Berufung statt Beruf:Karriere in der Wissenschaft?

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Überfüllte Hörsäle: Am Anfang des Studiums finden Studenten oft keinen Platz mehr. Auch später drängeln sich viele Talente um wenige Stellen. (Foto: Fabian Stratenschulte/dpa)

Für junge Menschen ist der Weg in eine akademische Laufbahn im deutschen Wissenschaftsbetrieb von zahlreichen Hindernissen, Zeitverträgen und Umzügen geprägt.

Von Kathrin Werner und Jan Willmroth, München/New York

Alexander Danzer hat sich immer Hintertüren offengelassen. Damit er rauskann, wenn es nicht klappt mit der Karriere in der Wissenschaft, falls er die ständigen Umzüge und Zeitverträge satt hat. Zur Weltbank wäre der Ökonom dann vielleicht gegangen, erzählt er, da hat er jahrelang gearbeitet. Oder zu anderen Organisationen.

Bis vor Kurzem musste Danzer diese Perspektive einnehmen: Auf den vielen Umwegen im deutschen Wissenschaftsbetrieb, die er nehmen musste. In der Ungewissheit darüber, wo er in ein paar Jahren wohnen und arbeiten wird. Seit April hat der 36-Jährige einen Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre an der Universität Eichstätt-Ingolstadt. Jetzt ist er angekommen, W3-Professor, viel mehr geht in Deutschland nicht. "Das ist schon eine prekäre Situation, mit der man jahrelang klarkommen muss", sagt Danzer.

"Kinder stellen für Wissenschaftler ein Karriererisiko dar."

So geht es vielen, manche sagen: fast allen, die eine akademische Laufbahn in der Volkswirtschaftslehre (VWL) anstreben, einem der Fächer mit den meisten Studierenden. Unbefristete Beschäftigung sollte einst zur Regel werden. Sie blieb eine Ausnahme. 90 Prozent des hauptberuflich wissenschaftlichen Personals im Hochschulbereich haben befristete Verträge. Wer nicht an einer Graduiertenschule promoviert, hat in der Regel eine befristete Stelle. Wer den Doktortitel schon trägt, ebenfalls. Jeweils bis zu sechs Jahre vor und nach der Promotion. Das 2007 zuletzt überarbeitete Wissenschaftszeitvertragsgesetz erlaubt es bislang sogar, wissenschaftliches Personal bis zu 15 Jahre lang "sachgrundlos" befristet einzustellen. Nach einem aktuellen Gesetzentwurf der Bundesregierung soll sich das ändern.

"Es ist viel passiert bei der Nachwuchsförderung", sagt Alexander Danzer, "aber das hat nur den akademischen Mittelbau vergrößert." Er nennt das "Flaschenhals": Eine stark gewachsene Zahl exzellenter junger Wissenschaftler konkurriere um die gleich gebliebene Zahl an Professorenstellen. Nun finden Ökonomen Konkurrenz in der Regel gut - dass sich hervorragend ausgebildete Wirtschaftsforscher aber von Vertrag zu Vertrag und von Uni zu Uni hangeln müssen, stößt bei vielen auf Kritik.

Nicht zuletzt, weil es das deutsche System so schwierig macht, die guten Leute zu halten. Rüdiger Bachmann war einst ein Vorzeige-Heimkehrer. Der Makroökonom hatte zehn Jahre in den USA geforscht und gelehrt, unter anderem in Yale und an der University of Michigan. 2012 war es der RWTH Aachen gelungen, ihn zurückzulocken, später wechselte er an die Goethe-Universität Frankfurt. Jetzt ist er zurück in den USA und Adjunct Professor an der Notre Dame University - einen Schritt entfernt von der Vollprofessur, mit Tenure Track. So heißt das vor allem in den USA weit verbreitete Programm, in dem eine Uni jungen Professoren eine Stelle für sechs bis sieben Jahre garantiert und dann bei guter Bewertung übernimmt.

Bachmanns Frau, Chinesin und ebenfalls Top-Ökonomin mit Tenure Track in den USA, hatte in Deutschland keine geeignete Stelle gefunden, trotz etlicher Bewerbungen. "Was das Wissenschaftliche angeht, war ganz klar, dass meine Frau ein Gewinn für die Unis gewesen wäre", sagt Bachmann. "Aber es kamen immer wieder läppische Sachen. Eine Uni hat sich geweigert, auf Englisch zu kommunizieren, das ist Provinzlertum." An amerikanischen Unis wird oft für den Partner einfach eine Stelle geschaffen, auch für die Kinderbetreuung wird dann gesorgt. Die konservative Lehrstuhl-Politik an deutschen Universitäten hat Bachmann frustriert. "Es fehlt an internationalem Profil und einer entsprechenden Vision", findet er.

Danzer war schneller als seine Frau, die noch als Post-Doc am Ifo-Institut forscht. Nach der Promotion in London fand er einfach schneller eine Stelle. Zwei Kinder haben die beiden. "Kinder stellen für Wissenschaftler ein Karriererisiko dar", sagt er. Derzeit verhandeln Bund und Länder in der gemeinsamen Wissenschaftskonferenz über einen neuen "Pakt für den wissenschaftlichen Nachwuchs". Als wahrscheinlich gilt, dass es auch hierzulande mehr Tenure-Track-Programme geben wird. Denjenigen, die schon jetzt im Mittelbau verharren, werde das womöglich auch nicht mehr helfen, meint Danzer.

© SZ vom 24.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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