsausschuss des Bundestags hat erneut zu einer für das Unternehmen sehr negativen Medienberichterstattung geführt". Angesichts der großen Anstrengungen der Bahn beim Kampf gegen die Korruption sei das "sehr enttäuschend", schrieb Mehdorn.

Nicht die Massen-Kontrolle der Belegschaft, sondern der Umgang des Parlaments damit ist aus Mehdorns Sicht das Problem. Im Bundestag hatte der oberste Korruptionsbekämpfer der Bahn, der frühere Oberstaatsanwalt Wolfgang Schaupensteiner, auf Nachhaken von Abgeordneten Details wie die Überprüfung der 173.000 Mitarbeiter mitgeteilt.

Diese Aktion habe "nichts mit guter Unternehmenskultur zu tun", kritisierte Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) am Wochenende. Tiefensee arbeite auf Mehdorns Rauswurf hin, heißt es im Aufsichtsrat der Bahn, während die Kanzlerin abwarte, wie sich die Sache entwickele.

Aus Regierungskreisen ist zu hören, Mehdorn stütze sich vor allem auf Merkel, aber das könne auch schiefgehen. Wie falsch der Bahnchef die Lage einschätze, habe sich am Freitag gezeigt. Da wollte sich der Prüfungsausschuss des Aufsichtsrats vom Vorstand über die Daten-Affäre informieren lassen. Mehdorn war anfangs nicht zugegen. Er musste erst geholt werden.

© SZ vom 02.02.2009/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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