Bescheid wissen: Praxisgebühr:Kurieren vor Kassieren

Seit Januar zahlen gesetzlich Versicherte zehn Euro pro Arztbesuch. Bei Notfällen und Vorsorgeterminen entfällt die Gebühr jedoch.

Von Kristina Läsker

Zahlen oder nicht zahlen? Seit Jahresbeginn stehen ratlose Patienten in der Arztpraxis und wissen nicht, für welche Leistungen die Praxisgebühr fällig wird. Grundsätzlich gilt: Mindestens zehn Euro pro Quartal sind zu entrichten. So will es die Gesundheitsreform.

Die Gebühr muss der Patient immer dann bezahlen, wenn er das erste Mal in einem laufenden Quartal einen Arzt, Facharzt oder Psychotherapeuten aufsucht. Wer ohne Überweisung zu verschiedenen Ärzten geht, wird jedesmal zur Kasse gebeten. Privat Versicherte sind davon ausgenommen.

Was einfach klingt, ist schwierig im Detail: Manch einer hat die zehn Euro schon unnötigerweise gezahlt. Mitte vergangener Woche sicherte Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) den Patienten zu, dass sie fälschlich kassierte Gebühren zurückerhalten. Die SZ hat das Gesundheitsministerium und die Bundesärztliche Kassenvereinigung befragt:

Müssen Kinder und Jugendliche auch Praxisgebühr zahlen?

Nein, die Gebühr gilt nur für Erwachsene ab 18 Jahren.

Wo muss die Gebühr bezahlt werden?

Die Praxisgebühr wird von den Arztpraxen in bar, teilweise auch per EC-Karte entgegengenommen und quittiert. Mediziner und Kassen empfehlen, die Quittungen als Nachweis aufzuheben und in die Praxen mitzubringen.

An wen darf der Hausarzt zuzahlungsfrei überweisen?

Grundsätzlich gilt: An alle Fachärzte, wie Augenärzte, Gynäkologen oder Orthopäden. Jeder Facharzt darf an andere Praxen überweisen. Um kein zweites Mal zu zahlen, müssen Patienten Überweisung und Quittung vorlegen. Achtung: Der Arzt muss die Gebühr nicht zurückzahlen, wenn die Überweisung erst nachträglich vorgelegt wird.

Müssen Patienten wieder nach Hause gehen, wenn sie nicht zahlen können?

Bei akut nötiger Behandlung nicht, ansonsten darf der Arzt sie ablehnen.

Wie lange gilt die Überweisung?

Überweisungen befreien immer nur innerhalb desselben Quartals von der Zuzahlungspflicht. Wer also Ende März vom Hausarzt an den Facharzt verwiesen wird und erst einen Termin im April bekommt, muss zweimal zahlen. Über diesen Punkt streiten Kassen, Ärzte und Ministerin allerdings noch.

Kann der Arzt kostenfrei an einen Zahnarzt überweisen?

Nein, beim Zahnarzt ist immer eine separate Praxisgebühr fällig. Vorsorge-Termine sind zweimal pro Jahr ohne Gebühr möglich, auch wenn der Arzt Zahnstein entfernt oder röntgen lässt. Es gilt die Faustregel: Wenn der Zahnarzt den Bohrer nicht in die Hand nimmt, muss nicht gezahlt werden. Falls doch, muss die Gebühr im Anschluss an die Behandlung gezahlt werden.

Gibt es weitere Vorsorge-Untersuchungen, die umsonst bleiben?

Ja, so sind Untersuchungen während der Schwangerschaft kostenfrei. Dies gilt auch für folgende jährliche Krebsvorsorge: Frauen ab 20 Jahren bei Genital- und Frauen ab 30 und Männer ab 45 Jahren bei Brust- und Hautuntersuchungen. Ab 50 Jahren ist die Darmkrebsvorsorge für Männer und Frauen umsonst. Wer über 35 ist, darf alle zwei Jahre einen Gesundheits-Check (Herz, Kreislauf, Zucker) ohne Praxisgebühr in Anspruch nehmen.

Müssen Patienten die Praxisgebühr auch für Rezepte zahlen?

Ja, auch wenn sie nur mit der Sprechstundenhilfe telefonieren und das Rezept per Post erhalten. Geht es nach Gesundheitsministerin Schmidt, soll eine Ausnahme künftig für die Anti-Baby-Pille gelten, für die ein Jahresrezept ausgestellt werden könnte.

Was gilt für Impfungen?

Grundsätzlich sind alle Schutzimpfungen ohne Praxisgebühr möglich, insbesondere solche gegen Kinderlähmung, Diphtherie, Tetanus, Mumps, Masern, Röteln, Keuchhusten, Grippe oder Hirnhautentzündung. Für Urlaubsvorsorge gilt das allerdings nicht: Wer sich gegen Gelbfieber impfen lassen will, weil in seinem Ferienland Ansteckungsgefahr herrscht, muss Impfung und Praxisgebühr selbst zahlen.

Wie viel Euro müssen Patienten maximal pro Jahr zahlen?

Alle Zuzahlungen, zu denen auch die Praxisgebühr gehört, dürfen zwei Prozent des Bruttogehaltes nicht übersteigen. Die Patienten müssen dies mit Quittungen nachweisen und eine Befreiung beantragen.

Müssen chronisch kranke Patienten die Praxisgebühr zahlen und wer gilt als chronisch krank?

Es ist vorgesehen, dass chronisch Kranke die zehn Euro ebenfalls entrichten. Sie müssen aber für alle Zuzahlungen insgesamt nicht mehr als ein Prozent ihres Jahreseinkommens zahlen. Inzwischen sieht es nach einem Kompromiss zwischen Kassen und Ärzten aus, wonach auch jene Patienten zu den Chronikern zählen, die sich wegen gravierender Dauererkrankungen ambulant behandeln lassen.

Was müssen Sozialhilfe-Empfänger beachten?

Auch Sozialhilfe-Empfänger müssen zuzahlen, allerdings nicht mehr als durchschnittlich sechs Euro im Monat (knapp 72 Euro im Jahr). Die sechs Euro entsprechen zwei Prozent des durchschnittlichen Einkommens deutscher Sozialhilfeempfänger (so genannter Eckregelsatz). Inwieweit die Sozialämter für den Betrag in Vorleistung gehen müssen, wird noch diskutiert. Auch hier gilt: Quittungen sammeln. Für Sozialhilfeempfänger in Pflegeheimen zeichnet sich eine reduzierte Zuzahlungsobergrenze von drei Euro im Monat ab.

Was gilt in Notfällen?

Wer die Notfallambulanz eines Krankenhauses oder eines Arztes im Nacht- oder Bereitschaftsdienst aufsucht, muss eine Gebühr begleichen, jedoch nur einmal an einem Wochenende. Wer per Telefon unter 112 den Notarzt ruft, muss nicht für die Praxisgebühr aufkommen. Um Missbrauch zu verhindern, soll festgelegt werden, was als Notfall gilt.

Wer zahlt bei Arbeitsunfällen?

Wer während der Arbeitszeit einen Unfall erleidet, so dass die Behandlung durch die Unfallversicherung abgedeckt ist, muss nicht für die Praxisgebühr aufkommen. Das gilt auch für Berufskrankheiten.

Was müssen Patienten für Krankenhausaufenthalte zahlen?

Für jeden Tag im Krankenhaus werden zehn Euro fällig, maximal 28 Tage lang. Für Kuren gilt das gleiche.

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